Minister bei Bundeswehr-Übung Oberleutnant Özdemir: "Demokratie verteidigt sich nicht von selbst"
Als erster Bundesminister nimmt Cem Özdemir an einer viertägigen Übung der Bundeswehr teil. Auf dem Programm stand auch eine rasante Fahrt.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist für eine viertägige Wehrübung bei der Bundeswehr zeitweise zum Oberleutnant der Reserve ernannt worden. Bei den Feldjägern in Hannover betonte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Uniform, Russlands Angriff auf die Ukraine habe gezeigt, dass autoritäre Regime ein Problem mit der liberalen Demokratie hätten. "Die verteidigt sich nicht von selber. Dafür braucht es die Bundeswehr, dafür braucht es aber auch uns alle als Zivilistinnen und Zivilisten, die wissen, was wir an der Bundeswehr haben", sagte Özdemir.
Nach Angaben der Bundeswehr ist Özdemir der erste Bundesminister, der die seit 20 Jahren angebotenen Wehrübungen bei der Streitkräftebasis absolviert. Sein Besuch, der bereits am Montag begann, umfasste neben Gesprächen mit einsatzerfahrenen Soldatinnen und Soldaten unter anderem eine Einweisung in die Ermittlungsarbeit der Militärpolizei.
Als Beifahrer nahm Özdemir zudem an einer rasanten Fahrübung der Personenschützer teil – Vollbremsungen und quietschende Reifen inklusive. Er sei froh, dass er dabei nicht selbst am Steuer sitzen musste, sagte der Minister hinterher augenzwinkernd.
Schießtraining mit Pistole und Gewehr
Zur Waffe greifen sollte Özdemir allerdings auch persönlich. Für Mittwochnachmittag war ein Schießtraining mit Pistole und Gewehr in Bergen angesetzt. Tags zuvor hatte er sich das Logistikwesen in Delmenhorst zeigen lassen. Zum Abschluss der Wehrübung am Donnerstag stand dann noch der Bereich ABC-Abwehr in Munster im Kalender, also der Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen.
Für Özdemir ist das Tragen der Bundeswehr-Uniform kein Novum – zwar hat er nicht gedient, allerdings hatte er schon 2019 als Bundestagsabgeordneter eine Wehrübung absolviert. Als Parlamentarier, der auch über Auslandseinsätze der Truppe entscheide, wolle er den Alltag der Soldatinnen und Soldaten kennenlernen und seinen Respekt und Dankbarkeit ausdrücken, erklärte er. Begleitet wurde er vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Niklas Wagener und dessen Büroleiterin.
Ein Grüner in Uniform – passt das zusammen? Ja, findet Özdemir: Schon lange vor dem Ukraine-Krieg habe er militärische Gewalt in begründeten Ausnahmefällen nicht ausgeschlossen.
"Frage der Wehrpflicht stellt sich nicht mehr"
Allerdings hatte er sich früher auch für die Abschaffung der Wehrpflicht eingesetzt. "Ich glaube, die Frage der Wehrpflicht stellt sich nicht mehr", sagte er darauf angesprochen nun. "Jetzt geht es darum, dass wir dafür sorgen, es möglichst attraktiv zu machen, sich gesellschaftlich zu engagieren, in welcher Weise auch immer." Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte die Aussetzung der Wehrpflicht kurz nach seinem Amtsantritt als Fehler bezeichnet.
Zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das Özdemir nach seiner ersten Wehrübung vor vier Jahren kritisiert hatte, bekräftigte der Agrarminister, es dürfe nicht nach dem Motto "Viel hilft viel" gehen, sondern das Geld müsse vor allem sinnvoll eingesetzt werden.
Ganz ähnlich äußerte sich am Mittwoch eine weitere Ministerin der Grünen: Annalena Baerbock sagte bei einem Nato-Außenministertreffen in Brüssel, entscheidend sei, dass man nicht nur über reine Prozentzahlen spreche, sondern auch über Fähigkeitsziele. Das Zwei-Prozent-Ziel sieht vor, dass alle Nato-Staaten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben.
- Nachrichtenagentur dpa