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Ampelvertrag: "Bei der Finanzierung tricksen die Koalitionäre"


Presse zum Koalitionsvertrag
"Beim Thema Finanzierung tricksen die Koalitionäre"

Von dpa, aj

Aktualisiert am 25.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Die zukünftige Außenministerin Baerbock, der designierte Kanzler Scholz und der kommende Finanzminister Lindner: Das Ampelbündnis wird von der Presse zum Teil kritisch beäugt.Vergrößern des Bildes
Die zukünftige Außenministerin Baerbock, der designierte Kanzler Scholz und der kommende Finanzminister Lindner: Das Ampelbündnis wird von der Presse zum Teil kritisch beäugt. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Corona, Klima, Digitalisierung: Die Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP haben sich einige Projekte vorgenommen. Wird das Bündnis mit dem Programm Erfolg haben? So urteilt die deutsche Presse.

SPD, Grüne und FDP haben mit ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag die Grundlage für ihre Zusammenarbeit in einer neuen Bundesregierung geschaffen (hier finden Sie einen Überblick). Die Reaktionen fallen gemischt aus – für die einen ist es ein großer Erfolg, andere äußern sich skeptisch.

Ein Überblick über einige der Stimmen aus der deutschen Presse:

"Süddeutsche Zeitung" (München): "Erfolg oder Misserfolg dieser Koalition werden sich nicht daran messen, was auf den 178 Seiten festgehalten ist. Mehr als in den Merkel-Jahren wird es darum gehen, Menschen auf einem schwierigen Weg mitzunehmen – anstatt Politik an Stimmungen auszurichten. Das gilt für Corona wie für Klimaschutz, Digitalisierung und Verkehr. Es gehört zu den menschlichen Eigenschaften, lieber an Bekanntem festzuhalten als Neues zu wagen; der Erfolg der Ampel wird davon abhängen, die Bürger zu überzeugen, dass Politik keine Dienstleistung ist, sondern ein Angebot zum Mitmachen.

Man kennt Fälle, in denen ein Regierungsbündnis gehalten hat, obwohl ein Partner gegen den Vertrag verstoßen hat, mehrmals sogar oder immer wieder. Die Erfahrung lehrt zudem, dass es im Laufe einer Wahlperiode zu Krisen kommt. Terroranschläge, Bankencrashs, Fluten, Morde. In solchen Fällen taugt ein Koalitionsvertrag gar nichts. Hier hält das Bündnis nur, wenn sein Geist trägt."

"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "Bei der Finanzierung ihrer vielen ehrgeizigen Projekte tricksen die neuen Koalitionäre. In diesem und im kommenden Jahr soll viel Geld in den Klimafonds geschoben werden, das dann abgerufen werden kann, wenn 2023 die Schuldenbremse wieder gilt. Zudem sollen wichtige Investitionen beim Bauen und im Verkehr über staatseigene Institutionen finanziert werden. Kann man so machen, muss dann aber so gut gemacht werden, dass sich die Schulden irgendwann positiv rechnen."

"Leipziger Volkszeitung": "Es ist der Ampel und es ist der Bevölkerung zu wünschen, dass die neue Regierung die außer Kontrolle geratene Corona-Lage bis zum Ende des Jahres in den Griff bekommt. Nur dann hat die Ampel die Chance, ihre hohen Ansprüche mit politischem Handeln zu erfüllen, die sich aus den Worten ihres Spitzenpersonals und aus dem Koalitionsvertrag ergeben. Es wird nicht die letzte Krise der künftigen Regierung sein."

"Frankfurter Rundschau": "Von dem Anspruch, die 'Fortschrittskoalition' zu bilden und das 'Jahrzehnt der Modernisierung' einzuläuten, schien nichts mehr übrig zu bleiben. Olaf Scholz trug dazu bei, dass er nichts beitrug. Angesichts explodierender Corona-Infektionen und sich füllender Krankenhäuser blieb der designierte Kanzler ebenso unsichtbar wie in den Koalitionsverhandlungen sprachlos. Es könnte aber auch sein, dass gerade diese leise Art der Schlüssel einer Versöhnung einer Gesellschaft am Rande der Spaltung in sich trägt. Es ist manchmal besser, nicht zu sprechen als schlecht zu sprechen.

In der dynamischen Situation, in der Fachgruppen mit Hunderten Expertinnen und Experten um Kompromisse ringen, muss nicht jeder Zwischenstand nach außen getragen werden, um am Ende revidiert zu werden. Herausgekommen ist eine erstaunliche Einigkeit im Gesellschaftsbild: Geregelte Einwanderung, Legalisierung von Cannabis, Wahlrecht ab 16 – das sind nur einige Themen, die unter einer Unionsführung undenkbar schienen."

"Augsburger Allgemeine": "In den TV-Debatten zur Wahl ließen sich außen- und sicherheitspolitische Beiträge höchstens per Sekundenzeiger erfassen. Das Auswärtige Amt war in den Koalitionsverhandlungen früh als Trostpreis für eine pannenreiche Wahlkämpferin verplant. Zur Außenpolitik rangen die neuen Partner zwar – aber auch darum, ob Deutschland wirklich mehr globale Verantwortung übernehmen soll und will."

t-online: "'Mehr Fortschritt wagen', haben SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag überschrieben. Passender wäre der Satz 'Mehr Vages wagen' gewesen. Das 177-seitige Dokument ist in weiten Teilen nur ein politischer Wunschzettel. Einen Monat vor Weihnachten haben die drei Parteien ihre inhaltlichen Differenzen durch einen Kniff gelöst: Sie haben ihre jeweiligen Wunschvorstellungen in mehr als 50.000 wohlklingende Worte verpackt und schlicht aneinandergereiht. Sozialdemokraten, Klimabewegte, Liberale: Für jeden ist in diesem Füllhorn etwas dabei – aber konkrete Lösungsvorschläge für die gegenwärtigen Herausforderungen muss man mit der Lupe suchen (...)" Hier lesen Sie den gesamten Text.

"Rheinpfalz" (Ludwigshafen): "Für den Bau von Windrädern, Solarparks und Überland-Stromleitungen fehlt es an Planern. Die Hürden bis zur Baugenehmigung sind hoch. Die Errichtung der Anlagen stößt oft auf lähmenden Widerstand der Anwohner. Ähnlich ist es bei der Digitalisierung. Schnell geht da nichts. Kann die neue Regierung diese Hindernisse und Widerstände überwinden? Im Koalitionsvertrag ist wenig dazu zu lesen, wie Planungskapazitäten geschaffen und Bürokratie abgebaut werden sollen."

"Westfalen-Blatt" (Bielefeld): "Professionelle Regierungsbildung und ein extrem ambitioniertes Programm: Keine Frage, die Ampelkoalition hat sich mächtig etwas vorgenommen. Und stilbildend ist dieser Anfang auf jeden Fall. Die Koalitionsverhandlungen liefen durchweg geräuschlos und noch dazu recht zügig ab, Durchstechereien gab es keine – allein das ist für die CDU/CSU dieser Tage eine schallende Ohrfeige. Die große Frage ist allerdings, was passiert, wenn Politik auf Wirklichkeit trifft (...)"

"Aachener Zeitung": "Wenn Habeck ein Superministerium für Wirtschaft und Klimaschutz übernimmt, treffen die Grünen damit eine kluge Entscheidung. Auf diesem Feld hat die neue Bundesregierung am meisten zu tun. Da muss sie wirklich kühn und mutig sein. Da muss sie vorbildlich sein. Klimaschutz als Querschnittsaufgabe für alle politischen Ressorts zu definieren, ist aber eine Formalie, die die Republik dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, nicht näher bringt. Manche Minister werden das durch Liegenlassen erledigen wollen. Und in einer Koalition mit der FDP kann man die große Kehrtwende nicht schaffen, die früher oder später kommen muss: den Abschied vom Individualverkehr, wie er heute praktiziert wird."

"Rhein-Zeitung" (Koblenz): "Der Stil der vergangenen Wochen war interessant und neu. 22 Arbeitsgruppen arbeiteten überwiegend geräuschlos. Zwar murrten die Grünen zwischendurch hörbar, sie fühlten sich in die Ecke gedrängt. Auch bei der FDP staute sich Unmut über die grünen Verhandlungspartner. Doch im Gegensatz zu den Jamaika-Verhandlungen vor vier Jahren wurde auf Augenhöhe gesprochen, heißt es übereinstimmend. Das Land durch die Corona-Krise zu führen, wird zunächst allerdings die größte Aufgabe der Regierung sein. Die Lage ist ernst, sagt Scholz und kündigt die Einrichtung eines Bund-Länder-Krisenstabs an. Die Bekämpfung von Corona ist sein Lackmustest. Gleich zu Beginn der Legislaturperiode geht es um Leben und Tod. Ein Krisenstab allein wird nicht ausreichen."

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"Berliner Zeitung": "Der erste Eindruck: Alle machen weitgehend das, was sie immer schon gemacht haben. Finanzen bekommen die Liberalen, die Umwelt die Grünen und die SPD macht weiter Arbeit und Soziales. Wo bleibt da der Aufbruch? Robert Habeck zeigte sich bei der Pressekonferenz am Mittwoch überzeugt davon, dass die Koalition das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten wird. Es bleibt sein Geheimnis, wie er da so sicher sein kann. Von genauen Summen, wie viel in den Klimaschutz investiert wird, ist im Vertrag ebenso wenig die Rede wie von einem Vetorecht des Klimaministers. Sollte das Thema demnach also doch nur eines von vielen sein? Die Pandemie zeigt, dass auch diese Regierung erst mal im Krisenmodus arbeiten wird."

"Nürnberger Nachrichten": "Die Ampelkoalition kann hingegen für Erlösung stehen – weil sie Schluss mit dem Sich-gegenseitig-kritisch-Beäugen von Koalitionären machen will. Mehr Fortschritt wagen, dieses Leitmotiv lässt hoffen, auch weil endlich die Interessen junger Menschen in den Fokus einer Bundesregierung rücken werden. Das ist vielleicht das stärkste Signal, weil es einen Paradigmenwechsel einleiten kann!"

"Ostfriesen-Zeitung" (Leer): "Daran ist das Grundproblem des Ideenfeuerwerks aus Berlin ablesbar: Die Menschen müssen auf den Ampel-Weg erst noch mitgenommen werden. Das dürfte sich vor allem im Alltag zeigen – bei der Corona-Bewältigung, der Preisentwicklung, der Digitalisierung aller Lebensbereiche. Dies sind Sphären, in denen schon so mancher Idealist ins Trudeln geraten ist. Doch bei allen Zweifeln: Jetzt sollten die Koalitionäre erst einmal die Chance haben zu machen. So viel Zeit muss sein."

Den kompletten Koalitionsvertrag finden Sie hier zum Download.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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