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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kurz vor Landtagswahl in Thüringen Gericht verbietet Verbreitung von Formulierung in dubioser Wahlbroschüre
Nachdem t-online.de mehrfach über eine dubiose Wahlzeitschrift rechter Autoren in Thüringen berichtet hat, untersagt ein Gericht nun die weitere Verbreitung einer Formulierung. Grund ist eine Falschbehauptung.
Das Landgericht Berlin untersagt die weitere Verbreitung einer Formulierung in der rechten Wahlkampfbroschüre "Der Wahlhelfer". Sie ist angeblich in einer Auflage von 500.000 Exemplaren gedruckt worden. Die Exemplare dürften bereits alle verteilt sein, deshalb hat die Entscheidung zunächst wenig spürbare Folgen.
Grund ist der Entscheidung zufolge eine Falschbehauptung in dem Blatt, gegen die der Extremismusforscher Matthias Quent vorgegangen ist. t-online.de liegt die Einstweilige Verfügung vor. Demnach ist den Herausgebern Vera Lengsfeld und "Hanno Vollenweider" die Verbreitung einer Aussage über Quent untersagt. Im "Wahlhelfer" heißt es, Quent führe für eine Aussage in seinem Buch "Deutschland rechts außen" keine Quelle an. Quent schreibt dort, dass der Amokläufer vom Olympia-Einkaufszentrum in München, David S., sich zur AfD bekannt habe.
Selbstverständlich sei die fragliche Aussage mit einer Fußnote belegt, schrieb der Soziologe im Nachgang der Einstweiligen Verfügung im Kurzbotschaftendienst Twitter. Quent verweist im Buch auf ein Gutachten, das er im Auftrag der Stadt München erstellt hat und in dem drei Quellen aus den Ermittlungsakten die Behauptung stützen. Von David S. gibt es demnach unter anderem die Äußerung: "Ihr habt in Deutschland nichts zu suchen, die AfD wird euch alle ausschalten." David S., selbst hat neun Menschen getötet und fünf verletzt und dabei gezielt Migranten als Opfer ausgesucht.
Quents Anwalt Christian Löffelmacher bestätigte t-online.de die Vorgänge und twitterte Bilder der Einstweiligen Verfügung. Vera Lengsfeld hat nach Veröffentlichung des Textes eine Anfrage von t-online.de beantwortet und angekündigt, man werde Rechtsmittel einlegen. "Wir sind erstaunt, dass Herr Quent wegen einer Fußnote die im Wahlhelfer enthaltene dezidierte Höcke-Kritik stoppen wollte." Quent sei bekannt gewesen, dass der Wahlhelfer schon verteilt ist, bevor er vor Gericht gezogen sei.
Auswirkungen hat die Entscheidung vor allem für die online angebotene Version des "Wahlhelfers", die in der vorliegenden Form nicht mehr im Netz stehen darf. Sie wurde am Freitag vom Netz genommen. Die gedruckten Exemplare sind längst verteilt. Aus Sicht von Anwalt Löffelmacher hat die Entscheidung aber noch eine andere Wirkung: "Wer aufgrund der Publikation 'Wahlhelfer' eine Wahlentscheidung getroffen haben sollte, der sollte wissen: In dieser Publikation ist gelogen worden – sie darf nicht mehr vertrieben werden." Quent bedauerte, der Gerichtsbeschluss habe "trotz der offenkundigen Dringlichkeit" länger als gehofft auf sich warten lassen.
- Briefkastenfirma rechter Autoren: Dubiose Zeitschrift macht Wahlwerbung
- "Der Wahlhelfer": Unbekannter greift unter Pseudonym in Wahlkampf ein
t-online.de hatte bereits mehrfach über die undurchsichtigen Hintergründe der Wahlkampfzeitschrift berichtet. Ihre Inhalte sind AfD-nah, sie setzt sich aber auch mit Björn Höcke kritisch auseinander. Recherchen ergaben, dass der Verein hinter der Postille nicht im Vereinsregister eingetragen ist, lediglich eine Briefkastenadresse angibt und der Mitherausgeber "Hanno Vollenweider" unter Pseudonym agiert. Ein Bankkonto verlor die herausgebende "Vereinigung Freier Medien" laut Informationen von t-online.de aufgrund falscher oder unvollständiger Unterlagen.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel enthielt in Überschrift und Teaser eine Formulierung, die nach Einstweiliger Verfügung des Landgericht München vom 12.12.2019 abgeändert wurde.
- Eigene Recherchen
- www.idz-jena.de: Gutachten Matthias Quent zum OEZ-Amoklauf