Außenministerin in Riga Baerbock gesteht Fehler in der Energiepolitik mit Russland ein
Zum Auftakt ihres dreitägigen Besuchs im Baltikum gestand die deutsche Außenministerin tiefgreifende Fehler ein. Ungewöhnlich scharf kritisierte sie dabei die Energiepolitik der damaligen Kanzlerin Angela Merkel.
Bei ihrem Besuch im Baltikum hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Fehler Deutschlands im Umgang mit den Energielieferungen aus Russland eingestanden. "Was wir mehr denn je tun müssen, ist, unsere Energieimporte von Russland ein für alle Mal zu beenden", sagte Baerbock am Mittwoch bei einem Treffen mit ihrer Kollegin und ihren Kollegen aus den drei Baltenrepubliken Lettland, Estland und Litauen in Riga.
"Wir haben in diesem Bereich Fehler begangen, aber wir können jetzt die Uhr nicht zurückdrehen, wir können dies nicht ungeschehen machen", sagte die Außenministerin. Sicherheit in Europa bedeute, die Abhängigkeit von Russland insbesondere im Bereich der Energie herunterzufahren.
"Lieber heute als morgen"
"Wir wollen alle die Gaslieferungen auslaufen lassen, lieber heute als morgen", sagte Baerbock und bescheinigte den baltischen Staaten, schon frühzeitig eine Politik verfolgt zu haben, welche die Abhängigkeit von russischem Gas weitgehend reduzierte. "Auch Deutschland möchte sich von den Energieimporten aus Russland komplett verabschieden", sagte Baerbock.
Gegenüber den Balten räumte Baerbock im Verhältnis zu Russland ein: "Wir haben vielleicht (...) nicht genau hingehört, welche Gespräche es in den letzten Jahren, gerade seit 2014, in Euren drei Staaten bereits gegeben hat." Ihr lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics sagte, er wie auch seine baltischen Amtskollegen hätten im Gespräch mit Baerbock "ermutigende und offene Worte" gehört. "Wir sehen, dass es in Deutschland ein Verständnis dafür gibt, dass wir handeln müssen, und wir schnell handeln müssen", sagte er.
"Jeden Winkel gemeinsam schützen"
Baerbock sicherte den baltischen Staaten vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine Beistand gegen eine mögliche Bedrohung durch Moskau zu. Die Nato werde ihr Bündnisgebiet verteidigen und "jeden Winkel gemeinsam schützen", sagte die Grünen-Politikerin. Als Nato-Verbündete könnten sich Lettland, Estland und Litauen "zu 100 Prozent auf Deutschland verlassen". Die Beistandsverpflichtung der Nato gelte ohne Wenn und Aber, ebenso die europäische Beistandsklausel.
"Europas Sicherheit, unser aller Sicherheit ist untrennbar verbunden mit der Sicherheit des Baltikums", sagte Baerbock. Gemeinsam sende man eine klare Botschaft an Moskau: "Wir werden Frieden, Souveränität und Freiheit verteidigen."
Balten verlangen stärkere Nato-Präsenz
Baerbocks Amtskollegen Rinkevics, Eva-Maria Liimets (Estland) und Gabrielius Landsbergis (Litauen) machten sich für eine stärkere Nato-Präsenz in ihren Ländern stark. "Russlands Krieg hat die Sicherheitslage in der Region grundlegend verändert", betonte Landsbergis. Die Nato müsse bereit sein, die baltischen Staaten von den ersten Minuten eines Konflikts an zu verteidigen.
"Wenn gesagt wird, dass jeder Zentimeter des Territoriums der baltischen Staaten verteidigt wird, müssen alle notwendigen Mittel vorhanden sein, um jeden Zentimeter und jedes Leben zu verteidigen", sagte Landsbergis. Dazu sei die Verlegung von zusätzlichen Truppen sowie mehr Luft- und Seeverteidigung "unbedingt erforderlich". Ähnliche Forderungen erhoben auch Rinkevics und Liimets.
Die Regierung in Kiew wirft Deutschland vor, mit den Einfuhren von Öl, Gas und Kohle den russischen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Die EU-Staaten hatten vergangene Woche bereits ein Kohle-Embargo gegen Russland beschlossen. Bis Jahresende hält es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch für möglich, "nahezu unabhängig" von russischem Öl zu sein. Bei Gas hält dies sein Ministerium erst "bis Mitte 2024" für möglich.
Baerbock: Festhalten an Nord Stream 2 fataler Fehler
Baerbock übte scharfe Kritik an der Energiepolitik gegenüber Russland unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Festhalten an der von Mittel- und Osteuropäern lange kritisierten deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 sei fatal gewesen. "Statt Nord Stream hätte es einen Baltic Stream auf Grundlage von sauberer Energie geben können und eigentlich geben müssen", fügte sie hinzu. "Das waren klar und deutlich Fehler", die die neue Bundesregierung korrigiert habe.
Merkel hatte Nord Stream 2 lange Zeit als privatwirtschaftliches Projekt bezeichnet. Nach dem Regierungswechsel hatte sich auch ihr Nachfolger, Kanzler Olaf Scholz (SPD), zunächst nicht von dem Projekt distanziert. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte Deutschland die Zertifizierung der Pipeline dann aber auf Eis gelegt.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa