Reaktionen auf Datenleak Digitalausschuss-Chef: "Solche Hackerangriffe wird es öfter geben"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf Twitter sind sensible Informationen von Hunderten Politikern und Prominenten aufgetaucht. Die Betroffenen reagieren schockiert, auch wenn wohl nicht alle Daten echt sind.
Nach der massiven Hackerattacke auf Politiker und Prominente hat der Vorsitzende des Digital-Ausschusses des Bundestages, Jimmy Schulz (FDP), ein Umdenken beim Datenschutz in Deutschland gefordert. "Wir müssen uns der harten Realität stellen: Diese Art der Hackerangriffe und Datenleaks sind leider kein Novum mehr und wird es in Zukunft öfter geben", sagte Schulz t-online.de. Davon betroffen seien nicht nur Politiker und Prominente, sondern jeder, der online kommuniziere und Daten verbreite. Der FDP-Politiker forderte, den Cyberangriff für einen parteiübergreifenden Schulterschluss für besseren Datenschutz in Deutschland zu nutzen. "Es wird Zeit, dass IT-Sicherheit bei allen Parteien zur Priorität erklärt wird!"
Konstantin von Notz, Innenpolitiker der Grünen und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, sagte zu t-online.de: "Es handelt sich um einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und die Meinungsfreiheit." Seine Fraktion habe eine Sondersitzung der Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und -medien (IuK-Kommission) sowie des Innenausschusses des Bundestags beantragt.
"Von diesem Angriff werden wir uns in unserer Arbeit nicht einschüchtern lassen", sagte von Notz, der selbst Opfer des Datenleaks wurde. "Wir empfehlen allen Betroffenen – ob Politikern, Ehrenamtlichen, Journalisten – Strafanzeige zu stellen und fordern die Behörden auf, den Angriff schnell und intensiv aufzuklären. Wir selbst haben von dem Datenhack über soziale Netzwerke und Medien erfahren."
Versuch, Politikerinnen und Politiker einzuschüchtern
Auch SPD-Generalssekretärs Lars Klingbeil vermutete ein politisches Motiv hinter der Cybertattacke. "Wer auch immer dafür verantwortlich ist, will Politikerinnen und Politiker einschüchtern", sagte Klingbeil zu t-online.de. Die zuständigen Behörden müssten jetzt schnell aufklären. Eine mögliche politische Motivation dieses Angriffs muss geklärt werden.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeld zeigte sich vom Ausmaß der Attacke schockiert. "Das ist einer der größtangelegten Hackerangriffe auf die bundesdeutschen Behörden bislang", sagte Mattfeldt zu t-online.de. Zwar seinen in seinem Fall nach bisherigem Ermessen keine besonders sensiblen Daten abgeflossen. "Nichtsdestotrotz ist das natürlich unangenehm."
Auch Mattfeldts Fraktionskollege Michael von Abercron war entsetzt. "Nach mir bekannten Informationen sind die Daten aus verschiedenen, zum Teil passwortgeschützten Quellen zusammengetragen worden", sagte der CDU-Politiker t-online.de. Zugleich zeigte er sich erleichtert, dass nach aktuellem Kenntnisstand vermutlich keine Systeme des Bundes inflitriert worden seien. Dass allerdings keine Daten von AfD-Abgeordneten veröffentlicht wurden, mache ihn schon hellhörig.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, nannte es einen Skandal, dass betroffene Bundestagsabgeordnete nicht früher von den Sicherheitsbehörden informiert wurden. Wie Jelpke t-online.de sagte, habe Ihre Fraktion für kommenden Donnerstag eine Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages beantragt. "Der Sachverhalt muss lückenlos aufgeklärt, etwaige IT-Sicherheitslücken geschlossen und die Datendiebe zur Rechenschaft gezogen werden."
Auch gefälschte Informationen dabei?
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post, der wie Hunderte andere von dem Hacker-Angriff betroffen ist, bezweifelte die Eichtheit eins Teils der ihn betreffenden Daten. "Es ist mindestens eine gefälschte Datei dabei. Die gehört mir nicht, sie wurde mir nie geschickt, und ich hab sie nicht gespeichert", sagte Post der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Diese werde aber in den Listen als seine Datei ausgewiesen.
Die frühere Bundestagsabgeordnete Rita Pawelski sagte t-online.de, die unter ihrem Namen angegebenen Kontodaten seien falsch. Post abetonte zugleich, dass andere Informationen echt seien. So seien beispielsweise Kontoauszüge von ihm veröffentlicht worden. "Man fühlt sich ausgeliefert, ich bin ziemlich geschockt", sagte Post. Er wolle sich nun von einem Anwalt über mögliche rechtliche Schritte beraten lassen.
Hintergründe völlig unklar
Sicher ist bislang: Es wurden große Mengen persönlicher Daten und Dokumente von hunderten Politikern veröffentlicht. Die Hintergründe sind bislang noch völlig unklar. Der Inhaber des genannten Twitter-Accounts beschreibt sich selbst mit Begriffen wie "Security Researching, Künstler, Satire und Ironie".
Von dem Hackerangriff sind offenbar alle im Bundestag vertretenen Parteien betroffen außer der AfD. Unbekannte veröffentlichten offenbar schon vor Weihnachten auf Twitter Links zu persönlichen Daten wie Handynummern, Fotos von Personalausweisen oder private Korrespondenz. Betroffen sind hunderte deutsche Politiker, andere Prominente und Journalisten. Der Twitter-Account wurde am Freitagvormittag gesperrt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patrick Schnieder, erklärte: "Wir stehen in Kontakt mit der Bundestagsverwaltung, die wiederum mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet. Wir drängen auf eine rasche Aufklärung." SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider erklärte, das Ausmaß des Angriffs sei bisher unbekannt. Die IT-Infrastruktur der SPD-Bundestagsfraktion selbst sei nicht betroffen, so Schneider.
"Die Daten müssen aus dem Netz"
Ein Sprecher der FDP-Fraktion sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass nach derzeitigem Kenntnisstand zentrale Systeme der Fraktion nicht betroffen seien. "Wir prüfen den Fall in enger Abstimmung mit den zuständigen Stellen und haben bereits juristische Schritte eingeleitet."
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"Die Daten müssen aus dem Netz", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Armin Schuster (CDU), den Zeitungen des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Bundesregierung arbeitet mit den Providern daran, dass das möglichst schnell geschieht. Denn das sind ja kapitale Daten."
Schuster stellte zugleich infrage, ob die Daten tatsächlich einem Hackerangriff entstammen. "Das kann ein Hackerangriff sein, das kann aber auch eine sehr intensive Recherche sein", sagte er dem RND. "Daten von Ministerpräsidenten und anderen Prominenten findet man jedenfalls nicht im Bundestagssystem."
- mit Nachrichtenagenturen dpa, AFP