Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Anschläge auf christliche Kirchen Muslime, tut endlich etwas gegen islamistische Terroristen!
Wenn Terroristen im Namen Allahs morden, heißt es immer: Das hat nichts mit dem Islam zu tun. Warum diese Aussage falsch ist, erklärt Kolumnistin Lamya Kaddor.
Wieder zerreißt es einem das Herz. Zum x-ten Mal haben radikale Muslime ein fürchterliches Terrormassaker angerichtet. Feindbild Christentum. Der Hauch des Hasses hat jede Spur von Menschlichkeit in ihnen veröden lassen. Von Tag zu Tag steigt die Zahl der Todesopfer, seit am Ostersonntag Selbstmordattentäter Kirchen und Hotels angegriffen haben.
Schnell folgten bedeutungsschwangere Verurteilungen dieser Terrorakte, große Worte des Bedauerns fielen und der Hinweis, dass diese Abartigkeiten mit dem Islam nichts zu tun hätten. Gerade Letzteres habe ich in den vergangenen Tagen wieder so oft vernommen, dass ich es nicht so stehen lassen will: Schluss mit der Selbsthypnose. Selbstverständlich hat es etwas mit dem Islam zu tun, wenn ein islamischer Hassprediger Madonnenstatuen zertrümmert und Videos davon ins Netz stellt. Selbstverständlich hat es mit dem Islam zu tun, wenn ein Muslim mit grimmiger Fratze in die Kameras ruft, selbst wenn Christen gute Taten vollbrächten, würde er sie hassen für ihren "Unglauben". Selbstverständlich hat es mit dem Islam zu tun, wenn Prediger erklären, Gläubige müssten in den Krieg ziehen.
Diese Menschen nennen sich nicht nur Muslime, sie argumentieren im Namen eines bestimmten Religionsverständnisses. Ganz gleich, ob es sich dabei um politisierte, machtorientierte und verquere Auslegungen handelt, es ist ein Islamverständnis. Diesem mantrahaft mit der Versicherung zu begegnen, mit dem wahren Islam habe dies nichts zu tun, ist zu einfach. Das Lied wird viel zu oft gesungen. Zu viele Muslime ziehen sich immer wieder auf die Position zurück: "Was kann ich dafür, wenn die sich auch Muslime nennen?!" Was für einen Weckruf benötigen sie denn, um zu handeln? Sehen sie nicht, was passiert, wenn sie schweigen? Und so tun, als ginge sie das alles nichts an, bloß weil sie ein anderes Islamverständnis pflegen?
Nirgends ist man sicher
Jeder Muslim kann überall auf der Welt jederzeit selbst zum Opfer werden, wie nicht zuletzt der Terroranschlag auf die Moscheen in Christchurch vor wenigen Wochen gezeigt hat. Das Denken in Einzelgruppen bringt niemanden weiter. Muslime töten Nicht-Muslime und Muslime. Nicht-Muslime töten Muslime und Nicht-Muslime. Nirgends ist man sicher. Heute ist eine Kirche in Colombo betroffen, morgen vielleicht die eigene Moschee im Kiez.
Wer Islamfeindlichkeit beklagt, aber nichts gegen Islamisten unternimmt, muss sich nicht wundern, wenn er nicht ernst genommen wird. Muslime prangern zu Recht eine grassierende Islamfeindlichkeit an, ehrliches Verständnis können sie aber erst erwarten, wenn sie im gleichen Atemzug ihre Stimmen noch stärker gegen Islamisten und islamische Fundamentalisten erheben.
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Auch mit meinem Islamverständnis haben die Angriffe auf Christen in Sri Lanka gewiss nichts zu tun. Auch mit dem meiner Eltern, meiner Freunde und der allermeisten Muslime in Deutschland und weltweit nichts. In meinen Augen sind die Attentäter keine Muslime. Sie sind Irrgänger, Abtrünnige, Ungläubige. Sie sind all das, was sie ihren Gegnern vorhalten. Und dennoch nehmen sie den Namen des Islams in den Mund und ziehen damit mich und jeden einzelnen Muslim auf dieser Welt mit in die Sache hinein. Wie lang soll man so etwas geschehen lassen?
Täter nehmen die Gewaltaufrufe im Koran wörtlich
Die Auslöser für den Terror mögen in nationalen und/oder internationalen Kontexten vielschichtig sein, die soziopsychologischen Faktoren mögen bei den jeweiligen Tätern als Erklärung überwiegen. Doch ihr Islamverständnis ist es, dass ihren Verbrechen Legitimität verleihen soll und mit dem sie ihren Terror rechtfertigen. Sie verstehen die Gewaltaufrufe, die es im Koran und in den Lehren Mohammeds nun einmal gibt, wortwörtlich. Sie verstehen sie nicht im Kontext der Zeitgeschichte ihrer Offenbarung.
Dagegen muss man etwas unternehmen! Was? Hier benötigen wir mehr Engagement! Muslime könnten Hasspredigern, die sich ebenfalls Muslime nennen, und allen, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen Christen, Juden, Europäer, Westler, Frauen, "Ungläubige" oder wen auch immer betreiben, entgegentreten, wo sie auf sie treffen. Macht den Mund auf in den eigenen Gemeinden und in eurem Umfeld, wenn ihr solche Worte hört! Schreibt ihnen unter ihre YouTube-Videos, unter ihre Twitter- und Facebook-Threads, dass ihr sie verachtet. Dass sie für euch keine Muslime, sondern Verbrecher sind. Dass sie keinen Platz in der islamischen Gemeinschaft haben.
Imame und islamische Theologen, die sich nicht als Fundamentalisten, Hassprediger und Spalter sehen, könnten dafür sorgen, dass ihre Auslegungen die Überhand gewinnen, indem sie offen und massiv für ihre Sicht werben und ihre Worte verbreiten. Im Netz. In den Medien. In den Gemeinden.
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"Es wird schon so viel getan", heißt es oft aus den Islamverbänden und den Gemeinden. Das stimmt. Es wird viel getan. Ich selbst erhebe seit Jahren meine Stimme dagegen und habe 2017 sogar allein mit Tarek Mohamed eine Demo in Köln organisiert. Aber das reicht eben nicht. Islamisten sind ebenso aktiv wie rechte Ideologen. Der Kampf gegen Islamisten ist gleichsam fortdauernd, wie der Kampf gegen Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und so weiter. Wir alle müssen ihn immer wieder führen. Die Islamisten müssen auf viel mehr Gegenwind stoßen – und zwar in erster Linie auf Gegenwind von Muslimen, von liberalen wie konservativen – denn der Terror hat auch mit dem Islam zu tun. Erhebt euch!
Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Sie ist Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB e.V.). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.