Bundestagswahl Letzte Ausfahrt Schwarz-Rot

Die Sondierungen kann man sich diesmal eigentlich sparen und direkt in Verhandlungen einsteigen. Für die Union gibt es nur einen Weg zu einer stabilen Regierung. Aber der könnte steinig werden.
Es scheint für Friedrich Merz nun doch alles viel einfacher zu werden als befürchtet. Komplizierte Sondierungsgespräche mit unterschiedlichen Parteien über Dreierkoalitionen bleiben dem Wahlsieger von der Union erspart. Es geht auch mit einem Partner: der SPD. Und eine Alternative gibt es nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat. Ein Selbstläufer werden die Verhandlungen trotzdem nicht. Es gibt ein paar hohe Hürden, aber am Ende muss es trotzdem irgendwie gehen.
Denn angesichts des steilen Aufstiegs der AfD reicht es diesmal nicht, einfach nur gut zu regieren. Für die Parteien der demokratischen Mitte geht es in den nächsten Jahren darum, den Aufstieg von als teilweise extremistisch eingestuften Parteien wie der AfD zu stoppen und so zu verhindern, dass die Demokratie kippt. "Dies ist tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie", sagte CSU-Chef Markus Söder heute über das Regierungsbündnis, das einst große Koalition genannt wurde.
Erste Hürde: Zerstörtes Vertrauen
Der Wahlkampf hat Wunden geschlagen, die geheilt werden müssen. Die SPD warf Merz Wort- und Tabubruch wegen einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag vor. Der CDU-Chef wetterte zuletzt scharf gegen "linke Spinner" und handelte sich dafür den Vorwurf der SPD ein, wie ein "Mini-Trump" aufzutreten. Merz hat aber auch immer wieder betont: Nach der Wahl am 23. Februar folge der 24. Februar. Alle demokratischen Parteien müssten dann gesprächsfähig sein.
Das ist die SPD auch. Parteichef Lars Klingbeil machte heute aber deutlich, dass es keinen Automatismus einer Regierungsbeteiligung gebe: "Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest."
Klingbeil will sich nun trotz der desaströsen Wahlniederlage zum Fraktionschef im Bundestag wählen lassen und die SPD in die Koalitionsverhandlungen führen. Ob das mit Merz gut funktioniert, wird man sehen. Klingbeil ist der Union bisher vor allem mit scharfen Wahlkampfattacken auf Merz unangenehm aufgefallen.
Zweite Hürde: Inhaltliche Differenzen
Der größte Knackpunkt wird die Migrationspolitik sein. Merz hatte im Wahlkampf angekündigt, mit seiner Richtlinienkompetenz als Kanzler am ersten Tag das Bundesinnenministerium anzuweisen, alle Versuche illegaler Einreise an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. Die SPD hält das für nicht vereinbar mit europäischem Recht. Mit seiner Richtlinienkompetenz würde Merz bei der SPD auch nicht durchkommen: Damit würde er einen Koalitionsbruch provozieren, bevor die Regierung so richtig losgelegt hat.
Die Union will zudem mehrere Projekte der geplatzten Ampel wie die Cannabis-Legalisierung und das reformierte Bürgergeld rückgängig machen. Auch in der Steuerpolitik prallen die Vorstellungen Union und SPD ungebremst aufeinander. Die Union setzt sich für milliardenschwere, breite Steuerentlastungen für Unternehmen ein. Die SPD will einen "Made in Germany"-Bonus, mit dem der Staat Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen soll.
Auch in der Ukraine-Politik gibt es Differenzen: von der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern bis zur Finanzierung neuer Milliardenhilfen. Und neue Herausforderungen könnten bald auf die Regierung zukommen - zum Beispiel die Frage, ob Friedenstruppen in die Ukraine geschickt werden sollen.
Dritte Hürde: Personelle Aufstellung und Ressortverteilung
Die ist das geringste Problem. Bei einer inhaltlichen Einigung entscheiden die Parteien selbst, wen sie ins Kabinett schicken. Allenfalls bei der Verteilung der Ressorts könnte es Rangeleien geben. So hätte die CSU Interesse am Verteidigungsminister, in dem sich Boris Pistorius (SPD) - in den Umfragen der mit Abstand beliebteste Politiker Deutschlands - festgesetzt hat.
Vierte Hürde: Mitsprache der SPD-Basis
Am Ende gibt es noch eine hohe Hürde auf der Seite der SPD: die Mitglieder. Sie sollen am Ende über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in einer Abstimmung entscheiden. Das zögert die Regierungsbildung hinaus und kann auch schiefgehen. Bei den bisherigen Mitgliederentscheidungen über Schwarz-Rot ging es aber gut. 2013 und 2018 gab es eine Mehrheit.
Die einzige Alternative ist keine
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es auch diesmal gut geht. Denn die einzige Alternative zur schwarz-roten Koalition heißt Alternative für Deutschland - eine Koalition zwischen Union und AfD. Das wollen sowohl Union als auch SPD nicht. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte dann nach monatelanger Hängepartie wieder zu einer Neuwahl führen. Und das will eigentlich auch keiner, nachdem Deutschland schon jetzt fast vier Monate einer nur noch bedingt handlungsfähige Minderheitsregierung hat.
- Nachrichtenagentur dpa