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Corona-Impfstoff: Streit zwischen Astrazeneca und EU noch nicht beigelegt


EU kontra Astrazeneca
Noch immer kein Durchbruch im Impfstoff-Streit

Von dpa
Aktualisiert am 28.01.2021Lesedauer: 4 Min.
EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides: "Wir bedauern die immer noch mangelnde Klarheit über den Fahrplan der Auslieferungen."Vergrößern des BildesEU-Gesundheitskommissarin Kyriakides: "Wir bedauern die immer noch mangelnde Klarheit über den Fahrplan der Auslieferungen." (Quelle: dpa-bilder)

Bekommen wir genug Impfstoff, um die Pandemie bald zu bremsen? Der Hersteller Astrazeneca und die EU sind verstrickt in einen kleinteiligen Streit. Aber klar ist nur: Es gilt nicht das Prinzip wie beim Metzger um die Ecke.

Die Europäische Union und der Pharmakonzern AstraZeneca haben bei Gesprächen den Streit wegen verzögerter Impfstoff-Lieferungen nicht beilegen können. Man habe keinen Durchbruch erzielt, teilte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Mittwoch mit. "Wir bedauern die immer noch mangelnde Klarheit über den Fahrplan der Auslieferungen", twitterte sie

Kyriakides appellierte am Mittwoch an die moralische Verantwortung der Firma, während die sich gegen Vorwürfe verwahrte. Am Abend hatten sich beide Seiten nochmals online zum Krisengespräch getroffen. Das eigentliche Problem war jedoch ungelöst: Große Mengen Impfstoff für Deutschland und andere EU-Länder kommen voraussichtlich Wochen oder Monate später. Der schützende Piks könnte sich somit für Millionen Menschen verzögern.

Der Streit begann am Freitag mit der Ankündigung des britisch-schwedischen Herstellers, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung des Impfstoffs weit weniger an die EU zu liefern als zugesagt. Von EU-Politikern wurden Zahlen genannt: Statt erwarteter 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal kämen nur 31 Millionen. Am Mittwoch deutete eine EU-Vertreterin an, dass die Dimension noch größer ist. Erwartet worden sei eine "dreistellige Zahl", und geliefert werde davon nur ein Viertel.

Wo ist der Impfstoff?

Seit Tagen setzen die EU-Kommission und die 27 EU-Staaten das Unternehmen deshalb unter Druck. Die EU hat einen Rahmenvertrag über insgesamt 400 Millionen Impfdosen von Astrazeneca. Damit das Mittel schon bei Zulassung geliefert werden kann, wurden der Firma 336 Millionen Euro zur Aufstockung der Produktion zugesagt. Nach EU-Lesart hätte sie auf Halde produzieren müssen. Nun fragt die EU: Wo ist der Impfstoff? Das Unternehmen solle Antworten liefern und das Problem schnellstmöglich lösen, forderte nicht nur Kyriakides.


Antworten gab Astrazeneca-Chef Pascal Soriot dann tatsächlich unter anderem in einem Interview mit der "Welt" – nur nicht zur Zufriedenheit der EU. Einige von Soriots Argumenten: Die EU habe ihren Vertrag später abgeschlossen als Großbritannien, wo das Astrazeneca-Mittel bereits genutzt wird. In der EU werde der Impfstoff in Belgien und den Niederlanden produziert. Und ausgerechnet dort sei in einer Anlage der Ertrag sehr niedrig. "Das machen wir ja nicht mit Absicht!" Sein Team arbeite rund um die Uhr, um die Probleme zu lösen.

Zudem sagte Soriot, sein Unternehmen sei vertraglich nicht zur Lieferung bestimmter Mengen verpflichtet. Vielmehr habe man nur einen "best effort" zugesagt, sich also im besten Sinne zu bemühen. In zwei bis drei Monaten sei das Problem zu lösen, sagte der Manager voraus.

Astrazeneca: EU wird fair behandelt

Und zu den konkreten Mengen: "Sobald wir in den nächsten Tagen die Zulassung erhalten, liefern wir drei Millionen Dosen. Dann jede Woche mehr, bis wir bei 17 Millionen sind. Die werden nach Bevölkerungszahl verteilt, für Deutschland mithin ungefähr drei Millionen in einem Monat." Das sei "gar nicht so schlecht". Insgesamt werde die EU fair behandelt.

Das alles wiederum empörte die EU-Seite. Es gebe einen Vertrag mit festen Lieferplänen je Quartal, und "best effort" heiße nicht, dass keine Verpflichtung bestehe, hielt Gesundheitskommissarin Kyriakides entgegen. Im Vertrag sind nach EU-Angaben konkret vier Fabriken genannt, zwei davon in Großbritannien. Auch diese müssten für den EU-Auftrag eingesetzt werden, ergo soll Impfstoff von Großbritannien auf den Kontinent.

Johnson will sich nicht in Streit einmischen

Dass die EU ihren Vertrag später abgeschlossen habe, spiele ebenfalls keine Rolle. "Wir weisen die Logik des 'Wer zuerst kommt, mahlt zuerst' zurück", sagte Kyriakides. "Das gilt vielleicht beim Metzger um die Ecke, aber nicht bei Verträgen."

Der britische Premierminister Boris Johnson will sich auf diese Debatte nicht einlassen. Es handle sich um eine Angelegenheit zwischen der EU und Astrazeneca, sagte Johnson am Mittwochabend in London und fügte hinzu: "Wir sind sehr zuversichtlich, was unseren Nachschub und unsere Verträge betrifft."

Soweit der inhaltliche Streit. Zusätzliches Hin und Her gab es vorübergehend über die Teilnahme an dem abendlichen Krisentreffen. Astrazeneca hatte nach Angaben der Kommission zunächst per Email abgesagt, sich dann aber doch dazu bereiterklärt. Astrazeneca solle "das Vertrauen wieder herstellen", mahnte Kyriakides.

SPD fordert mehr Tempo bei den Massenimpfungen

Die EU-Kommission steht selbst in der Kritik, weil Impfstoff in der EU knapp ist und bisher prozentual weit weniger Menschen immunisiert wurden als etwa in Großbritannien oder Israel. Das liegt zum Teil daran, dass die Mittel in der EU eine Marktzulassung statt nur eine Notfallzulassung bekommen sollen – und das dauert länger. So hat die Impfkampagne später begonnen.

Die SPD im Bundestag forderte erneut mehr Tempo bei den Massenimpfungen und mehr Impfstoff. In Brüssel fehlt jedoch die Antwort, wie das gehen soll angesichts der Produktionsengpässe.

In der EU zugelassen sind derzeit Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. Auch Biontech/Pfizer hatte zwischenzeitlich Produktionsprobleme, aber wohl nur kurzfristig. Astrazeneca wäre der dritte Hersteller mit EU-Zulassung. Die großen bestellten Mengen sollten die Impfkampagne in Fahrt bringen. Doch gibt es auch Fragezeichen, ob das Vakzin für ältere Menschen freigegeben wird. Experten der EU-Arzneimittelagentur EMA wollen sich am Freitag dazu äußern.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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