Präambel in Thüringen und Brandenburg So haben sich BSW, SPD und CDU bei der Ukraine geeinigt
Das Dauerstreitthema Ukraine wurde zumindest bei den Sondierungsgesprächen in Thüringen und Brandenburg gelöst. Doch ein Kompromiss kommt bei Wagenknecht nicht gut an.
Es war bereits vor Beginn der Sondierungsgespräche klar, dass eine Regierungsbildung in Thüringen, Sachsen und Brandenburg schwierig werden dürfte. Das lag insbesondere an der Position des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zum Krieg in der Ukraine. In Thüringen und Brandenburg haben sich die Verhandlungspartner nun auf eine Position zum Thema geeinigt. Parteichefin Wagenknecht ist aber unzufrieden.
Grund für die Komplikationen waren vor allem die Forderungen des BSW etwa nach diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Beendigung des Ukraine-Kriegs und einem Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Die Wagenknecht-Partei machte von Anfang an deutlich, dass sie Koalitionen auf Länderebene an diese Bedingungen knüpft und mögliche Koalitionsverträge entsprechende Formulierungen enthalten müssen.
In Thüringen und Brandenburg einigte man sich nun auf Formulierungen, die zwar ein Bekenntnis zu Verhandlungen betonen, aber keine explizite Absage etwa an Militärhilfe für die Ukraine enthalten.
Einigung in Brandenburg: "Sehen Stationierung kritisch"
In Brandenburg haben die Verhandlungspartner einen gemeinsamen Entwurf einer Präambel für den möglichen Koalitionsvertrag erarbeitet. Darin heißt es nun: "Wir sehen vor diesem Hintergrund die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch." Brandenburg sei durch Artikel 2 Absatz 1 seiner Verfassung dem Frieden verpflichtet. Dazu gehöre, aktiv zur Sicherung des Friedens beizutragen. In dem Sondierungspapier heißt es auch: "Dieses politische Ziel besteht losgelöst von der Zuständigkeit des Bundes für die Außen- und Verteidigungspolitik."
Zur Ukraine heißt es: "Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet und damit das Risiko besteht, dass auch Deutschland in eine sich immer schneller drehende Kriegsspirale hineingezogen wird. Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können."
Thüringen vermeidet Position zu US-Raketen
Die Einigung in Thüringen geht in eine ähnliche Richtung, weicht aber teilweise von der Brandenburger Einigung ab. "Als künftige Regierung des Freistaats Thüringen eint uns der Wille zum Frieden in Europa", heißt es nun in dem am Montag präsentierten Entwurf für eine Präambel eines möglichen Koalitionsvertrages. Zudem machen die Parteien deutlich, dass "im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung" alle diplomatischen Initiativen unterstützt würden, "den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg zu beenden".
Zur geplanten Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland heißt es, "dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen." Dazu ergänzten die Verhandlungspartner: "Die künftige Regierung des Freistaates Thüringen fördert eine breit angelegte Debatte und verleiht auch dieser Haltung im Sinne eines nachhaltigen Einsatzes für Frieden eine öffentliche Stimme."
Die Parteien machen in dem Papier zugleich unterschiedliche Positionen klar. "CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik", heißt es dort und weiter: "Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs."
Kritik von Wagenknecht: "Ist ein Fehler"
BSW-Gründerin und -Parteichefin Sahra Wagenknecht zeigte sich mit der Brandenburger Lösung zufrieden, nicht aber mit der Einigung in Thüringen. Denn während in dem Brandenburger Papier eine kritische Haltung der möglichen Regierung betont wird, wird diese Haltung in Thüringen lediglich "vielen Menschen" zugesprochen, nicht aber den Parteien.
"Wenn CDU und SPD den Eindruck bekommen, dass das Thüringer BSW sich elementare Positionen wegverhandeln lässt, macht das gute Koalitionsverhandlungen nicht leichter", sagte Wagenknecht dem "Spiegel". "Die Präambel, auf die sich die Verhandler von CDU, SPD und BSW in Thüringen geeinigt haben, bleibt in der wichtigen Frage von Krieg und Frieden leider deutlich hinter dem in Brandenburg gefundenen guten Kompromiss zurück", sagte sie weiter. Es sei "ein Fehler", dass sich die Verhandler in Thüringen nicht an diesem Kompromiss orientiert hätten.
Uneinigkeit herrscht dagegen bei den Sozialdemokraten. "Die Brandenburger SPD vertritt keine abweichenden Positionen, sondern unterstützt die Linie, die Deutschland sicher und verantwortungsvoll aufstellt", sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Kritik übte SPD-Außenpolitiker Michael Roth: "Das Brandenburger Sondierungspapier stellt in mehrfacher Hinsicht einen Bruch mit der Politik des Bundeskanzlers und der SPD dar", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der "Süddeutschen Zeitung".
Noch keine Einigung in Sachsen
Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hatte es in allen drei Bundesländern Gespräche zwischen CDU und SPD mit dem BSW zur Bildung einer Landesregierung gegeben. Nur mit dem BSW können Koalitionen ohne die AfD gebildet werden, mit der keine Partei regieren will. In Brandenburg hätten SPD und BSW zusammen eine Mehrheit.
In Thüringen hatten sich die drei Parteien vor den Verhandlungen um den Friedenspassus bereits auf ein Sondierungspapier geeinigt, dem auch die Parteivorstände schon zugestimmt haben. Nach Angaben der Parteispitzen verliefen die Gespräche, bei denen es um alle Politikfelder von Finanzen über Wirtschaft und Bildung bis Migration ging, vertrauensvoll und ernsthaft. Verabredet wurde eine Reihe gemeinsamer Projekte, vom Einstieg in kostenloses Schulessen bis zur Verabredung, die Schuldenbremse einzuhalten.
In Sachsen gibt es derweil noch keine gemeinsame Postion zu dem Thema. Dort verständigten sich CDU, BSW und SPD am Montag auf eine Fortsetzung der Sondierungen. Die SPD hatte die Gespräche am Freitag unterbrochen, nachdem zahlreiche BSW-Abgeordnete im Landtag für einen Antrag der AfD zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Coronapandemie gestimmt hatten. Am Montag teilten die drei Parteien mit, "Missverständnisse im Umgang miteinander" seien ausgeräumt worden.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP