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Linksfraktion vertagt Wagenknecht-Showdown


Nach Russland-Rede
Linksfraktion vertagt Wagenknecht-Showdown

Von dpa
20.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Sahra Wagenknecht: Die Diskussionen um die Linken-Politikerin brechen nicht ab.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Die Diskussionen um die Linken-Politikerin brechen nicht ab. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die Diskussionen um die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht brechen nicht ab. Jetzt hat die Linksfraktion einen Kompromiss gefunden – vorerst.

Die Linksfraktion im Bundestag hat ihren Richtungsstreit vorerst entschärft. "Es ist zumindest heute sehr klar geworden, dass diese Partei, diese Fraktion zusammenbleiben will", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte am Dienstag nach einer Fraktionssitzung. Ein Antrag zur Maßregelung der Abgeordneten Sahra Wagenknecht nach einer umstrittenen Bundestagsrede wurde zurückgezogen. Stattdessen einigte man sich auf einen Kompromiss, dass Abgeordnete bei Reden im Namen der Fraktion deren Linie vertreten müssen.

Wagenknecht hatte mit einer Bundestagsrede auch intern heftige Kritik ausgelöst. Sie warf darin der Bundesregierung vor, einen Wirtschaftskrieg "vom Zaun zu brechen", und forderte ein Ende der wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen gegen Russland. Beifall von der AfD, die ebenfalls von "Wirtschaftskrieg" spricht und gegen die Sanktionen zu Felde zieht. Entsetzen bei vielen Genossen. Wagenknecht wurde intern vorgeworfen, Ursache und Wirkung zu vertauschen und sich nicht an die Parteilinie zu halten, die den Ukraine-Krieg klar verurteilt und viele Sanktionen mitträgt.

Mohamed Ali hört auch viel Zuspruch für Wagenknecht

"So schlimm war es noch nie", sagt der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker zur Lage der Partei, und in der Linken sehen das viele genauso. Wagenknecht habe den Konflikt auf die Spitze getrieben, ohne jede Kompromissbereitschaft. "Ich glaube, es ist nur noch eine Frage von Wochen, dass sie die Partei verlassen wird oder dass man ihr bedeutet, sie möge gehen." Die Folgen wären weitreichend: Träten drei oder mehr der 39 Abgeordneten aus, wäre die Linke keine Fraktion mehr und verlöre Geld und politischen Einfluss.

Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte am Dienstag, sie höre auch viel Zuspruch für Wagenknecht. Zudem sei ihre Kritik an den Russland-Sanktionen von Parteitagsbeschlüssen gedeckt. So sieht das auch der Abgeordnete Christian Leye: "Natürlich müssen wir über die Folgen der Sanktionspolitik sprechen. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, welcher mit dem Rücken an der Wand steht und die schwerwiegenden Folgen nicht tragen kann."

Kompromissvorschlag der Fraktionsspitze angenommen

In der Fraktionssitzung am Dienstag prallten die Lager aufeinander. Wagenknecht, die nach Darstellung ihrer Kritiker nur noch selten in den Sitzungen auftaucht, ließ sich online zuschalten. Zur Debatte stand ein Antrag von acht Abgeordneten, die Auftritte wie den von Wagenknecht künftig unterbinden wollen – also Reden, die nicht die Parteilinie spiegeln.

Es war quasi eine Kampfansage per Geschäftsordnungsantrag. Doch zogen die Antragsteller zurück, als keine Mehrheit in Sicht war. Beschlossen wurde dann eine entschärfte Version, die nicht auf Wagenknecht Bezug nahm. Alle Beteiligten schienen erleichtert, dass es nicht zum Äußersten kam.

Riexinger: "Das ploppt immer wieder auf"

Doch dürfte das Problem auch diesmal nur vertagt sein. "Dieser Konflikt geht schon sechs, sieben Jahre so", sagt Bernd Riexinger, ehemaliger Parteichef und einer der acht Antragsteller. "Das ploppt immer wieder auf." Schon in der Migrationspolitik vertrat Wagenknecht eine eigene Linie, dann in der Corona-Politik.

Im Bundestagswahlkampf fuhr sie der eigenen Partei mit einem kritischen Buch in die Parade. Nach dem jüngsten Bundesparteitag im Juni höhnte sie über die frisch gewählten Parteivorsitzenden: "Never change a losing team." Laut Riexinger habe man "eine ganz gute Grundlage für die Fraktionsarbeit gefunden". Er fügte aber hinzu: "Das muss jetzt erstmal von allen gelebt werden."

Fraktionschefin warnt vor Spaltung von Fraktion und Partei

Vor der Sitzung hatte Mohamed Ali vor einer Spaltung ihrer Fraktion und Partei gewarnt. Diese herbeizureden, sei unverantwortlich, sagte sie. Sie bedauere die Austritte prominenter Mitglieder aus der Linken. "Das ist eine Situation, die hochbrisant ist, und mit der wir umgehen müssen."

Sie sehe es als ihre Verantwortung als Fraktionsvorsitzende, die Fraktion zusammenzuhalten, sagte Mohamed Ali – fügte aber hinzu: "Nun sind wir eine komplizierte Partei, das sind wir immer schon gewesen, und wenn ich eine Formel dafür hätte, wie man dafür sorgt, dass jetzt nur noch Dinge geschehen, die uns in Einigkeit erstrahlen lassen, hätte ich es schon gemacht. Habe ich aber leider nicht."

Träte Wagenknecht wirklich aus, wäre das bitter für die Linke, denn sie sei "die mit Abstand charismatischste und medientauglichste Sprecherin der Partei", meint Politikwissenschaftler Decker. Bitter wäre es aber auch für Wagenknecht, denn ihr fehlte künftig der erprobte Resonanzboden. Ihr Versuch mit der eigenständigen Bewegung "Aufstehen" versandete im vergangenen Jahr wirkungslos. Bisher scheinen also beide Seiten tragisch gefangen in dieser zerrütteten politischen Ehe. Den Beschluss vom Dienstag wollte Wagenknecht zunächst nicht kommentieren.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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