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Friedrich Merz und die Günther-Gang: Kampf um die Kanzlerkandidatur


Meinung
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Kampf um die CDU-Kanzlerkandidatur
Der letzte Auerhahn

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

11.10.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 0261686305Vergrößern des Bildes
Ziemlich beste Parteifreunde: Daniel Günther (l.) und Friedrich Merz bei einem Auftritt in Kiel. (Quelle: IMAGO/Petra Nowack/imago-images-bilder)

Der Wahlsieg von Hessen hat Parteichef Friedrich Merz im Machtkampf der CDU Luft verschafft. Aber die K-Frage hängt weiter über ihm. Fangen ihn Wüst und Co. noch ab?

Der Markus, sagte mir neulich ein Silberrücken der CSU mit Blick für die langen Linien und auf die vergleichsweise schlechten Wahlergebnisse der CSU, der Markus habe es gut. Der habe keinen Söder. So wie der Horst Seehofer einen Söder hatte. Im Nacken nämlich. Lauernd und immer zu "Schmutzeleien" aufgelegt, wie Seehofer es selbst einmal in den Jahren dieses Machtkampfes formulierte. Der Stoiber wiederum, ging der Silberrücken weiter zurück, der habe seinen Seehofer gehabt, und der Strauß seinen Streibl. Und der Streibl eben seinen Stoiber. Immer kitzelte der Dolch schon im Rücken, und immer brachte der jüngere Nachfolger den älteren Vorgänger zur Strecke, wenn es so weit war. Archaisch wie in einem Wolfsrudel. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, sagte Thomas Hobbes. Erst recht der Parteifreund dem Parteifreund.

So gut wie Markus Söder hat es der Chef der Schwesterpartei CDU nicht. Friedrich Merz, den sie "Fritze" nennen in der CDU, muss sich einer regelrechten kleinen Meute erwehren, die sich da an seine Fährte geheftet hat. Vor ein paar Tagen tanzte der Kern dieser Meute zusammen auf einer Party zur Einheit in Hamburg. Ein schummrig-unscharfes Video zeigt Daniel Günther, Kai Wegner und Hendrik Wüst beim gemeinsamen Abtanzen.

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Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und CDU-Landeschef nimmt in diesem Trio eine Sonderstellung ein. Günther stand politisch immer schon oder schon sehr lange links von Merz, also für einen Machtkampf auf der richtigen Seite. Während Wegner, der Regierende Bürgermeister von Berlin und Wüst, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, die Seite gewechselt haben. Weil da jetzt der Platz ist für die Positionierung gegen Merz. Man darf die drei Tänzer von Hamburg deshalb mit einem gewissen Recht die "Günther-Gang" taufen.

Karin Prien wurde zurückgepfiffen

Auch deshalb, weil Daniel Günther, um im Wolfsbild zu bleiben, am meisten Kreide gefressen hat und sich zur Tarnung auch noch die Nachtmütze von Großmuttern aufgesetzt hat. Er sieht aus und geriert sich, als müssten sich weder Fliegen noch Friedrich vor ihm fürchten. Was nichts daran ändert, dass er wölfisch agiert. Vor Kurzem ließ er seine Landesministerin Karin Prien am Vormittag aus einer Tagung in Kiel pfeifen, weil die sich zweimal, zuletzt am frühen Morgen des gleichen Tages, zugunsten der gemeinsamen Abstimmung der Thüringen-CDU mit der AfD ausgesprochen, also auf eine Merz-Position gestellt hatte. Günther überstimmte Prien in der Frage, von der fortan nichts mehr dazu zu hören war. Auch Wegner und Wüst fanden sich bei Thüringen im Gegner-Lager von Merz.

Die Günther-Gang ist der Andenpakt von heute. Seinerzeit nahm sich eine Reisegruppe aus jungen, ambitionierten CDU-Männern vor, Helmut Kohl zu beerben. So geschehen auf einer Bildungsreise der Konrad-Adenauer-Stiftung. Am 25. Juli 1979 flogen die zwölf, darunter Roland Koch und Günther Oettinger, auf einem Nachtflug in einer Douglas DC-8 nach Santiago de Chile. "Beschwingt vom Whisky", wie der "Spiegel" Jahrzehnte später erstmals schrieb, hatten sie auf Briefpapier der venezolanischen Fluggesellschaft ein Manifest verfasst: "In Sorge um die hochkarätig besetzte Delegation und zum Schutze der Gesundheit schließen wir uns hiermit zum Pacto Andino Segundo zusammen." Eine Anspielung auf die gleichnamige südamerikanische Staatengemeinschaft. "Mehr Ambiente in der Politik", war ihr erklärtes Ziel, was übersetzt bedeutete: Dieser Strickjacken-Kohl muss weg.

Auerhähne schießt man auf dem Balzplatz

Das Gefühl, mit Merz ist hier wieder einer jenseits des Verfalldatums unterwegs, haben auch die Mitglieder der Günther-Gang. Mit dem kleinen Unterschied, dass der 69-jährige Merz 2025 erst noch dort hinkommen möchte, wo die Andinos Kohl weghaben wollten: im Kanzleramt.

Am Ende ist es bekanntlich keiner der CDU-Freiheitskämpfer geworden, sondern eine Frau, über die der unvergessene Michael Glos von der CSU einmal sagte, sie wisse genau: Auerhähne müsse man auf dem Balzplatz schießen. Und so erlegte Angela Merkel leise und restlos alle Hähne des lateinamerikanischen Hochlandes, einen nach dem anderen. Und wurde Bundeskanzlerin.

Beinahe restlos, muss man sagen. Friedrich Merz ist der letzte Auerhahn des Andenpaktes. Er saß damals nicht in der Maschine über den Anden. Er ist aber später dazugestoßen und hat am eigenen Leib erlebt, wie Merkel das gemacht hat. Sie verfügte über eine hohe Raffinesse und ein Gespür für Macht wie sonst nur wenige Politiker, die mir in meinem mittellangen Journalistenleben begegnet sind.

Viele in der Union und auch im Kommentariat sehen Merz da nicht in der Gewichtsklasse von Merkel. Der deutliche Wahlsieg von Boris Rhein hat ihm aber mit Blick auf die Kanzlerkandidatur erst einmal etwas Luft verschafft. Der Atem der Meute trifft nicht mehr ganz so heiß auf seinen Nacken wie noch im Juni, als Wüst in einem Gastbeitrag für die "FAZ" seine Kampfkandidatur inoffiziell anmeldete.

Hat Merz die Raffinesse von Merkel?

In Carsten Linnemann, seinem neuen Generalsekretär, hat Merz zudem einen Fouché und Talleyrand in einem. Jemanden, der Merz schon deshalb die Treue halten wird, weil seine eigenen Ambitionen und Chancen mittelfristig am besten sind, wenn sich die Günther-Gang an Merz die Zähne ausbeißt. Niemand sollte sich von Linnemanns Milchgesicht da in die Irre führen lassen.

So oder so aber hat Merz von nun an zwei Hauptgegner in den eigenen Reihen: Seine fehlende Selbstbeherrschung und die Günther-Gang. Wenn er beides in den Griff bekommt, kann sich sein Lebenstraum vom Kanzleramt erfüllen. Der Ausgang ist offen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Gespräche
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