Verordnung soll bald kommen Habeck kritisiert Unklarheiten bei Rechten für Geimpfte
Noch in dieser Woche entscheiden Bundestag und Bundesrat möglicherweise über Rechte für Geimpfte. Doch die Kritik an den Plänen dauert an. Ein Überblick.
Die geplante bundesweite Rücknahme bestimmter Freiheitseinschränkungen für vollständig gegen Corona geimpfte Menschen sorgt weiter für Kontroversen. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck bemängelte bei der geplanten Verordnung Unklarheiten. Es gebe "ein paar juristische Punkte, die sauberer formuliert werden" müssten, sagte Habeck am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Beispielsweise sehe der Entwurf Regelungen für eine Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 vor. "Wie es aber bei über 100 ist, ist unklar", sagte der Parteivorsitzende.
Grundsätzlich sei der Verordnungsentwurf des Bundes aber "notwendig" und "angemessen" und gehe in die richtige Richtung. "Die Tendenz ist natürlich richtig, es geht hier darum, Rechte zurückzugeben", sagte Habeck. Der Grünen-Vorsitzende sprach sich dafür aus, auch bei der Verordnung zu Erleichterungen für Geimpfte eine "bundeseinheitliche Logik" durchzuhalten. Beim kürzlich beschlossenen Bundesinfektionsschutzgesetz habe sich das als "guter Weg" erwiesen.
Kritik gibt es auch von Behörden und Medizinern: So fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fälschungssichere Dokumente, die Genesene und Geimpfte bei Kontrollen vorzeigen könnten. Amtsärzte sprachen sich dafür aus, Geimpfte weiter auf das Coronavirus zu testen, etwa bei der Einreise nach Deutschland. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte die Pläne der Bundesregierung als undurchsichtig und verwirrend.
Verordnung könnte bereits am Freitag beschlossen werden
Es geht um eine bundesweite Verordnung zur Rückgabe von Rechten an Geimpfte und Genesene. Union und SPD einigten sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Montag darauf, dass die entsprechenden Änderungen am Donnerstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat beschlossen werden sollen, wenn denn die Bundesländer mitziehen. Am Mittwoch soll es zunächst noch einen formalen Beschluss im Bundeskabinett geben. In vielen Bundesländern sind Regeln zur Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte bereits in Kraft.
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Die CDU-Gesundheitsexpertin Karin Maag sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Unions-Bundestagsfraktion trage die Vorschläge von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) grundsätzlich mit.
Vorgesehen ist einerseits eine rechtliche Gleichstellung von Geimpften und Genesenen mit Menschen, die negativ getestet sind. Geimpfte und Genesene sollen auch ohne vorherigen Test in Geschäfte, Zoos oder zum Friseur gehen dürfen. Zudem sollen für sie aber auch die Kontaktbeschränkungen und Ausgangsbeschränkungen gelockert oder aufgehoben werden. Nach Reisen müssten sie nicht in Quarantäne – es sei denn, sie reisen aus einem Virusvariantengebiet ein. Die Pflicht zum Tragen einer Maske an bestimmten Orten sowie das Abstandsgebot im öffentlichen Raum sollen aber für alle weiter gelten.
Amtsärzte: Geimpfte müssen weiter getestet werden
Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Es wäre fatal, wenn Geimpfte und Genesene künftig von allen Testpflichten etwa bei der Einreise ausgenommen würden." Sie erklärte: "Ohne umfassende Tests verlieren wir den Überblick über das Infektionsgeschehen – gerade auch mit Blick auf Virusvarianten." Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, dass bei Einreisen nach Deutschland künftig ein vollständiger Impfnachweis anstelle eines Tests ausreichen soll.
Der stellvertretende Vorsitzende der GdP, Jörg Radek, sagte im ARD-"Nachtmagazin" mit Blick auf Kontrollen der Polizei, aus der geplanten Verordnung müsse klar hervorgehen, für wen was gelten solle. Ebenso müsse klar sein, welche Papiere die Menschen in Sachen Corona mit sich führen müssten. Gut 28 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind inzwischen mindestens einmal gegen Corona geimpft, wie das Robert Koch-Institut am Montagmittag mitgeteilt hatte. Vollen Impfschutz haben demnach bislang acht Prozent der Bevölkerung.
Ramelow findet Pläne der Bundesregierung verwirrend
Thüringens Regierungschef Ramelow kritisierte die Pläne des Bundes in der "Rheinischen Post" mit den Worten: "Ich weiß bis heute nicht, was genau der Bundesgesetzgeber eigentlich regeln will." Außer der öffentlichen Debatte, die von "wahlkämpfenden Politikern" befeuert werde, sei ihm bislang keine klare Vorlage der Bundesregierung bekannt. Die derzeitige Debatte stifte viel Verwirrung in der Gesellschaft, meinte der Ministerpräsident.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich für zurückhaltende Lockerungen für Geimpfte in der Corona-Pandemie ausgesprochen. "Bei doppelt geimpften Personen können wir die Einschränkungen der persönlichen Grundrechte nicht mehr vertreten", sagte der SPD-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Gleichzeitig mahnte er jedoch zur Vorsicht: "Wir dürfen gerade jetzt nicht den Fehler machen, die Erfolge zu gefährden, die uns die einheitliche Corona-Notbremse gebracht hat."
"Ganz klar nein sage ich zu Öffnungen von Läden, Kneipen oder anderen Angeboten nur für doppelt Geimpfte". Deren Zahl sei noch zu klein. Zudem würden derartige Regelungen die Gesellschaft spalten. "Wer noch nicht geimpft ist, ist das in aller Regel, weil er sich an die Impfreihenfolge hält, dafür sollte niemand bestraft werden", sagte er.
Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, forderte eine rasche Impfung von Jüngeren. "Wir sehen, dass Jüngere insbesondere zum Schutz der Älteren lange Solidarität geübt haben", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Daher muss auch ihnen schnellstmöglich ein Impfangebot gemacht werden." Der Humangenetiker Wolfram Henn, Mitglied des deutschen Ethikrates, sagte der "Berliner Zeitung" (Dienstag), es sei an der Zeit, die Menschen in den Blick nehmen, die in ihren Lebenschancen durch die Beschränkungen am stärksten beeinträchtigt seien. Kinder und Jugendliche müssten die nächste Priorisierungsgruppe sein, bevor die Impfung für alle komme.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP