Fall Lübcke FDP-Politiker fordert Zeitenwende im Umgang mit Rechtsextremismus
Die Bundesanwaltschaft geht im Fall Lübcke von einer politischen Tat aus. Die Opposition will den Fall im Bundestag aufarbeiten – und fordert ein Umdenken im Kampf gegen Rechtsextremismus.
Oppositionspolitiker fordern Konsequenzen aus den neuen Entwicklungen im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, fordert eine Zeitenwende. Es handele sich offenbar um ein politisch motiviertes Attentat, sagte Kuhle t-online.de. "Dieses Ereignis muss eine Zeitenwende beim Umgang mit Rechtsextremismus in Deutschland einläuten, wie sie schon nach der Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes erforderlich gewesen wäre", forderte er.
"Gegenüber Personen, die durch Hass und Hetze, insbesondere im Internet, demokratische Institutionen verächtlich machen und zu Gewalt gegen Politiker aufrufen, darf es keine Toleranz geben", sagte Kuhle. "Deswegen braucht es insbesondere eine harte Abgrenzung bürgerlicher Parteien nach rechts. Der Fokus der Sicherheitsbehörden muss stärker auf das Thema Rechtsextremismus gelenkt werden."
Grüne, FDP und Linke beantragen angesichts der neuen Erkenntnisse gemeinsam eine Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag. Der Ausschuss müsse nun zügig zusammenkommen, forderte Kuhle.
"Es war leider nur eine Frage der Zeit"
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, zeigte sich wenig überrascht über die neuen Entwicklungen. "Es war leider nur eine Frage der Zeit, bis auf die massive Mordhetze von Rechtsextremen, Neonazis und Rassisten gegen Andersdenkende auch wieder entsprechende Taten folgten", sagte Jelpke t-online.de. "Der CDU-Politiker Walter Lübcke war aufgrund seines Eintretens für einen humanitären Umgang mit Geflüchteten seit langem eine besondere Hassfigur von Rechtsextremen. Von daher verwundert es mich überhaupt nicht, dass nun ein einschlägig bekannter Neonazi als dringend Tatverdächtiger verhaftet wurde."
Bei der Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag sollten nun "Vertreter von BKA, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft über den bisherigen Ermittlungsstand und die Sicherheitslage Rede und Antwort stehen".
Grüne: Nicht voreilig auf Einzeltäterthese festlegen
Grünen-Politikerin Irene Mihalic warnt die Behörden im Fall Lübcke davor, sich nur auf einen mutmaßlichen Täter zu konzentrieren. "Die Sicherheitsbehörden dürfen sich auf keinen Fall voreilig auf eine Einzeltäterthese festlegen", sagte die Polizistin und innenpolitische Sprecherin der Grünen zu t-online.de. "Vor allem die Morde des NSU mahnen uns, mit breitem Blick Verflechtungen von rechtsextremen Täterinnen und Tätern zu beleuchten."
Die Übernahme des Falls durch den Generalbundesanwalt sei der richtige Schritt. "Jetzt kommt es darauf an, dass mögliche Netzwerke um den Beschuldigten intensiv aufgeklärt werden."
Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz zeigte sich bestürzt. "Im Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen", sagte Wanderwitz t-online.de. "Das gefährdet unsere Demokratie in ihren Grundfesten. Es bedarf der Härte des Rechtsstaats und des Aufstehens der Zivilgesellschaft."
Wanderwitz, Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Sachsen im Bundestag, sagte, es sei "furchtbar, wie sich das gesellschaftliche Klima in unserem Land insbesondere vom rechtsextremen Rand radikalisiert hat". "Insbesondere Politiker, aber auch viele andere 'öffentliche Personen', werden in einer völlig inakzeptablen Weise angegriffen und bedroht – ohne jede Hemmungen", sagte Wanderwitz t-online.de. "Die AfD ist dabei stets ganz vorn dabei. Aus Worten werden leider auch Taten."
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, mahnt eine bestmögliche Ausstattung der Sicherheitsbehörden an. "Sollten sich die Hinweise bestätigen, dass Walter Lübcke Opfer eines rechtsextremistischen Anschlags wurde, zeigt dies, dass wir auch nach dem NSU mit rechtsterroristischen Mordanschlägen in unserem Land rechnen müssen", sagte Lischka t-online.de. "Dies bedeutet, dass unsere Sicherheits- und Polizeibehörden bestmöglich ausgestattet werden müssen, um unsere Gesellschaft und Demokratie vor diesen Terrorakten zu schützen."
Bundesanwaltschaft ermittelt
Die Ermittlungen in dem Fall führt inzwischen die Bundesanwaltschaft. Am Wochenende wurde ein 45 Jahre alter Tatverdächtiger festgenommen. "Wir gehen aufgrund des aktuellen Ermittlungsstandes davon aus, dass es sich um einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat handelt", sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Dafür sprächen insbesondere das Vorleben des Tatverdächtigen und die öffentlich wiedergegebenen Meinungen und Ansichten des Mannes.
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Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. Laut Obduktion wurde der 65-Jährige mit einer Kurzwaffe aus nächster Nähe erschossen.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa