Wieder Angst am Breitscheidplatz Berlins Innensenator verteidigt Weihnachtsmarkt-Räumung
Schreckminuten in Berlin: Bei der Räumung des Weihnachtsmarkts am Breitscheidplatz wurden dunkle Erinnerungen wach. Der zuständige Innensenator lobte den Einsatz – auch wenn es ein Fehlalarm war.
Berlins Innensenator Andreas Geisel hat die Räumung des Weihnachtsmarkts auf dem Berliner Breistscheidplatz am Samstagabend verteidigt. Der Einsatz zeige, dass sich die Sicherheitsbehörden "nicht im Routinemodus befinden und weiter wachsam sind", betonte der SPD-Politiker am Sonntag. Die Polizei sei sensibilisiert, präsent und zum Schutz in der Stadt unterwegs. Dafür bedanke er sich ausdrücklich. Eines sei auch klar: "Ein Fehlalarm ist am Ende immer die bessere Nachricht", sagte Geisel.
Laut Polizeiangaben bemerkten Beamte, wie sich am Samstagabend zwei Männer auffällig zügig von dem Weihnachtsmarkt entfernten und dabei auch andere Besucher des Markts anrempelten und beiseite drängten. Sie kontrollierten die beiden 21 und 24 Jahre alten Männer. Dabei hätten sich Widersprüche eines der Männer zur tatsächlichen Identität ergeben, außerdem Hinweise auf eine internationale Fahndung im islamistischen Kontext und der Bezug beider Männer zum Salafismus.
Deshalb habe es keine Alternative zur Räumung gegeben, erklärte die Polizei. An dem Einsatz waren demnach rund 250 Polizisten beteiligt, die beiden Verdächtigen konnten nach einer Überprüfung wieder gehen. Die Suche auf dem Weihnachtsmarkt auch mit Hilfe von Sprengstoffspürhunden blieb ohne Ergebnis.
Augenzeugin: "Ich hatte ein ganz schlimmes Gefühl"
t-online.de-Volontärin Sophie Loelke war zufällig vor Ort, wollte privat die Weihnachtszeit einläuten. Sie fasst die Erlebnisse kurz und knapp zusammen. "Als da die Polizei angerückt ist, hatte ich ein ganz schlimmes Gefühl." Kurz vor dem Einsatz hatte sie auf Instagram noch idyllische Bilder vom Markt gepostet, sich über die weihnachtliche Stimmung gefreut. "Eine Frau hat meine Begleitung und mich in dieser Situation angesprochen. Sie hat uns erzählt, dass sie vor drei Jahren bei dem Anschlag auch am Breitscheidplatz war und sie hatte wirklich schreckliche Angst, dass sich das wiederholt", berichtet Sophie Loelke am Tag danach.
Vor fast genau drei Jahren, am 19. Dezember 2016, war der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast. Bei dem Anschlag wurden zwölf Menschen getötet. Nach dem Vorfall vom Samstagabend öffnete der Weihnachtsmarkt am Sonntag wieder.
Der Leiter der neuen BKA-Abteilung Islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus, Sven Kurenbach, wies in der "Welt am Sonntag" auf die erhöhte Anschlagsgefahr nach dem Tod des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi Ende Oktober hin. In radikalislamistischen Kreisen sei vermehrt zum Terror im Westen aufgerufen worden. "Der Trend geht dabei zu Anschlägen mit einfachen Tatmitteln. Schusswaffen spielten bei Anschlagsplanungen hierzulande zuletzt weniger eine Rolle", sagte Kurenbach.
Sicherheitsbehörden haben mehrere Anschläge vereitelt
Seit dem Anschlag in Berlin vor drei Jahren haben deutsche Sicherheitsbehörden nach eigenen Angaben neun islamistisch motivierte Anschläge verhindert. Bei zwei vereitelten Anschlägen im November handelt es sich dem Bericht zufolge um Festnahmen in Offenbach und Berlin.
In Offenbach durchsuchten am 12. November 170 Beamte drei Wohnungen und nahmen einen 24-jährigen Deutschen fest, dem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen wird. In Berlin wurde am 19. November ein 26-jähriger Syrer festgenommen, ebenfalls unter diesem Vorwurf. In beiden Fällen dauern die Ermittlungen an, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und die Bundesanwaltschaft (GBA) der Zeitung mitteilten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der "WamS", "unsere Sicherheitsbehörden leisten hervorragende Arbeit und zwar 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche". Gleichzeitig forderte Seehofer weitere Befugnisse für Ermittler im Internet. "Wir haben die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestärkt. Jetzt müssen wir ihnen die notwendigen Befugnisse geben, um Terroristen auch online entdecken und dingfest machen zu können."
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic kritisierte in dem Blatt ein "strukturelles Kooperationsdefizit der vielen Sicherheitsbehörden in unserem Föderalstaat". Das Gemeinsame Terror Abwehr Zentrum (GTAZ) sei "noch zu sehr Beruhigungspille und Fassade". Der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, forderte eine Reform des Föderalismus im Bereich der Inneren Sicherheit.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Eigene Recherche