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Dicke Luft bei der AfD | "Für die Fraktion zu arbeiten ist die Hölle"


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Dicke Luft bei der AfD
"Für die Fraktion zu arbeiten ist die Hölle"


11.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Die AfD-Fraktion im Bundestag: Bei den Beschäftigten rumort es schon länger.Vergrößern des Bildes
Die AfD-Fraktion im Bundestag: Bei den Beschäftigten rumort es schon länger. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Für manche in der AfD war es wie ein Schreckgespenst: Ein Betriebsrat für die Bundestagsfraktion. Jetzt gibt es ihn. Seine Wahl zeigt, wie gespalten die Partei ist.

Für den Auftakt waren gleich vier Räume im Bundestag gemietet worden: Nicht, weil die 42 Teilnehmer so viel Platz gebraucht hätten. Die Organisatoren hatten Sorge, dass ihnen die Tagungsräume doch noch streitig gemacht werden und sie am Ende ganz ohne Raum dastehen könnten. Schließlich ging es um die Gründung eines Betriebsrats für die Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion der AfD. Und dagegen hatte es im Vorfeld erhebliche Widerstände gegeben.

Die "Wahl eines Wahlgremiums zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl einer Personalvertretung" konnte dann aber im Sommer stattfinden, sogar im Fraktionssaal der AfD. Die Fraktion hatte sich schließlich damit abgefunden, dass die Mitarbeiter der Verwaltung formal mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten bekommen. In einer Fraktionssitzung sprach sich die Mehrheit dagegen aus, die Betriebsratspläne vor Gericht zu torpedieren. Das hätte ohnehin wenig Aussicht auf Erfolg gehabt. Vielen Abgeordneten war ein Betriebsrat für die Fraktion zudem gar nicht mehr so unsympathisch – kann er doch auch als Kritik an der eigenen Führung verstanden werden, ein Misstrauensvotum der unzufriedenen Mitarbeiter gegen die Fraktionsspitze um Tino Chrupalla und Alice Weidel.

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Seit September gibt es nun also einen Betriebsrat, der die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten soll. Doch Ruhe kehrt trotzdem nicht ein. Jetzt bekannt gewordene Details zeigen, dass Missstände weiter bestehen und die Unzufriedenheit vieler innerhalb der Fraktion noch immer groß ist.

Vertrauensgremium arbeitete gegen Gründung

Der Fraktionsvorstand hat einen großen Anteil daran, dass die Stimmung derart vergiftet ist. Er hatte seinerzeit ein "Vertrauensgremium" geschaffen, das mit Mitarbeitern besetzt wurde, die ihm genehm sind. Sie sollten die schon damals herrschende Unzufriedenheit in der Fraktion auffangen.

Als nun Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen wollten, arbeitete das Gremium intern gegen diese Pläne. So zweifelte es per Rundschreiben an die Kollegen die rechtliche Grundlage für einen Betriebsrat an: "Die Fraktion fällt weder in den Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes noch des Betriebsverfassungsgesetzes", hieß es da – obwohl zu diesem Zeitpunkt bis auf AfD und FDP alle Fraktionen Betriebsräte hatten. Wer einen Betriebsrat auch bei der AfD wolle, müsse sich fragen lassen, "ob sie sich nicht gemein machen mit einer zerstörerischen Feindseligkeit, bei der wir am Ende alle verlieren werden".

Für die Betriebsratswahl ließen sich die Mitglieder des vom Vorstand bestimmten "Vertrauensgremiums" nicht aufstellen, sie hätten wohl auch keine Chance gehabt. Allerdings gewannen auch nicht diejenigen, die die Gründung forciert hatten. Überraschend kandidierte eine zweite Gruppe. Sie, so heißt es im Umfeld der Betriebsrats-Initiatoren, soll dem Vorstand nahestehen. Diese Gruppe gewann schließlich mit 53 Prozent und stellt nun vier Mitglieder. Die Betriebsrats-Initiatoren erhielten dagegen nur drei Plätze.

An der Spitze des Betriebsrats steht nun eine Frau. Sie will nicht, dass ihr Name öffentlich bekannt wird. Für die AfD zu arbeiten, kann Beleidigungen und Bedrohungen nach sich ziehen.

Unabhängig von der Wahl ist sie von ihren früheren Aufgaben als Referentin für einen Arbeitskreis entbunden. Das kommentieren sie und die Fraktion nicht: Zu "Personalangelegenheiten" werde "keine Stellungnahme" abgegeben. Ob ihre Arbeit bereits Wirkung zeigt, will sie mit der gleichen Begründung nicht beantworten. Sie äußert sich auch nicht kritisch zu Missständen.

Aus der Fraktion ist jedoch zu hören, dass drängende Probleme noch immer nicht angegangen werden. So sind viele Fraktionsmitarbeiter verärgert darüber, dass knapp ein Dutzend von ihnen nicht weiß, ob ihre Verträge zum Jahresende verlängert werden. Sie müssten deswegen schon jetzt eine neue Stelle suchen, doch das ist nicht so einfach. Es schreckt viele Personalchefs ab, wenn als letzter Arbeitgeber "AfD-Fraktion" im Lebenslauf steht. Die ausstehende Vertragsverlängerung werde genutzt, um Druck auf Mitarbeiter auszuüben. "Da ducken sich deshalb manche weg", heißt es aus dem Umfeld.

Auch von der im vergangenen Jahr versprochenen Leistungsprämie hätten Mitarbeiter noch nichts gehört. Gehaltsstrukturen seien intransparent, viele empfänden sie als ungerecht. In der Organisation sei so manches nicht nachvollziehbar, heißt es. Mitarbeiter von Abgeordneten sagen offen: "In der Fraktion zu arbeiten ist die Hölle, wenn man nicht zu den richtigen Leuten gehört."

Zwei Lager oder nicht?

Ob der Betriebsrat dazu beitragen kann, die Streitigkeiten innerhalb der Fraktion zu befrieden, darüber gibt es verschiedene Sichtweisen.

Im Umfeld derer, die den Betriebsrat angestoßen hatten, herrscht Skepsis. Sie halten ihn für zu schwach und kritisieren, die Mehrheit im Betriebsrat stehe denen nahe, die für verkrustete Machtstrukturen und Bevorzugung von Günstlingen verantwortlich oder Nutznießer davon seien. Es macht sie misstrauisch, wenn der Sprecher der Fraktion mitteilt, dass die "Zusammenarbeit des Fraktionsvorstandes mit dem Gremium (...) vertrauensvoll und konstruktiv" sei.

Die Betriebsratsvorsitzende erklärt dagegen, sie vertrete "die Interessen aller Mitarbeiter" und rechne sich auch keiner "Gruppe" zu. Tatsächlich gibt es innerhalb der Fraktion Stimmen, die bestreiten, dass es zwei gegensätzliche Lager gebe. Die Betriebsratsvorsitzende sagt, die Arbeit des Betriebsrates sei bislang sehr kollegial und konstruktiv. Das Gremium fühle sich rein der Sacharbeit verpflichtet und lasse sich dabei von Neutralität und Transparenz leiten. Die 4:3-Mehrheit hat bei strittigen Fragen noch nicht den Ausschlag geben können. Über solche wurde noch nicht abgestimmt, heißt es.

Dabei gäbe es davon genug. Vielleicht aber kommt ja Hilfe von ganz anderer Seite. Seit Anfang November hat die Fraktion nun wieder einen Geschäftsführer. Fast fünf Jahre lang war dieser Posten nicht besetzt gewesen. Rüdiger Kreisel soll die intern oft kritisierten Abläufe besser strukturieren. Um diese Aufgabe wird er in der Fraktion nicht beneidet.

Verwendete Quellen
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