TV-Kritik zu "Anne Will" "Schulz ist konkreter als Merkel in zwölf Jahren"
In der dritten Landtagswahl in Folge, dieses Mal in Nordrhein-Westfalen, verliert die SPD - der Martin Schulz-Effekt ist weg. Die Union erstarkt. Grund für Anne Will, führende Parteiköpfe nach ihrem Plan für die Bundestagswahl zu fragen.
Die Gäste
- Manuela Schwesig (SPD), Bundesfamilienministerin
- Volker Bouffier (CDU), Hessischer Ministerpräsident
- Wolfgang Kubicki (FDP), Stellvertretender Bundesvorsitzender
- Jürgen Trittin (Grüne)
- Giovanni di Lorenzo, Journalist
Das Thema
Das war kein schöner Politik-Muttertag für Hannelore Kraft (SPD). Von den Landeskindern gab es zu wenige Rosen in Form von Wählerstimmen. So eröffnete Will die Runde mit einem „Ei, ei, ei, was für ein Wahlabend“. Immerhin war Kraft kurz vorher ob der Niederlage von allen Parteiämtern zurückgetreten. Dafür gab es von allen Seiten viel Respekt. Natürlich von Schwesig, die sie als „starke Frontfrau“ bezeichnete. Aber auch von Bouffier und Trittin. Wobei der Unionspolitiker zugleich nachschob, Parteifreund Armin Laschet habe den Sieg verdient, für Rot-Grün sei die Wahl „ein Desaster“.
Kern der Diskussion
„Wirklich?“, fragte Will. Sie wollte Bouffier drauf stoßen, dass das Wahlergebnis wohl nicht viele Koalitionen offen lasse und Laschet im Direktwahlvergleich „immer gegen Kraft“ verloren, nicht mal den eigenen Wahlkreis geholt habe. Das dürfe man nicht überbewerten, warf Bouffier augenrollend ein.
Schwesig betonte, der Fokus auf landespolitische Themen sei richtig gewesen. Die Union habe aber aus Bildungspolitik und innerer Sicherheit einen „Wutbürgerwahlkampf“ gemacht. Bouffier konterte, das seien die Themen der Menschen gewesen. Kubicki war da schnell auf hundertachtzig. Die Union habe „massiv Wahlkampf gegen uns“ gemacht so der Liberale. „Seid Ihr jetzt beleidigt?“, scherzte Bouffier, musste aber erkennen, dass es mit Schwarz-Gelb in NRW nicht einfach würde, ginge es nach Kubicki. Zu groß ist der aktuelle Rückenwind für die Liberalen.
Aufreger des Abends
Ganz schnell wurde klar: Der Wahlkampf um den Bundestag ist eröffnet. Bouffier wollte den Patzer mit Kubicki ausbügeln, ging dafür Schwesig an. „Was will Schulz?“, fragte er. Die roch die Finte, tätschelte seinen Arm und meinte: „Machen Sie sich einmal ehrlich.“ Schulz sei „in den letzten drei Monaten konkreter“ gewesen, als „Merkel in 12 Jahren“.
In der Familienpolitik „sind Sie ganz schön blank“, schoss sie nach. Bouffier konterte mit der Frage, wie Schulz seine Pläne bezahlen, mit wem er koalieren wolle. Rot-Rot-Grün? Seine Parteichefin stehe für Kontinuität. Das wollten die Menschen. Schwesig reagierte: Bouffier sei einer, „der sich selbstzufrieden hinsetzt“.
Zwischen den Stühlen saß di Lorenzo. Er versuchte die Bälle aufzufangen, die Will ihm zuwarf. Etwa als er betonte, Martin Schulz müsse über sein Gerechtigkeitsthema hinaus die politische Mitte besetzen. Innere Sicherheit sei ein Thema, das die Menschen beschäftige. Das dürfe man nicht den Rändern links und rechts überlassen. Was tat Trittin? Die Rot-Grüne Investition in Polizeiausstattung in Berlin loben. „Grüne als Vorreiter der Polizeibewegung? Ist mir neu“, unkte Kubicki. So ging das mit jedem Thema. Keine Diskussion oder gar Selbstreflexion. Immer nur Loben der eigenen Position und mit dem Finger auf den anderen zeigen. Das war schnell langweilig.
Höhepunkt des Abends
Zum Glück sorgte Kubicki wenigstens für ein paar Lacher. Etwa als di Lorenzo mutmaßte, Schwarz-Gelb in NRW käme der SPD nicht ungelegen, weil sie so im Bundestagswahlkampf die „Rückkehr zu neoliberaler Kälte“ zum Thema machen könnte. „Ach Gott! Ist es Ihnen jetzt kalt?“, fragte der Liberale. Oder als er Trittins etwas abstrus anmutenden Gedanken über die Koalitionsdynamik zwischen Gelb und Grün in Schleswig-Holstein abkanzelte: „Sie wollen mir eine Brücke bauen? Ich brauche Ihre Brücke nicht.“ „Dieser Trittin ist für mich unerträglich“, sagte er.
Will-Moment
Die Moderatorin konnte einem leidtun. Versuchte sie zu Beginn noch, das Rudel mit provokanten Einwürfen in die richtige Richtung zu lenken, musste sie sich bald die Sinnlosigkeit dieses Plans eingestehen. Zu sehr ging es durcheinander. Also sagte Will etwas von „kleine Ordnung wieder reinbringen“ oder „die große Linie suchen.“ Half nichts. Charmeoffensive? „Ich krieg wieder Ärger mit meiner Mutter, die sagt, sie hätte nix verstanden“, versuchte sie es verschmitzt. Half noch weniger.
Was schade war
So blieb einiges offen. Um NRW ging es schnell nicht mehr. Einen thematischen Ausblick auf die Bundestagswahl gab die Runde nicht. Zu sehr ging es allein um machtpolitische Optionen, um den Versuch der Alpha-Tiere, einen untergeordneten Omega-Wolf auszumachen, der nach einer Wahl für das Koalitions-Rudel die Reste wegräumt.
Nur kann jedes Rudel pro Geschlecht nur ein Alpha-Tier haben. Wer das bei Trittin, Kubicki oder Bouffier hätte sein sollen, erschloss sich dem Zuschauer nicht. Schwesig tat so, als ging ihr diese Diskussion tierisch auf die Nerven. „Wo ist der Mensch?“, geißelte sie das Diskussionsgehabe der männlichen Anwesenden. Nur besser machte sie es auch nicht, beließ es beim Aufzählen vermeintlicher sozialdemokratischer Erfolge in der großen Koalition.
Will hätte besser dran getan, vier di Lorenzos verschiedener Couleur einzuladen, die – zivilisiert – diskutierten. Da hätte sich der Zuschauer vielleicht eine Meinung bilden können. Hat sie aber nicht. So konnte sie dieses Mal wirklich froh sein, zu den Tagesthemen abzugeben. Die Runde polterte derweil einfacher weiter.