Nach Vorschlag von Gesamtmetall-Chef Breite Front gegen Rente ab 70
Ampelkoalition und CDU lehnen einen Arbeitgeber-Vorstoß zur Rente ab 70 ab. Die FDP will Arbeitnehmer selbst entscheiden lassen.
Der Vorstoß des Gesamtmetall-Chefs Stefan Wolf für eine Rente mit 70 wird von der Ampel-Koalition ebenso abgelehnt wie von Union und Sozialverbänden. "Dass Menschen mit körperlich harten Jobs und häufig weniger Lohn Besserverdienenden mit Büro-Jobs ein langes Rentenleben finanzieren, ist ein zutiefst ungerechter Vorschlag", sagte der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag).
Derzeit würden rund 15 Prozent aller älteren Menschen sterben, bevor sie überhaupt das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben und viele aus Erschöpfung vorzeitig in Rente gehen. "Die Idee, man könnte Pflegekräfte, Stahlarbeiter oder Feuerwehrleute künftig bis 70 arbeiten lassen zeigt, dass nicht alle bereit sind, die Lebensrealität vieler Menschen zur Kenntnis zu nehmen."
Stefan Wolf - Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall – hatte sich in einem Interview am Montag für eine längere Lebensarbeitszeit ausgesprochen und dies unter anderem mit einer immer älter werdenden Gesellschaft begründet.
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SPD-Experte Gerdes: "Anhebung bedeutet Rentenkürzung"
"Wer 67 Jahre alt ist, muss in Rente gehen dürfen", sagte der SPD-Arbeitsmarktexperte Michael Gerdes. Eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bedeute für viele, die nicht länger arbeiten könnten, eine Rentenkürzung. "Das ist ungerecht." Wer länger arbeiten könne oder wolle, könne auf freiwilliger Basis die "Flexi-Rente" nutzen, die laut dem Koalitionsvertrag der Ampel bekannter und lukrativer gemacht werden solle.
Die FDP-Bundestagsfraktion plädiert für eine Aktienrente und ein flexibles Renteneintrittsalter nach dem Vorbild Schwedens. "Jeder, der älter als 60 Jahre ist, sollte selbst entscheiden, wann er aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Wer früher ausscheidet, bekommt weniger, wer später ausscheidet, bekommt mehr", erklärte der arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher Pascal Kober (FDP).
Auch die Unionsfraktion im Bundestag lehnt den Arbeitgeber-Ruf nach der Rente mit 70 ab. "Für die Anhebung der Regelaltersgrenze gibt es keinen akuten Handlungsbedarf", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU, Stephan Stracke, dem RND.
Ein späteres Eintrittsalters ist laut Bericht auch für den Paritätischen Gesamtverband ausgeschlossen. "Die Forderung nach der Rente mit 70 ist nichts anderes als eine Rentenkürzung mit Ansage", sagte Geschäftsführer Ulrich Schneider. Viele Menschen in anstrengenden Berufen, wie insbesondere auch in der Pflege, würden schon jetzt das Renteneintrittsalter nicht erreichen und Abschläge in Kauf nehmen müssen. "Um die Rente solidarisch und zukunftsfest zu finanzieren, braucht es stattdessen endlich die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle – auch Selbständige, Freiberufler, Politiker und Beamte - einzahlen."
Wirtschaftsexperten unterstützen Wolf-Vorschlag
In der Debatte um eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre hat Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf Unterstützung von Wirtschaftsexperten erhalten. "Der Vorschlag ist richtig und wichtig: Denn er hilft gegen Altersarmut und entlastet zudem die Rentenkasse, die vor dem Kollaps steht", sagte der Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg der "Bild"-Zeitung (Dienstag). Auch die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer zeigte sich für ein höheres Renteneintrittsalter offen.
Sie signalisierte Unterstützung. "Um die Rente auch in Zukunft zu sichern, gibt es drei Stellschrauben: Renteneintrittsalter, Beitragshöhe und Rentenhöhe. Man wird nicht umhinkommen, an allen drei Schrauben zu drehen, wenn wir die künftigen Generationen nicht überlasten wollen", sagte die Münchner Wirtschaftsprofessorin der Funke Mediengruppe (Dienstag).
Aktuell ist geplant, die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre anzuheben. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnt eine weitere Erhöhung des Eintrittsalters ab.
- Nachrichtenagentur dpa