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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: "Wir wollen eine Arbeitsmarktreform"


Interview
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CDU-Generalsekretär Linnemann
"Das haben wir Friedrich Merz zu verdanken"

InterviewVon Sara Sievert

Aktualisiert am 03.03.2024Lesedauer: 8 Min.
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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: "Wir müssen uns die Stimmen der Menschen wieder verdienen." (Quelle: Dominik Butzmann)
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Carsten Linnemann reist dieser Tage durchs Land, um den Entwurf für das CDU-Grundsatzprogramm zu diskutieren. Mit t-online spricht er über seine Reformideen, bevorstehende Wahlen und die Frage, wie rechts die CDU ist.

Im großen Saal der Festhalle Gürzenich in der Kölner Altstadt stehen am Freitagabend mehr als tausend Stühle. Die Reihen füllen sich. So sehr, dass erste Menschen beginnen, hinten an der Wand Platz zu nehmen. Das Programm, für das sie gekommen sind? Macht die CDU. Und der Showmaster? Heißt Carsten Linnemann.

Gerade steht er unten am Eingang. "Das wird richtig toll heute. Echt jetzt", sagt Linnemann. "Gestern in Chemnitz war auch gut. Nachdenklich. Aber voll interessant." Dann neigt er den Kopf kurz zur Seite. Er will wissen, ob die Demonstration vor der Tür gegen die CDU geht. "Wegen Asyl, ja? Wie viele Leute? Ist aber nicht schlimm, oder?" Jemand flüstert ihm etwas zu. "Ja okay, ich komme." Linnemann sieht noch mal in die Runde: "Ich muss mal weiter. Bis später." Dann rauscht er ab.

Der CDU-Generalsekretär fährt in diesen Tagen quer durch Deutschland, um sein Grundsatzprogramm unter die Leute zu bringen – zu diskutieren. Jeden Tag wiederholt er dieselben Botschaften. Jedes Mal leuchten dabei seine Augen. Inmitten dieses Trubels nimmt Linnemann sich am Freitagmorgen die Zeit für ein Gespräch. Rund eine Stunde hat er, dann wartet der nächste Termin. Kurz vor Beginn wandert sein Blick auf die Uhr. Als wollte Linnemann noch sagen: "Auf die Plätze, fertig, los."

t-online: Herr Linnemann, seit wann ist die CDU so sehr Basis-Partei?

Carsten Linnemann: Das waren wir schon immer. Die CDU war schon immer in der Fläche stark, in den Kommunen, vor Ort.

War die Machtmaschine nicht lange Ihr Erfolgsprinzip?

Es stimmt, dass es lange gereicht hat, zu sagen: Wir sind die CDU. Die Menschen haben uns gewählt, weil sie wussten, sie bekommen Stabilität und Planungssicherheit. So einfach ist es aber nicht mehr. Wir haben die Bundestagswahl 2021 verloren, weil wir inhaltlich in weiten Teilen entkernt waren. Deshalb muss im nächsten Wahlkampf wieder klar werden, wofür wir konkret stehen. Wir müssen uns die Stimmen der Menschen wieder verdienen.

Es geht in Ihrem Prozess einerseits um Inhalte. Geht es auch darum, sich von der "alten" CDU zu distanzieren?

Es geht nicht um Distanzierung, sondern Profilschärfung. Wir müssen klar sagen, wo wir früher Fehler gemacht haben und diese jetzt korrigieren – wie etwa in der Energie- und Migrationspolitik. Und genau das tun wir. Auf der anderen Seite dient dieser Prozess auch dazu, uns selbst zu vergewissern. Zu wissen, unser Haus steht auf einem starken Fundament und dieses Wertefundament zu definieren, das war für mich das Wichtigste.

Trotzdem wird in der CDU aktuell viel darüber gesprochen, dass die Partei sich wieder dazu bekennen müsse "rechts" zu sein. Und dass "rechts" neu definiert werden müsse.

Das nehme ich anders wahr. Wir sind Christdemokraten. Das heißt, dass wir für die gesamte politische Mitte eine politische Heimat sein wollen.

Die CDU ist also keine "mitte-rechte" Partei?

Es gibt viele CDU-Wähler, die sich als Mitte-rechts einordnen würden. Sie bezeichnen sich auch als konservativ. Im Grundsatzprogramm findet sich unsere konservative Wurzel neben der liberalen und christlich-sozialen wieder stärker wieder. Und da dürfen wir uns auch nicht kirre machen lassen, wenn einige Linke uns in die rechtsradikale Ecke stellen wollen. Es tut im Übrigen auch unserem Land gut, wenn die demokratische Mitte konservativen Überzeugungen eine Heimat bietet.

Ein umstrittener Satz ist dieser: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland". Warum ist ausgerechnet der Ihnen so wichtig?

Damit machen wir deutlich: Wer unsere Werte teilt, ist nicht nur im Land, sondern übrigens auch in unserer Partei herzlich willkommen.


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"Im Übrigen kommen viele Migranten auf mich zu und geben uns hier recht."


Carsten Linnemann


Warum schreiben Sie dann nicht einfach "Menschen, die unsere Werte teilen"?

Wir erleben seit dem 7. Oktober eine Situation, in der wir zunehmend spüren, dass es Gruppen aus anderen Kulturkreisen gibt, die unsere Werte nicht akzeptieren. Die auf die Straße gehen und Partys feiern, wenn Menschen anderswo abgeschlachtet werden. Nun gibt es in Deutschland ein Regelwerk, das nennt sich Grundgesetz. Uns reicht das nicht. Deswegen sprechen wir von Leitkultur. Es geht um die Art und Weise, wie wir leben. Dass wir Respekt vor Frauen, vor unterschiedlichen Meinungen, vor Polizisten und Rettungskräften haben. Dass wir das Existenzrecht Israels nicht infrage stellen. Und vieles mehr.

Und daran halten sich allein Muslime nicht?

Nein, und das unterstellen wir in unserem Programm auch nicht. Es geht uns um die Frage, wie wir unsere Gesellschaft, die weiterhin offen sein will, zusammenhalten. Ich möchte auch klar sagen, dass wir damit die säkularen, liberalen Muslime unterstützen wollen. Die, die einfach in Freiheit und Frieden hier leben wollen. Im Übrigen kommen viele Migranten auf mich zu und geben uns hier recht. Trotzdem diskutieren wir zu Recht viel über diesen Satz. Auf dem Parteitag werden wir noch einmal sehen, ob es nicht eine bessere Formulierung gibt.

Gehört der Islam für Sie zu Deutschland?

In der Pauschalität nicht, denn der politische Islam gehört sicher nicht zu Deutschland.

Noch mal zurück zu Ihrem Grundsatzprogramm und den Vorschlägen. Die CDU schlägt außerdem vor, die Sozialversicherungsbeiträge wieder bei 40 Prozent zu deckeln. Wie soll das gelingen?

Indem wir zunächst mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren. Dazu wollen wir eine Arbeitsmarktreform umsetzen. Das Konzept stellen wir in wenigen Wochen vor. Auch gibt es Reformbedarf im Gesundheitssystem. Es kann nicht sein, dass die Kosten so stark aus dem Ruder laufen. Das Fallpauschalensystem muss etwa reformiert werden.

Moment mal, blockiert die Union hier nicht gerade tiefgreifende Reformen?

Es geht darum, dass wir die Dinge kosteneffizienter machen. Nicht andersherum, wie es der Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerade vorsieht. Die Krankenhausreform läuft in die völlig falsche Richtung. Wir müssen da anders ran. Wir geben jeden Tag mehr als eine Milliarde für den Gesundheitssektor aus. Viel davon unnötig. Wir müssen viel mehr auf Eigenverantwortung und Prävention setzen.

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Kosten Reformen nicht in jedem Fall erst einmal mehr? Auch, wenn sie die Dinge dann langfristig günstiger machen. Wo soll das Geld herkommen?

Durch Wachstum. Ich bin wirklich entsetzt, dass die komplette Debatte in Deutschland sich auf höhere Staatsschulden beschränkt. Geld, das Investitionen, Infrastruktur und auch unseren Sozialstaat finanziert, muss zunächst erwirtschaftet werden. Wir müssen uns mal wieder Gedanken machen, wie wir wachsen können. Wenn wir nur im Durchschnitt so wachsen würden wie Europa im letzten Jahr, hätten wir 20 bis 30 Milliarden Euro mehr in der Kasse.

Reicht es, darauf zu setzen? Es sind schließlich nicht nur die Sozialversicherungen. Die Wirtschaft krankt, zudem will der Staat künftig massiv in Sicherheit investieren. Auch die Union. Hinzu kommen die Ukraine-Hilfen.

Gerade weil die Wirtschaft krankt, müssen wir für Entlastungen sorgen. Aber noch mal, wir müssen schauen, wofür wir das Geld ausgeben. Wir brauchen eine Sozialstaatsreform. Der Staat muss sich auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren. Und diejenigen, die etwa Bürgergeld beziehen und arbeiten können, können nicht erwarten, dass das Menschen für sie zahlen, die jeden Tag arbeiten gehen. Das sind noch mal 15 bis 20 Milliarden. Wenn wir das Heizungsgesetz in dieser Form zurücknehmen und stattdessen auf den CO2-Preis setzen, dann sind das wieder einige Milliarden.


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Auch die USA wissen um ihre globale Verantwortung. Das hängt nicht an einer Person.


Carsten Linnemann


Selbst in der CDU wird die Schuldenbremse jetzt mehr und mehr infrage gestellt. Nicht nur vom Berliner Bürgermeister Kai Wegner. Auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat sich offen für eine Reform der Schuldenbremse gezeigt.

Mit der CDU wird es keine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse geben. Punkt. Es gibt gar keine Legitimation dafür. Übrigens auch nicht dafür, sie auszusetzen, weil wir keinen exogenen Schock haben. Ich möchte meine Energie eher in Wachstum packen und nicht in diese sich wiederholende Debatte um neue Schulden.

Und wenn die USA nach der Wahl im Herbst als größter Unterstützer der Ukraine ausfallen?

Dann wird die Herausforderung fraglos größer. Ich empfehle trotzdem, dass wir aus dieser schwarz-Weiß-Denke mal rauskommen. Auch die USA wissen um ihre globale Verantwortung. Das hängt nicht an einer Person.

Ein anderer Punkt, der im Grundsatzprogramm umstritten ist, ist die Atomkraft. Sie haben sich klar dafür ausgesprochen. Erklären Sie uns, warum.

Weil ich glaube, dass wir offen für Technologien bleiben müssen. Die ganze Welt forscht an der vierten und fünften Generation der Kernkraft und wir sind de facto außen vor, kaufen sie dann aber aus anderen Ländern später womöglich ein. Das ist doch absurd. Weiß ich, was in zehn oder fünfzehn Jahren möglich ist? Nein. Deshalb hilft uns diese Verbotspolitik nicht weiter. Ähnlich ist es im Automobilbereich. Das Aus des Verbrennungsmotors muss rückgängig gemacht werden. Das ist völlig irre, was da einige vorhaben. Auch Kernkraft muss für die CDU als Option erhalten bleiben.

Hat Robert Habeck einen Punkt, wenn er die Endlager anspricht?

Natürlich müssen wir auch offen dafür sein, Endlager bei uns zu machen.

Auch in Bayern?

In ganz Deutschland, aber natürlich kommt es auf die geologischen Gegebenheiten an.

Sie kommen gerade aus Chemnitz. Bereiten Ihnen die Gespräche, die Sie dort führen, Sorgen vor den Landtagswahlen im Herbst?

Ich glaube, wir sind für die Landtagswahlen im Herbst gut aufgestellt. Nicht nur, weil wir schlagkräftige Leute vor Ort haben, sondern auch, weil das Adenauer-Haus jetzt wieder voll unterstützen kann. Das haben wir Friedrich Merz zu verdanken. Er wird bei dem Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen.

Die hohen Umfragewerte der AfD in allen drei Bundesländern besorgen Sie nicht?

Gerade deswegen müssen wir deutlich machen, worum es geht. Wir müssen die AfD inhaltlich stellen und den Menschen zeigen, was diese Partei will. Wir werden deutlich machen, was die Politik dieser Partei für die Wirtschaft in unserem Land bedeutet, wie ihre Politik Jobs gefährdet und damit auch unsere soziale Sicherheit. Die AfD will eine Abstimmung über die Frage, ob Deutschland aus der Europäischen Union und damit aus dem Binnenmarkt austreten soll. Fragen Sie mal einen Mittelständler, wie er das findet. Wir dürfen nicht müde werden, die Menschen daran zu erinnern, welche Konsequenzen drohen, wenn sie die AfD wählen.

Können Sie ausschließen, dass es eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD geben wird?

Ja.

Und dass sich ein CDU-Ministerpräsident mit Stimmen der AfD wählen lässt?

Ja.


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"Ich bin sicher, Friedrich Merz wäre ein hervorragender Bundeskanzler."


Carsten Linnemann


Wenn die Ampel noch dieses Jahr bricht, wäre die CDU dann bereit für einen vorgezogenen Wahlkampf?

Ja. Wir sind bereit. Wir könnten sofort anfangen, von Berlin aus alles vorzubereiten.

Und ist Friedrich Merz der einzig kanzlertaugliche in Ihrer Partei?

Wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir viele starke Persönlichkeiten in unserer Partei haben, die das könnten. Das Kanzleramt ist schließlich keine Puppenstube.

An wen denken Sie da?

Neben Friedrich Merz haben wir auch sehr gute Ministerpräsidenten. Ich bin sicher, Friedrich Merz wäre ein hervorragender Bundeskanzler.

Herr Linnemann, letzte Frage, was schätzen Sie an Hendrik Wüst?

An Hendrik Wüst schätze ich, dass er zusammenbinden kann. In NRW in der Koalition wird hinter verschlossenen Türen hart in der Sache gerungen und dann geht man geschlossen nach außen. Davon könnte sich die Ampel eine Scheibe abschneiden.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview
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