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Debatte um Grundrechte - Lambrecht: Einschränkungen für Geimpfte möglichst aufheben


Debatte um Grundrechte
Lambrecht: Einschränkungen für Geimpfte möglichst aufheben

Von dpa
Aktualisiert am 22.01.2021Lesedauer: 4 Min.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht möchte Einschränkungen für Geimpfte möglichst aufheben.Vergrößern des Bildes
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht möchte Einschränkungen für Geimpfte möglichst aufheben. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa./dpa)

Berlin (dpa) - Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat sich dafür ausgesprochen, Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte möglichst aufzuheben.

"Es geht hier nicht um Privilegien, sondern um die Rücknahme von Grundrechtsbeschränkungen", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Nicht die Ausübung von Grundrechten bedarf der Rechtfertigung, sondern die Einschränkung der Grundrechte durch den Staat."

Allerdings kommt die Aufhebung von Einschränkungen für Lambrecht nur in Frage, wenn wissenschaftlich sicher belegt ist, dass die Impfung auch vor einer Weitergabe des Virus schützt. Lambrechts Parteikollege, Außenminister Heiko Maas, hatte sich vergangenen Sonntag dafür ausgesprochen, Menschen mit Corona-Impfung früher als anderen den Besuch von Restaurants oder Kinos zu erlauben. Er sprach auch von der bisher ungeklärten Frage, ob Geimpfte auch andere anstecken können, argumentierte aber gegenüber "Bild" etwas weiter: "Ein Geimpfter nimmt niemandem mehr ein Beatmungsgerät weg. Damit fällt mindestens ein zentraler Grund für die Einschränkung der Grundrechte weg."

Die Union hält die Debatte zumindest für verfrüht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte gesagt: "Wir wissen nicht, ob der Geimpfte andere anstecken kann. So lange stellt sich die Frage von Privilegien überhaupt nicht." Ähnlich hatte das CDU-geführte Bundesgesundheitsministerium kürzlich argumentiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) sagte noch Ende Dezember - Privilegien für Geimpfte, das könnte eine Impfpflicht durch die Hintertür bedeuten und die Gesellschaft spalten.

Fast jeder zweite Deutsche (49 Prozent) nimmt einer Umfrage zufolge die aktuellen Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie als sehr starke oder starke Belastung wahr. Das geht aus dem neuen "Deutschlandtrend" des "ARD-Morgenmagazins" hervor. In der Woche vor Weihnachten waren es noch 36 Prozent der Befragten. Die Akzeptanz des Krisenmanagements von Bund und Ländern ist allerdings rückläufig. Während sich Mitte Dezember noch 57 Prozent der Befragten positiv zum Krisenmanagement äußerten, zeigten sich aktuell nur noch 46 Prozent der Deutschen damit zufrieden.

Die Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW müssen ab Montag OP-Masken, FFP2-Masken oder KN95-Masken in Bussen und Bahnen, Supermärkten, Arztpraxen und Gottesdiensten tragen. Das geht aus der neuen Coronaschutz-Verordnung des Landes hervor.

Wegen der Maskenpflicht fordern Sozialverbände finanzielle Unterstützung für ärmere Menschen. "Es kann nicht sein, dass Menschen, die bereits jetzt jeden Tag schauen müssen, wie sie etwas zu essen auf den Tisch bekommen, zwingend notwendige Schutzausrüstung aus der eigenen Tasche finanzieren müssen", sagte der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, der dpa. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, forderte "100 Euro sofort für Grundsicherungsempfänger, damit sie sich FFP2-Masken leisten können".

Merkel hatte darauf verwiesen, dass die Regierung für 34 Millionen Menschen, darunter alle über 60-Jährigen, die besonders gut schützenden FFP-2-Masken für den Winter zur Verfügung gestellt habe. Vorgesehen ist ein Eigenanteil von zwei Euro für je sechs Masken. Sollten die Einschränkungen jedoch noch lange anhalten, müsse man "natürlich auch darüber nachdenken, ob wir an der Stelle nochmal helfen müssen", sagte Merkel.

Die Grünen-Fraktion verlangt eine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Es kann nicht sein, dass sie Peter Altmaier in der Regierungserklärung vorschickt, während die Kanzlerin selbst in die Bundespressekonferenz geht", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann der dpa. "Wir erwarten, dass sich die Bundeskanzlerin in der nächsten Sitzungswoche im Parlament zur Corona-Pandemie erklärt". Es soll am kommenden Donnerstag um 9 Uhr tatsächlich eine Regierungserklärung geben, bei der sich allerdings Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zum Jahreswirtschaftsbericht äußern soll.

Indes fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz, dass bei Corona-Todesfällen auch der Sterbeort zentral erfasst wird. "Der Bundesgesundheitsminister muss endlich das Robert Koch-Institut beauftragen, dazu eine tägliche Statistik zu veröffentlichen", sagte der Vorsitzende Eugen Brysch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es mangele an verlässlichen Daten und Fakten zum Sterbeort der Covid-19-Patienten.

Hintergrund der Forderung ist die Beobachtung der Patientenschützer, dass viele Covid-19-Patienten derzeit nicht auf den Intensivstationen sterben. Das Durchschnittsalter auf den Intensivstationen sei mittlerweile teilweise auf unter 60 Jahre gesunken. "Doch der Anteil der über 70-Jährigen, die an und mit Covid-19 versterben, beträgt über 90 Prozent. Dieser Widerspruch ist besorgniserregend", so Brysch. Hinzu käme, dass die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuinfektionen zwar stetig sinke, die täglich gemeldete Zahl der Toten aber nicht in gleichem Maße. "Deshalb muss geklärt werden, warum so viele Hochbetagte und Pflegeheimbewohner die Kliniken gar nicht erst erreichen", forderte Brysch.

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nannte in den Funke-Zeitungen einen möglichen Grund dafür: "Pflegebedürftige, die an Covid-19 erkranken, haben eine Sterbewahrscheinlichkeit von zum Teil mehr als 75 Prozent. Wer die Erkrankung überlebt, hat ein hohes Risiko für einen schweren Demenzschub, viele erholen sich trotz Rehabilitationsmaßnahmen nicht mehr davon." Weil viele Pflegebedürftige per Patientenverfügung längere lebenserhaltende Maßnahmen wie etwa künstliche Beatmung ablehnten, würden die zuständigen Ärzte zusammen mit den Angehörigen sich nun offensichtlich öfter gegen eine Einweisung in die Klinik entscheiden.

Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist in Deutschland zuletzt deutlich gesunken. So gab das Robert Koch-Institut (RKI) die sogenannte 7-Tage-Inzidenz am Donnerstagmorgen mit 119,0 an - das ist der niedrigste Wert seit dem 1. November. Am Freitagvormittag äußern sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), RKI-Präsident Lothar Wieler und der Virologe Christian Drosten zur aktuellen Corona-Lage in Deutschland.

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