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"Markus Lanz" zum Flüchtlingskonflikt: "Wir können noch mehr Leute aufnehmen"


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"Markus Lanz" zum Flüchtlingskonflikt
"Wir können noch mehr Leute aufnehmen"

Eine TV-Kritik von Christian Bartels

Aktualisiert am 28.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Bundespolizei-Kontrollen an der Grenze zu Polen (Symbolbild): Bei Lanz ging es auch um den Flüchtlingskonflikt der EU mit Belarus und Polen.Vergrößern des Bildes
Bundespolizei-Kontrollen an der Grenze zu Polen (Symbolbild): Bei Lanz ging es auch um den Flüchtlingskonflikt der EU mit Belarus und Polen. (Quelle: Jörg Carstensen/dpa)
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Bei "Markus Lanz" ging es bemerkenswert hoch her zwischen einer engagierten jungen Grünen, dem Talkmaster und einem Alt-Liberalen. Da rückte selbst die auch nicht unbrisante Frage nach der Flüchtlingspolitik der EU geradezu in den Hintergrund.

Am späten Mittwochabend hatte sich Markus Lanz ein für seine Show ungewöhnliches, teilweise außenpolitisches Thema vorgenommen: Migrationspolitik und die Art, in der sie derzeit an den Außengrenzen der EU praktiziert wird.

Mit dem österreichischen Soziologen Gerald Knaus, der als Erfinder des aus unterschiedlichen Richtungen scharf kritisierten, doch seit Jahren wirksamen EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei gilt, hatte er einen passenden Gesprächspartner eingeladen. Dass die Sendung sich zunehmend zu einem Schlagabtausch zwischen der Grünen Cansin Köktürk sowie Lanz und dem FDP-Veteran Gerhart Baum entwickeln würde, war wohl nicht vorgesehen.

Die Gäste:

  • Gerhart Baum, Politiker (FDP)
  • Cansin Köktürk, Sozialarbeiterin und Grünen-Mitglied
  • Gerald Knaus, Soziologe und Migrationsforscher
  • Kerstin Münstermann, Journalistin

Am Anfang ging es um teils durch Stacheldraht, teils aus der Luft gefilmte Aufnahmen der polnischen und kroatischen EU-Außengrenzen. "Was sind das für Polizisten?", fragte Baum. Das konnte weder klar erkannt, noch gesagt werden. Deutlich wurde jedenfalls, dass es an den Grenzen brutal zugeht. Das sei eine "Schande für Europa" und sein Wertesystem, sagte Baum. Seinen Informationen zufolge würde Polen außer irakischen und syrischen Geflüchteten auch belarussische Oppositionelle am Grenzübertritt hindern.

Diese Gewalt europäischer Grenzschützer werde im belarussischen Fernsehen gezeigt und vom Lukaschenko-Regime gegen die EU verwendet, sagte Knaus. Und in Polen gelte seit dieser Woche ein Gesetz, das völkerrechtswidrig "Pushbacks", also die Zurückweisung von schon im Land befindlichen Geflüchteten, legalisiert.

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An der kroatischen Grenze werde ähnlich verfahren, weil Kroatien glaube, so in den Schengen-Raum aufgenommen zu werden. Daher müsse die Ampelkoalition in ihren Koalitionsvertrag schreiben, dass Länder, die an ihren Grenzen EU-Recht nicht einhalten, dem Schengen-Raum nicht beitreten können, lautete sein Ratschlag. Außerdem riet Knaus zu weiteren Flüchtlingsabkommen mit Nicht-EU-Mitgliedern nach dem Muster des Vertrags mit der türkischen Erdogan-Regierung, der auf EU-Seite vor allem von (der von Knaus beratenen) Bundeskanzlerin Merkel forciert wurde.

Georgien und Ukraine sowie die proeuropäische Regierung in Moldau/Moldawien seien potenzielle Partner. "Solange wir nicht andere überzeugen, dass es möglich ist, die Grenzen unter Kontrolle zu haben, ohne dabei Menschenrechte zu brechen", würden deutsche Debatten nichts bewegen.

Kerstin Münstermann, die das Berliner Büro der "Rheinischen Post" leitet, weiß allerdings von einer "gewissen Ratlosigkeit" in der EU bei diesen Themen, auch bei Kanzlerin Merkel. Die EU sei sich "innen nicht einig", und die Probleme mit ihren östlichen Mitgliedsstaaten wie Polen würden noch zunehmen, glaubt die Journalistin. Moderator Lanz warf ein, dass in Frankreich inzwischen ganz anders über Migration als hierzulande diskutiert und sogar die Idee erwogen werde, gar keine Migration mehr zuzulassen.

Grünen-Rebellin Köktürk sorgt für Stimmung

"Wir können noch mehr Leute aufnehmen", meinte hingegen Cansin Köktürk. Die Bochumer Sozialarbeiterin erregte kürzlich beim kleinen Parteitag der Grünen mit einer Rede Aufsehen, in der sie die Sondierungsergebnisse scharf kritisierte. Auf Lanz' Einwurf, dass Deutschland ja durchaus viele Geflüchtete aufnimmt, entgegnete sie: "Es geht nicht darum, dass wir Menschenleben an Zahlen festmachen." Sie komme aus einem "Beruf, wo man handelt und nicht rumlabert", sagte sie.

Durch Köktürk ("Politik muss ermöglichen, dass es den Menschen gut geht und ihnen Ängste nehmen") verlagerte sich die Diskussion auf allgemein Sozialpolitisches. "Wenn wir wirklich die Randgruppen in die Mitte holen wollen, müssen die Sanktionen aufhören", argumentierte die gebürtige Hattingerin gegen die noch geltenden Hartz-IV-Gesetze und für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Münstermanns Bemerkung, dass ja schon das Versprechen der Ampelkoalition, das Rentenniveau stabil zu halten, kaum zu finanzieren sei, konterte Köktürk "ganz simpel" mit: "Wir machen eine Umverteilung" – nämlich durch Vermögenssteuer und Steuererhöhungen. Das wollte Lanz nicht so stehen lassen: "Paternalistisch, fast übergriffig, von oben herab" den Menschen mehr Geld zu geben, löse doch keine Probleme. Ihre Worte würden "total verdreht", entgegnete Köktürk, "aber das ist hier wohl die Sendung". Was Lanz natürlich erst recht nicht so stehen lassen wollte.

"Skandal, dass die meisten Erstwähler FDP gewählt haben"

So entspann sich eine wortreiche, scharfe Auseinandersetzung vor allem zwischen ihm, unterstützt vom wohlmeinenden Baum, und seinem Gast aus dem Ruhrgebiet. Köktürk agierte so wortgewandt wie emotional, warf allerdings auch mit kaum aussagekräftigen Sätzen à la "Das kann man sicherlich mit ganz vielen Studien belegen" um sich. Ihre provokanteste Bemerkung "Es ist ein Skandal, dass die meisten Erstwähler die FDP gewählt haben", korrigierte sie später dahin, dass sie das "verdutzt" und "erschrocken" habe.

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Knaus kam mit seinen weitreichenden und nicht in knackige Sätze zu packenden Ideen ebenso wenig noch vor wie der zeitweise zu spürende Elefant im Raum: die Fragen, ob die EU flüchtlingspolitisch überhaupt handlungsfähig ist und ob dann deutsche Ideen mehrheitsfähig wären.

Fazit: Das war eine engagierte, mitunter aufgeregte Diskussion auf äußerst unterschiedlichen Ebenen, die vieles ausblendete und streckenweise skurril verlief, aber immerhin spannend blieb und augenfällig machte, wie weit manche Positionen auseinander liegen – auch innerhalb von Parteien, die die nächste Bundesregierung bilden wollen.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 27. Oktober 2021
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