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Pressestimmen zum Pistorius-Verzicht: "Hat nicht das Nervenkostüm"


Pressestimmen zum SPD-Entscheid
"Pistorius hat nicht das Nervenkostüm eines Kanzlers"

Von t-online, jaf

22.11.2024 - 15:09 UhrLesedauer: 3 Min.
Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsminister Boris PistoriusVergrößern des Bildes
Boris Pistorius (l.) und Olaf Scholz (beide SPD): "Wer das nicht kann, der kommt nicht nach ganz oben und bleibt auch nicht da." (Quelle: Christian Charisius/dpa/dpa-bilder)

War es ein Fehler oder die einzig logische Entscheidung? Deutsche Medien werten Boris Pistorius' Verzicht auf die SPD-Kanzlerkandidatur sehr unterschiedlich.

Nachdem Boris Pistorius erklärt hat, nicht für eine SPD-Kanzlerkandidatur zur Verfügung zu stehen, sind die Reaktionen gemischt. Auch die deutschen Medien bewerten den Schritt unterschiedlich.

"Die Zeit" resümiert: "Der Falsche zieht zurück". Es bleibe von außen "schwer begreiflich, dass eine strauchelnde Partei den beliebtesten Politiker des Landes zur Seite drängt, um mit dem unbeliebtesten Bundeskanzler aller Zeiten in den Wahlkampf zu ziehen". Die Parteispitze habe beim Umgang mit der K-Frage den Eindruck erweckt, sie plane bereits mit der Wahlniederlage und den Posten, die aus dieser Position heraus verteilt werden können.

Für die "Süddeutsche Zeitung" ist Pistorius' Schritt hingegen folgerichtig: "Durch sein vielsagendes Schweigen hat Pistorius lange Zeit Hoffnungen genährt und damit die Krise angefacht." Mit seiner Haltung habe er Scholz faktisch herausgefordert. "Dass dies weder diesem noch ihm noch der SPD nutzen konnte, hat er am Donnerstagabend eingesehen."

"Entscheidung folgerichtig – und überfällig"

Ähnlich kommentiert die "Welt": "Angesichts der vertrackten Lage, in die sich die SPD selbst gebracht hat, ist Pistorius' Entscheidung folgerichtig – und überfällig", schreibt die Zeitung. "Denn seine Kandidatur hätte innerhalb der Partei und auch für ihn selbst mutmaßlich mehr Schaden angerichtet als nahende Rettung gebracht, die sich manche Sozialdemokraten bereits erträumten." Auf Scholz zu setzen, widerspreche "zwar jedwedem Kalkül, jedweder politischen Vernunft, sofern man noch voraussetzen darf, dass die SPD wirklich ein Interesse daran hat, die Wahl zu gewinnen". Dennoch bleibe der SPD keine andere Möglichkeit.

Für die "Bild"-Zeitung ist die Entscheidung auch auf Scholz' Verhalten zurückzuführen: "Das kann Olaf Scholz, das muss man ihm lassen: Debatten ersticken, indem er selbst nichts tut! Einfach nur da sein und nicht gehen." Das Aussitzen und Ersticken gehöre zum Machthandwerk dazu. "Wer das nicht kann, der kommt nicht nach ganz oben und bleibt auch nicht da."

"Pistorius hat nicht das Nervenkostüm eines Kanzlers"

Der "Spiegel" glaubt, Pistorius hätte "als Kandidat seine Schwächen gehabt". Er verstehe etwas von Sicherheitspolitik und kenne sich als ehemaliger Landesinnenminister mit den Themen Migration und innere Sicherheit aus, "hätte sich aber als Kanzlerkandidat zur Rente äußern müssen, zum Solidaritätszuschlag, zur Energiewende, zur Pflegeversicherung, zum Breitbandausbau im ländlichen Raum".

Das Magazin schlussfolgert: "Pistorius hat nicht das Nervenkostüm des Kanzlers, sondern wirkt in Krisensituationen reizbar, fahrig – und ein Bundestagswahlkampf ist im Grunde nichts anderes als eine endlose Abfolge von Krisensituationen. Das wäre interessant geworden." Er wäre alles andere als ein optimaler Kandidat gewesen, dennoch heißt es, er sei noch immer besser als Scholz gewesen," weil er nicht der Chef dieser gnadenlos gescheiterten Regierung war und im Gegensatz zum Kanzler verständlich formulieren, emotional mitreißen kann".

Die "taz" sieht den Verteidigungsminister als Gewinner der vergangenen Stunden. "Einzig und allein Pistorius geht aus dieser Debatte wohl noch beliebter als zuvor, obwohl man sich schon fragen kann, weshalb er seinen Verzicht nicht früher erklärte. Doch nun hat er der Partei einen Ehrendienst erwiesen und sich gleichzeitig an die Seite von Scholz gestellt. Das hilft." Die Diskussion der vergangenen Tage beschädige aber auch Olaf Scholz. "Denn er geht als der Kanzlerkandidat ins Rennen, dem die Partei nur bedingt vertraut. Das zeigt sich an Äußerungen von Orts- und Kreisverbänden und von Bundestagsabgeordneten. Das zeigt sich aber auch am Zögern der Parteispitze."

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