"Bremsklotz der deutschen Wirtschaft" Koalition ringt um Strategie für ausländische Fachkräfte
Im März tritt ein neues Gesetz in Kraft, dass ausländische Fachkräfte nach Deutschland locken soll. Jetzt diskutiert die Regierung darüber, wie man es am besten anwendet – dabei will sie auch Bedenken in der Bevölkerung abbauen.
Deutschland braucht Fachkräfte – und muss diese künftig verstärkt auch aus dem Ausland anwerben. Um den deutschen Arbeitsmarkt auf der Welt attraktiver zu machen, treffen sich die Spitzen der Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften zu einem Gipfel in Berlin. Dort sollen die Weichen gestellt werden, um bereits im kommenden Jahr ausländische Fachkräfte gezielter anzuwerben.
Kanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister hoben am Wochenende die Bedeutung des Treffens hervor: "Ohne ausreichend Fachkräfte kann ein Wirtschaftsstandort nicht erfolgreich sein", warnte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft.
Grundlage für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Anfang März in Kraft tritt. Im Kanzleramt wird nun darüber diskutieren, wie das Gesetz am besten in die Praxis umgesetzt werden kann.
Es sei es notwendig, "dass wir uns um ausreichend Fachkräfte bemühen", sagte Merkel. "Denn sonst müssen Unternehmen abwandern – und das wollen wir natürlich nicht." Nach den Worten Merkels setzt die Fachkräftestrategie der Bundesregierung neben dem Ausschöpfen des heimisches Potenzials durch eine "gute Ausbildung für möglichst alle Menschen" und Fachkräften aus der EU auch auf Menschen von außerhalb der Europäischen Union.
"Nun heißt es, die Menschen auf der Welt zu finden, die bereit sind, zu uns nach Deutschland zu kommen", sagte Merkel. Ein Thema des Gipfels wird die Frage nach Schwerpunktländern etwa für die Suche nach Pflegekräften sein.
Spahn pocht auf klare Kriterien – Altmaier hat Länder im Blick
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) pochte auf klare Kriterien bei der Zuwanderung von ausländischen Fachkräften. Es werde im Ausland Hilfe gesucht, "die zu uns passt: motiviert, gut qualifiziert und bereit, unsere Werte zu leben", sagte Spahn den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Das sei "genau die Zuwanderung, die wir wollen".
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte bereits konkrete Schwerpunktländer für die Anwerbung von Arbeitskräften. "Wir werden Pilotprojekte mit einigen Ländern starten, hierunter sind Brasilien, Indien und Vietnam", sagte Altmaier dem "Tagesspiegel". Man müsse sich um die Länder kümmern, "wo es sehr viele junge Menschen gibt, wo die Ausbildung, der Ausbildungsstand sehr hoch ist und wo die Bereitschaft und das Interesse an einer Berufstätigkeit in Deutschland vorhanden sind".
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte in der "Augsburger Allgemeinen", die deutsche Wirtschaft müsse eine Anwerbestrategie entwickeln und der Staat bürokratische Hürden beseitigen. Zugleich verteidigte er das Gesetz gegen mögliche Bedenken in der Bevölkerung: "Es geht nicht um ungesteuerte Zuwanderung, sondern um qualifizierte Leute, die wir hier brauchen, damit unser Land auch in Zukunft wirtschaftlich stark bleiben kann."
Der Digitalverband Bitkom sprach sich für ein offensiveres Werben "um die besten Köpfe auf der ganzen Welt" aus. Das Fachkräfteproblem sei "der Bremsklotz der deutschen Wirtschaft", erklärte Verbandspräsident Achim Berg. "Hunderttausende Stellen können nicht besetzt werden - darunter allein 124.000 lukrative IT-Jobs in allen Branchen." Der Verband schlug vor, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nachzubessern.
- Nachrichtenagentur AFP