Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Karrierepläne der Ampelmännchen Dreister geht's nicht
Robert Habeck will Kanzler werden. Olaf Scholz will Kanzler bleiben. Christian Lindner will ins Finanzministerium zurückkehren. Das Scheitern der Ampel hat dem Selbstbewusstsein ihrer Köpfe nicht geschadet.
Der eine macht es brachial: Olaf Scholz wirft Christian Lindner "Verantwortungslosigkeit" und "Egoismus" vor und stellt den FDP-Chef öffentlich bloß. Es dient dem Zweck, sich als "Gerne-auch-weiter-Kanzler" zu inszenieren. Der Zweite, Lindner, bemüht Pathos: Er (Subtext: nur er) stehe für Stabilität, Steuer- und Generationengerechtigkeit und habe sich deshalb im Finanzministerium mit "Auf Wiedersehen" verabschiedet. Und Robert Habeck, der Dritte im Bunde, gab bei X im verschmitzten Video den hippen Typen: Hey, guckt mal, auf meinem coolen Swiftie-Armbändchen steht "Kanzler-Era".
Ihre Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen war vor drei Jahren als progressiver Riese gestartet. Geendet ist sie am Mittwoch als zänkischer Zwerg. Mit welcher Chuzpe sich ihre Köpfe nun um eine Weiterbeschäftigung (Scholz, Lindner) oder gar eine Beförderung (Habeck) bewerben, lässt genau zwei Schlüsse zu: Entweder sind die drei Gescheiterten von der Realität entrückt, oder ihre Dreistigkeit kennt keine Grenzen mehr.
Alle drei sind krachend gescheitert
Denn gescheitert sind sie krachend alle drei. Robert Habeck gab den "Erklärbär", der den Bürgern freundlich, aber bestimmt vordachte, warum das große grüne Ganze mehr Bedeutung habe als die alltäglichen Probleme in ihrer kleinen Welt. Der Erfolg: Die Wärmepumpe heizte vor allem die Unzufriedenheit der Deutschen über ihre Bundesregierung an. Das Interesse an Elektromobilität erlahmte so sehr, dass die deutsche Automobilindustrie von einer Schreckensmeldung zur anderen tuckert. Und das Bewusstsein der Bevölkerung, dass der Klimawandel eine drängende Frage der Politik sein sollte, hat sich laut Umfragen in den vergangenen drei Jahren mehr als halbiert.
Christian Lindner kann sich seit Mittwochabend ans Revers heften, dass er schon zum zweiten Mal eine Regierungskonstellation hat platzen lassen, weil er angeblich lieber nicht regieren will als schlecht. Umso erstaunlicher, wie schlecht er drei Jahre lang sehr wohl regiert hat. Denn der Qualitätsmaßstab für einen Koalitionär ist auch, ob er intern nach Kompromissen sucht, statt öffentlich zu streiten. Und dass ein Finanzminister einen guten Job macht, der die Einhaltung der Schuldenbremse über alle Leuchtturmprojekte seiner Koalitionspartner stellt, die eigenen aber auf Teufel-komm-raus durchprügeln will, darf man auch bezweifeln.
Von Führung keine Spur
Und der Kanzler? Olaf Scholz hat der irrlichternden Kommunikation seines grünen Wirtschaftsministers drei Jahre lang tatenlos zugesehen, ebenso wie Christian Lindners politischer Beziehungsunfähigkeit. Er hätte seine Koalitionspartner mit seiner Richtlinienkompetenz an die Kandare nehmen müssen, die von Anfang an weder politisch zusammenpassten noch bereit waren, die Handlungsfähigkeit der Regierung über ihre eigenen Klientelinteressen zu stellen.
Nach innen moderierte der Bundeskanzler offenkundig erfolglos, nach außen überhaupt nicht. "Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie auch bekommt", hat Scholz vor vielen Jahren einmal gesagt. Von seinen drei Kanzlerjahren bleibt eher die Gewissheit übrig, dass Scholz mit vielen wie mit wenigen Worten gleichermaßen nichts sagen kann.
Wenn sich die drei Steuerleute der Ampel zwei Tage nach dem Schiffbruch ihres Bündnisses allen Ernstes um politische Führungsaufgaben in Deutschland bewerben, dann kann man sich fragen, auf welchem Planeten sie leben. Ihre persönlichen Zustimmungswerte befinden sich im Sinkflug. Die Umfrageergebnisse ihrer Parteien stecken im Keller, wenn auch in unterschiedlichen Etagen des Souterrains. Zum Ende ihrer Zusammenarbeit ist die Liste der drängendsten Aufgaben, denen das Land sich stellen muss, ohne die nötigen finanziellen Mittel dafür zu haben, nicht kürzer geworden, sondern länger.
Stand jetzt haben die Deutschen im kommenden März die Chance, den Dreien (und ihren Parteien) Feedback für ihre (nicht-)geleistete Arbeit zu geben. Sie werden ihnen dann auch zeigen können, was sie von ihren jeweiligen Bewerbungen halten. Man muss kein Pessimist sein, um zu befürchten, dass dieses Feedback ein Kreuz bei der AfD sein könnte. Dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, hatte viel zu tun mit der Unzufriedenheit der Amerikaner mit Joe Bidens Regierung. Wer glaubt, so ein Effekt sei in Deutschland undenkbar, der ist nicht nur sorglos, sondern fahrlässig.
- Eigene Beobachtungen.
- Statista-Umfrage zu den nach Ansicht der Deutschen drängendsten Politikfeldern