Nach Beschluss des EU-Parlaments Aus für Verbrenner-Autos? In der Ampel bahnt sich Streit an
Keine neuen Verbrenner ab 2035, sagt das EU-Parlament. Aber die Bundesregierung ist gespalten. Wie wird Deutschland in der EU abstimmen?
Um die Haltung zu einem möglichen Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 auf EU-Ebene bahnt sich in der Ampel-Koalition ein Krach an. Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) lehnten ein Verbot am Donnerstag in Berlin ab. Vertreter der Grünen sowie der SPD dagegen stellten sich hinter den Beschluss des EU-Parlaments. Offen ist nun, wie Deutschland auf EU-Ebene abstimmen wird.
Das EU-Parlament will den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss aber das Parlament noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln.
Lindner: Beschluss widerspricht dem Geist des Koalitionsvertrags
Wissing sagte, die Entscheidung des EU-Parlaments zum Verbrennungsmotor "findet nicht unsere Zustimmung. Das Aus bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger einen harten Schritt". Am Verbrennungsmotor hingen viele Arbeitsplätze. "Wir wollen, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind. Eine Zulassung von klimaneutralen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor entspricht dem wichtigen Prinzip der Technologieoffenheit."
Lindner sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Beschluss des Europäischen Parlaments widerspreche dem Geist des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP. "Wir wollten ausdrücklich eine Zukunftsoption für klimafreundliche Flüssigkraftstoffe in neuen Verbrennungsmotoren." Deshalb müsse die gesamte Bundesregierung nun "Änderungen für Technologieoffenheit anstreben". Sonst sei eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.
Die Abgeordneten des EU-Parlaments sprachen sich dafür aus, dass klimafreundliche synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden. Kritiker befürchten jedoch, dass es von dem "grünen" Kraftstoff schon zu wenig für Luft- und Schifffahrt gibt, die weniger leicht als Autos oder Transporter elektrisch betrieben werden können.
Umweltministerin stellte sich hinter verschärfte Klimaziele
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich im März in Brüssel im Namen der Bundesregierung ausdrücklich hinter die im vergangenen Jahr verschärften Klimaziele der EU-Kommission gestellt. Das bedeute, mit Verbrennungsmotoren bei Pkw und Transportern bis 2035 abzuschließen, sagte sie. Zudem hatte sie erklärt: "Mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren sind nach 2035 nur außerhalb der CO2-Flottengrenzwerte eine Option." Diese besagen, wie viel CO2 die von Herstellern neu gebauten Autos und Transporter ausstoßen dürfen.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Je früher wir in Europa den Umstieg schaffen und uns aus der Abhängigkeit teurer fossiler Energie lösen, desto besser stehen wir im globalen Wettbewerb da." Es gebe im Koalitionsvertrag die klare Vereinbarung, auf europäischer Ebene zu unterstützen, dass ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden dürfen: "Für Deutschland muss dies entsprechend früher gelten."
CSU: "schwerer Fehler"
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, ein Verbrennerverbot 2035 sei industrie- und verkehrspolitisch herausfordernd: "Aber es ist umsetzbar." Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, dagegen sagte: "Dem Verbrenner-Motor in Europa die Zukunftsperspektive zu nehmen, ist ein schwerer Fehler."
Kritik kam auch vom Verband der Automobilindustrie. Präsidentin Hildegard Müller sprach von einer Entscheidung des EU-Parlaments "gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien". In weiten Teilen Europas gebe es für E-Autos keine ausreichende Ladeinfrastruktur. Der ARD sagte sie, synthetische Kraftstoffe seien wichtig, damit die Autos, die bereits im Markt sind, weniger klimaschädlich betrieben werden könnten.
VW und Mercedes-Benz zeigen sich offen
Die großen Automobilhersteller VW und Mercedes-Benz zeigten sich hingegen aufgeschlossen. Es sei ein "ambitioniertes, aber erreichbares Ziel" formuliert worden, hieß es bei VW. "Die Wende zur Elektromobilität ist unumkehrbar. Sie ist die ökologisch, technologisch und wirtschaftlich einzig sinnvolle Möglichkeit, um Verbrennungsmotoren schnellstmöglich zu ersetzen."
Der Autohersteller Mercedes-Benz begrüßte grundsätzlich das Votum der EU-Abgeordneten: "Bis 2030 sind wir bereit, überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zulassen", sagte der Leiter des Bereichs Außenbeziehungen des Konzerns, Eckart von Klaeden.
Umweltorganisationen begrüßten das Votum des EU-Parlaments zumeist. So sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg, der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Der Deutschen Umwelthilfe geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030.
- Nachrichtenagentur dpa