Nach Asyl-Skandal in Bremen Auffälligkeiten auch bei zehn anderen Standorten
Im Bremer Flüchtlingsamt sollen Hunderte Asylanträge zu Unrecht bewilligt worden sein. Nun werden auch in zehn weiteren Ämtern Auffälligkeiten überprüft. Die Politik streitet über die Aufarbeitung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) überprüft zehn weitere seiner Außenstellen, nachdem in Bremen mutmaßlich Hunderte Asylentscheidungen manipuliert worden waren. In den zehn anderen Ämtern sind nun Abweichungen von den durchschnittlichen Schutzquoten der Asylbewerber aufgefallen. Diese Quoten sagen aus, wie viel Prozent der Menschen aus einem bestimmten Land in Deutschland bleiben dürfen.
Die Schutzquoten wichen dabei in den zehn Außenstellen jeweils um zehn Prozentpunkte ab, teils nach oben, teils aber auch nach unten. Das teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Nun sollen in repräsentativen Stichproben insgesamt 8500 Fälle aus dem Jahr 2017 überprüft werden.
Darüber hinaus geht das BAMF Vorbehalten gegenüber Asylentscheidungen in der Außenstelle im rheinland-pfälzischen Bingen nach. Dort hat ein Mitarbeiter am 6. Februar die Nürnberger Zentrale um eine Überprüfung von Verfahren gebeten. "Hintergrund des Hinweises sind fachlich divergierende Einschätzungen über asylverfahrensrechtliche Bewertungen zwischen den Mitarbeitern in der Außenstelle", sagte die Ministeriumssprecherin.
Bericht: Dolmetscher werden geschult
Die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichten derweil, das BAMF wolle die Qualität der Sprachübersetzungen in Asylverfahren erhöhen. Dazu habe die Behörde unter anderem Dolmetscher-Schulungen auf den Weg gebracht. Hintergrund ist demnach die Kritik an mangelnder fachlicher Ausbildung vieler Übersetzer, die eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung von Asylanträgen spielen.
Im April hatte das BAMF die Zusammenarbeit mit mehr als 2.000 Dolmetschern beendet, weil sie aus Sicht der Behörde nicht neutral oder vertrauenswürdig erschienen, unpünktlich waren oder Standards nicht einhielten. Auch in die Affäre um offenbar manipulierte Asylentscheidungen in Bremen soll ein Dolmetscher verwickelt sein.
Derzeit arbeiten laut Funke-Medien rund 5.800 Dolmetscher im Auftrag des Bundesamtes. Nur rund 620 seien vor Gericht vereidigt. Mehrere Übersetzer berichteten den Funke-Zeitungen von mangelnder Einarbeitung, schlechter Bezahlung und Stresssituationen. Sie gaben demnach an, nie eine Ausbildung in diesem Bereich gemacht zu haben. "Ich bin einfach zum Amt gegangen und habe gesagt, ich möchte hier arbeiten", berichtete ein junger Mann aus Berlin. Einen Nachweis über seine Kenntnisse habe er nie erbringen müssen.
Diskussionen über Untersuchungsausschuss
FDP und Grüne streiten derweil darüber, was ein möglicher Untersuchungsausschuss des Bundestages genau untersuchen soll. Die Liberalen um FDP-Chef Christian Lindner fordern, dass er nicht nur die Unregelmäßigkeiten beim BAMF, sondern generell die politische Verantwortung seit 2014 untersuchen soll – also seitdem sich die Flüchtlingskrise anbahnte. Die AfD hatte bereits Unterstützung signalisiert.
Die Grünen sind anderer Meinung. Die flüchtlingspolitische Fraktionssprecherin Luise Amtsberg sagte der "Bild am Sonntag", ein Ausschuss solle "in erster Linie die Missstände im BAMF untersuchen, nicht die angebliche Grenzöffnung 2015". Lindner und der AfD gehe es nicht um die Beseitigung der Probleme, sondern um eine Abrechnung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Für diese taktischen Spielchen ist die Situation aber zu ernst. Wir Grüne wollen aufklären und gleichzeitig den Blick nach vorn richten und reformieren."
Zustandekommen hängt an den Grünen
Lindner sagte der Zeitung: "Ich verstehe nach anfänglich anderen Signalen die Zurückhaltung der Grünen in dieser Frage nicht. Wir würden sie gerne einbinden." Aus der Aufarbeitung könne das Land lernen. "Es geht uns nicht um Anklagen, aber natürlich wäre eine Befragung der Kanzlerin, des Flüchtlingskoordinators Peter Altmaier und des damaligen Innenministers Thomas de Maizière (alle CDU) unvermeidbar."
Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist die Unterstützung eines Viertels der Bundestagsabgeordneten nötig – das wären drei der vier Oppositionsfraktionen AfD, FDP, Grüne und Linke. Die Linkspartei hat sich bereits dagegen ausgesprochen. Das Zustandekommen hängt deshalb von den Grünen ab.
- dpa, AFP