TV-Kritik zu „Hart aber fair“ "Die SPD hat sich auch selber besoffen geredet“
Am Tag eins nach dem NRW-Beben wackeln im politischen Düsseldorf noch die Wände des Landtags. Grund genug für Frank Plasberg, sich mit seiner Runde an die seismographische Auswertung zu machen.
Die Gäste
- Christiane Hoffmann, Journalistin
- Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender
- Markus Söder (CSU), Bayerischer Staatsminister der Finanzen
- Ulrich Matthes, Schauspieler
- Hajo Schumacher, Journalist
Das Thema
Die hohe Wahlbeteiligung und Hannelore Krafts Rücktritt „ohne Wenn und Aber“ sei ein „Test für die Demokratie“ gewesen, so Plasberg. Den hat sie bestanden. Was Wählers Votum allerdings zu bedeuten habe, das sollte seine Runde klären. Schnell stellte sich heraus: allein um die Auflistung der Schäden in NRW sollte es nicht gehen. Viel mehr um die Frage: „Was will Martin Schulz?“ Ob aus dem „Heilsbringer“ ein „Scherbensammler“ geworden sei, formulierte Plasberg an die Runde.
Die Fronten
Die undankbarste Rolle hatte Oppermann. Er musste seinem Chef die Kehrschaufel halten, selbst Dreck unter den Teppich kehren und die sozialdemokratische Hoffnung auf eine Schulz-Renaissance bei der Bundestagswahl aufrechterhalten. Die NRW-Niederlage habe wehgetan, hätte aber bewiesen, dass Wahlen „auf den letzten Metern entschieden“ werden. Klare Botschaft an Söder: Die Union solle sich nicht zu sicher für den Bund sein. Der konterte, NRW sei eine „Erdrutschwahl“ gewesen, der Schulz-Effekt ziehe die SPD in den Keller.
Kern der Diskussion
Für Söder war klar: Die Menschen in NRW wollten den Wechsel, Topthema sei die innere Sicherheit im Bundesland gewesen. Oppermann runzelte die Stirn. Das sollte nicht einfach werden. Zum Glück saß mit Matthes ein traditioneller SPD-Wähler neben ihm. Doch halt! Anfänglicher Freude über Schulz sei Skepsis gefolgt. Es lange nicht aus, dass Schulz programmatische Antworten auf die Zeit verlege, „wenn ich Kanzler bin“. Bitte konkreter, wünschte sich Matthes.
Hoffmann zeichnete das Bild vom Goldbarren, den die SPD „in die Ecke“ gelegt habe. Dass diese Chance vertan werde, sei unfassbar. Schumacher konterte trocken, glänzendes Gold sei Schulz nie gewesen. Die SPD habe sich „auch selber besoffen geredet“. Die Erwartungen hätte Schulz nicht erfüllen können. Da fiel es Oppermann schwer, für seinen Chef noch einen Stich zu landen. Er sei Zukunft, Merkel Stagnation. Der Fehler sei gewesen, dass man in NRW bundespolitische Themen ausgespart habe.
Aufreger des Abends
Söder bezeichnete Oppermanns Haltung als „Besserwisser-Attitüde“. Der habe selbst zugegeben, dass die Rot-Grüne Landesregierung in NRW eine schlechte Bilanz aufzuweisen habe. Vor allem beim Thema innere Sicherheit. Als Oppermann skizzierte, es habe 2016 in Bayern drei Mal Terror gegeben und das werfe er auch nicht der Landesregierung in München vor, war es um Söder geschehen. „Schwache Nummer, Herr Oppermann“, giftete er. Im Fall Anis Amri sei das Chaos der schweren Schwäche des NRW-Innenministers Ralf Jäger zuzuschreiben.
Plasberg-Momente
Mit Söder schien Plasberg eine gewisse Antipathie zu verbinden. Beide versuchten, das mit Spitzen zu überspielen. Als Söder sich vehement beschwerte, niemand lasse ihn ausreden, warf Plasberg ein, der CSU-Mann sei „so jung und dynamisch“. Da könne er das schnelle Format von Hart aber fair durchaus ab. Zudem hätten „neueste Erhebungen bei Talkshow-Zuschauern“ ergeben, dass es störend sei, wenn einer „zu viel an sich“ reiße. „Wissen sie, was die Zuschauer auch schlecht finden?“, fragte Söder zurück. „Wenn ständig einer entgegnen“, ein anderer aber nicht ausreden dürfe. In der Tat ließ Plasberg Oppermann mehr durchgehen als Söder. Als beide sich allerdings wieder in die Haare bekamen, forderte Plasberg sie auf, „diese Kinkerlitzchen einfach mal sein zu lassen“.
Tiefpunkt des Abends
Zwischen Oppermann und Söder waberte spürbar die politische Abneigung. Das ist normal für zwei entgegengesetzte Lager. Normal auch, dass Söder den vermeintlichen bayerischen Vorsprung im Bundesvergleich propagieren wollte. Während der SPD-Mann sich vornehm zurückzuhalten versuchte, holte Söder mehrmals den Dampfhammer raus.
Er habe sich ausdrücklich auferlegt, sich zurückzunehmen, „weil ich die psychische Situation der SPD nicht noch mehr ausnutzen will“, so der CSU-Mann. Matthes froren die Gesichtszüge ein. Schumacher konterte pointiert, Söder müsse doch Erwartungen erfüllen. „Kuschel-Markus, das geht nicht“, so der Journalist. Oppermann konnte nur erwidern: „Hochmut kommt vor dem Fall“. „Das kennen Sie, Herr Oppermann“, legte Söder noch eins drauf. Das war uncharmant.
Höhepunkt des Abends
Erfrischend war Matthes Art. Ihm kaufte man ab, er säße als Wählervertreter in der Runde. Was Schulz mit sozialer Gerechtigkeit verbinde? Das konnte ihm weder Schulz selbst, noch Oppermann erklären. „Hat mich nicht überzeugt“, sagte er.
Fast romantisch wurde der Schauspieler, als er vehement forderte, die Politik müsse für die leidenschaftliche europäische Idee eintreten. Dafür hätte Hoffmann ihn knuddeln können. Bevor man die Politik vehement kritisiere, solle man erstmal nachdenken, geißelte er Zuschauerkommentare im sozialen Netzwerk. „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge auch keinem anderen zu“ war sein Schlusswort. „Die Sitzung war therapeutisch“, konnte Söder da nur noch ergänzen.