BSW und FDP signalisieren Ablehnung Mehrheit für Merz-Anträge zu Migration auf der Kippe
Unionskanzlerkandidat Merz will mehr Härte in der Migrationspolitik. Doch die Mehrheit für Vorschläge seiner Fraktion im Bundestag ist ungewiss.
Im Streit über eine verschärfte Migrationspolitik wackelt eine Bundestagsmehrheit für die Anträge der Union – trotz der angekündigten Zustimmung der AfD. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will nun doch nur noch einen Teil der Vorschläge mittragen. Damit könnte viel am Votum mehrerer fraktionsloser Abgeordneter hängen.
Seitdem ein ausreisepflichtiger Afghane mit möglicherweise psychischer Beeinträchtigung vergangenen Mittwoch ein Kleinkind und einen Mann erstochen hat, dreht sich der Bundestagswahlkampf vor allem um das Thema Migration. Der Tat ging eine Reihe anderer Angriffe voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen. Daraufhin kündigte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) Pläne für härtere Migrationsregeln an. "Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich", betonte der Fraktionschef von CDU/CSU.
Abstimmungen am Mittwoch und Freitag
Am Mittwoch soll der Bundestag über zwei Unionsanträge abstimmen, in denen unter anderem eine direkte Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen und dauerhafte Grenzkontrollen gefordert werden. SPD, Grüne und Linke wollen nicht zustimmen. Die Union bräuchte deshalb neben den Stimmen der FDP, die den Vorstoß teilweise unterstützt, die Stimmen der AfD und weiterer Abgeordneter.
Da das BSW entgegen früherer Äußerungen Sahra Wagenknechts nur einem Teil der Pläne zustimmen will, hängt eine Mehrheit nun möglicherweise an den Stimmen von neun fraktionslosen Abgeordneten, von denen früher sieben der AfD-Fraktion angehörten. Die Rechnung setzt voraus, dass die Fraktionen entsprechend ihrer relativen Stärke vertreten sind und geschlossen abstimmen. Normalerweise sind nicht alle 733 Abgeordneten bei jeder Plenarsitzung dabei.
BSW hält Überwachung aller Grenzen für unmöglich
Wagenknecht sprach von einer massiven Ausweitung der Rechte des Verfassungsschutzes, die mit den Unionsanträgen verbunden sei. Zudem sei die Überwachung aller deutschen Grenzen gar nicht möglich, ebenso wenig wie die Inhaftierung von 50.000 Menschen, die abgeschoben werden sollten.
Wagenknecht beklagte, dass Merz nicht auf das BSW zugegangen sei – "dass er gar nicht versucht hat, ins Gespräch zu kommen, so als wären wir irgendwie das beliebig manövrierbare Stimmvieh". Die in den Anträgen formulierten Forderungen seien "zu einem erheblichen Teil Symbolpolitik" sowie ein "Ausnutzen der Situation, um hier in Deutschland massive Grundrechtseinschränkungen durchzusetzen".
Dem sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion möchte das BSW laut Wagenknecht zustimmen – zur Abstimmung soll dieses aber erst am Freitag stehen. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Die Bundespolizei soll, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" durchführen dürfen.
Auch FDP siganlisiert Ablehnung
Auch die FDP-Fraktion will den Vorschlägen der Union nur teilweise zustimmen. Aus Fraktionskreisen wurde der Deutschen Presse-Agentur nach einer Sitzung erklärt, bei einer Abstimmung über den Antrag für einen "Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit" werde dieser von den Liberalen abgelehnt. Die FDP wolle eine Ausschussüberweisung.
"Eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse auf unbescholtene Bürger wird es mit uns nicht geben. Die Täter waren den Behörden bereits bekannt", schrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr dazu mit Blick auf mehrere tödliche Angriffe von Zuwanderern in den vergangenen Monaten.
Die Fraktion beschloss nach dpa-Informationen, dem von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorgestellten Fünf-Punkte-Plan für eine Wende in der Migrationspolitik zuzustimmen. Sie will am Freitag auch für das "Gesetz zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland" votieren.
SPD und Grüne: Merz nicht kanzlerfähig
SPD und Grüne warnten erneut vor den Plänen und zweifelten Merz' Fähigkeit zur Kanzlerschaft an. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Friedrich Merz hat aus meiner Sicht bislang in dieser Woche gezeigt, was dafür spricht, dass er nicht Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird." SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte über Merz: "Er hat die AFD regelrecht eingeladen, bei Überlegungen, die weder europarechtskonform noch verfassungsrechtlich möglich sind, die Hand zu heben."
Merz verteidigte die geplanten Abstimmungen über härtere Migrationsregeln im Bundestag. "Die Zeit für Gespräche, für Arbeitskreise und für Diskussionsgruppen ist jetzt vorbei. Das ist jetzt die Zeit für Entscheidungen", sagte der Fraktionschef. Er wisse "dabei die ganz große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland in dieser Frage hinter uns, hinter mir und hinter der Union".
Die AfD ist im Boot
Die Union habe den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am Wochenende die entsprechenden Anträge zur Verfügung gestellt, "der AfD natürlich nicht", wie Merz betonte. "Mit denen diskutieren wir über solche Themen nicht." Die FDP habe mitgeteilt, dass sie sich den Anträgen anschließen werde, die Grünen hätten der Union heute eine Absage erteilt. "Von der SPD gibt es keine Antwort. Keine Antwort ist auch eine Antwort", sagte er.
Die AfD-Bundestagsfraktion beschloss bei einer Fraktionssitzung, den geplanten Vorhaben der Union zustimmen – trotz darin enthaltener AfD-kritischer Passagen. Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla sagte, man werde "auf solche Scharmützel nicht hereinfallen" und trotzdem zustimmen. Er begründete das mit den Inhalten der Anträge. Das seien Forderungen, die die AfD seit Jahren stelle. Die Zustimmung der AfD gilt auch für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz.
- Nachrichtenagentur dpa