Chef von Rüstungsfirma "Bundeswehr ausgepresst wie eine Zitrone"
Der Chef des Panzerherstellers Krauss-Maffei Nexter sieht große Mängel an der Bundeswehrausrüstung. Er kritisiert außerdem die Beschaffungsvorgaben.
Frank Haun, Chef von Europas größtem Panzerbauer Krauss-Maffei Nexter, sieht die Bundeswehr nur bedingt abwehrbereit. Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass man die Bundeswehr brauche, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Aber sie sei "in den vergangenen Jahren ausgepresst worden wie eine Zitrone. Wir sollten nicht glauben, dass aus dem Überbleibsel wieder eine Zitrone wird, wenn wir lediglich Fruchtsaft im Wert von 100 Milliarden Euro da hineinpumpen".
Es fehle der Bundeswehr derzeit an allem, "vor allem an Raketen- und Rohrartillerie". Das sei die Erkenntnis, die man aus dem Krieg in der Ukraine ziehen müsse.
Forderung nach neuem Flugzeug
Das von der Bundesregierung beschlossene 100 Milliarden Euro Sondervermögen kann für Haun nur der Anfang der Nachrüstung der Bundeswehr sein. "Ich glaube auch, dass die 100 Milliarden nicht reichen werden, das kann nur ein erster Schritt sein. Danach werden wir jährlich 60, 70 Milliarden brauchen, um die Bundeswehr zu ertüchtigen."
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Ein großer Teil des Geldes werde für ein Flugzeug ausgegeben, mit dem sich Deutschland die nukleare Teilhabe sichere. "Das ist dringend nötig als Instrument der Abschreckung. Schließlich droht Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen – und ich würde das ernst nehmen."
Derzeit setzt die Bundesregierung auf die amerikanischen F-35-Tarnkappenjets. Dabei gibt es aber noch einige Hürden zu überwinden. Zum einen ist die Einsatzverlässlichkeit noch niedrig, zum anderen hängt Deutschland nach Medienberichten beim Zeitplan für den Umbau des Militärflughafens in Büchel hinterher. Die deutsche Industrie will bei der Wartung und Instandhaltung der für die Luftwaffe geplanten F-35 auch noch beteiligt werden.
Für die Unternehmen heiße es jetzt, "an die gewohnt partnerschaftliche Arbeit" mit der Luftwaffe, dem Verteidigungsministerium und dem Beschaffungsamt BAAINBw anzuknüpfen und beim Betrieb der neuen Waffensysteme zu unterstützen, teilte der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) am Freitag in Berlin mit.
Kritik an Beschaffungsbürokratie
Unternehmens-Chef Haun kritisierte, dass die Bundeswehr selbst offenbar "noch kein klares Bild" über ihren Bedarf habe. "Wen soll sie künftig abschrecken, und welche Fähigkeiten braucht sie dafür? Das sollte man wissen, bevor man nachrüstet. Wenn man es nicht so genau weiß, ist die Gefahr groß, dass das Geld dorthin geht, wo am lautesten danach gerufen wird, und dass Beschaffungsentscheidungen unter dem Druck von Lobbying in die Irre gehen", sagte der KMW-Nexter-Chef.
Was die Landstreitkräfte angeht, sehe Haun bisher zu wenig Initiative beim Großgerät und bei der Artillerie. "Das passt für mich nicht zu dem Bild des Krieges, den ich gerade in der Ukraine sehe. Da wird hauptsächlich mit den Waffen des Ersten und Zweiten Weltkriegs gekämpft: Panzer und Artillerie. Und da ist die Bundeswehr nicht gut gerüstet."
Bestellung von Munition genehmigt
Die Munitionsprobleme der Streitkräfte könnten jetzt zumindest beim Schützenpanzer Puma etwas gelindert werden. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat von der Bundeswehr einen Auftrag über die Lieferung von Munition für den Schützenpanzer Puma erhalten. Insgesamt liege das Ordervolumen für die 600.000 Schuss bei 576 Millionen Euro, wie der Düsseldorfer Konzern "am Donnerstag "mitteilte. Die ersten rund 25.000 Patronen würden noch in diesem Jahr abgerufen.
Panzerbauer Haun kritisiert, dass man daneben eine "enorme Beschaffungsbürokratie" aufgebaut haben, die Millionen an zusätzlichen Kosten verschlinge. "Heute muss ich im Kampfraum eines Panzers garantieren, dass die Luft so gut ist, wie an ihrem oder meinem Arbeitsplatz, auch wenn geschossen wird".
Für die Versäumnisse bei der Bundeswehr macht Haun nicht nur die Politik verantwortlich. "Die Politik hat die sogenannte Friedensdividende gerne verteilt, die Bevölkerung hat sie gerne genommen, und weder von den Verteidigungsministern noch von der militärischen Führung der Bundeswehr gab es wirksame Einwände dagegen. Wir haben uns nicht mehr gefragt, was für unsere Verteidigung notwendig ist."
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag bekräftigt, dass die Zwei-Prozent-Quote zur Finanzierung der Bundeswehr "dauerhaft" eingehalten werden soll. "Deutschland wird dauerhaft zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr ausgeben", sagte Scholz den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Zur Finanzierung verwies er auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr. Dieses dürfte allerdings in wenigen Jahren aufgebraucht sein.
- Nachrichtenagentur dpa
- Vorabmeldung der "Süddeutschen Zeitung"