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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tweets zum Staatsbankett Böhmermann verwirrt mit angeblichem Erdogan-Treffen
Jan Böhmermann beim Staatsbankett Seite an Seite mit dem türkischen Präsidenten Erdogan? Der Satiriker hat eine Einladung des Bundespäsidenten gepostet, doch es steckt etwas anderes dahinter.
Jan Böhmermann hat in einem politischen brisanten Thema einmal mehr Verwirrung gestiftet: Der Satiriker und Moderator verbreitete passend zum Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine Einladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Erdogan wird am Freitag vom Bundespräsidenten empfangen.
Böhmermann, der mit seinem satirischen Erdogan-Gedicht fast zum türkischen Staatsfeind aufgestiegen ist, erweckt den Eindruck, dass er bei dem Essen dabei ist. Das wäre aus Erdogans Sicht eine enorme Brüskierung. "Noch einmal schlafen", schrieb Böhmermann zu der Einladung. Er nutzte auch den Hashtag "#freethemall" ("Lasst sie alle frei"), der in der Regel als Forderung zur Freilassung inhaftierter Journalisten in der Türkei genutzt wird.
Am frühen Nachmittag legte der Satiriker mit einem weiteren Tweet nach. Er postete ein Foto seiner möglichen Abendgarderobe. Dazu benutzte er den Hashtag "#staatsbankett". In Antworten darauf zeigen viele Nutzer eine diebische Freude angesichts eines solchen Zusammentreffens.
Böhmermann ist beim "Forum Bellevue"
Der Satiriker wird allerdings beim feierlichen Abendessen mit Erdogan nicht teilnehmen, teilte das Bundespräsidialamt auf Anfrage von t-online.de mit: "Herr Böhmermann ist nicht zum Staatsbankett eingeladen." Böhmermann habe eine Einladung für eine Diskussionsveranstaltung am 4. Oktober, dem "Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie". Rund 150 Gäste sind dort eingeladen, Thema ist "Risse und Ressentiments – Über die Fragmentierung und Emotionalisierung von Politik und Gesellschaft".
Böhmermann löste das Thema schließlich selbst auf, in dem er einen Screenshot dieses t-online-Artikels mit dem Smiley eines gebrochenen Herzens postete:
Unter den Gästen beim Empfang für Erdogan wird allerdings Cem Özdemir sein, ein energischer Kritiker des Kurses der türkischen Regierung unter Erdogan. Özdemir hatte dem "Tagesspiegel" gesagt, er wolle das als Signal verstanden wissen. "Er muss mich, der für die Kritik an seiner autoritären Politik steht, sehen und aushalten." Andere Oppositionspolitiker wie FDP- Chef Christian Lindner haben aus Protest gegen Erdogans Politik ihre Teilnahme abgesagt.
Gästeliste beim Erdogan-Bankett bleibt geheim
Wer überhaupt kommt, ist nicht bekannt. Das Bundespräsidialamt wollte auf Anfrage die Gästeliste nicht offen legen. "Namen und Organisationen, die zum Staatsbankett eingeladen sind, nennen wir grundsätzlich nicht." Der Gästekreis solle "ein breites Spektrum unseres öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens spiegeln (...): Politik, Wirtschaft, Kultur, Religionsgemeinschaften".
Die Gästeliste variiert von Staatsgast zu Staatsgast erheblich, weil "insbesondere Institutionen und Organisationen vertreten sein [sollen], die die Beziehungen mit dem Land des Staatsgastes mitgestalten". Eingeladen werden dem Bundespräsidialamt zufolge auch Personen, die als "Brückenbauer" zwischen den Ländern gelten können.
Bundespräsidialamt: Auch Kritiker eingeladen
Mit dem Staatsbankett sollen Gespräche "auch zu schwierigen Punkten des bilateralen Verhältnisses" ermöglicht werden. Entsprechend seien auch Gäste eingeladen, "die sich sehr kritisch mit der Regierungspolitik der Türkei und der Lage der Menschenrechte in der Türkei auseinandersetzen". Böhmermann allerdings nicht.
Zu der juristischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Präsidenten war es in Folge einer Aufzeichnung seiner Show "Neo Magazin Royal" im Spartensender ZDF-Neo gekommen. Böhmermann trug im März 2016 ein Gedicht mit dem Titel "Schmähgedicht" vor. Darin beleidigte er den türkischen Präsidenten. Böhmermann wollte nach eigenen Angaben mit dem Beitrag erläutern, dass diese Form der herabwürdigenden Polemik in Deutschland als Schmähkritik verboten ist.
Böhmermann darf Gedicht nicht wiederholen
Erdogan und die türkische Regierung erstatteten Anzeige gegen den Showmaster. Dabei wollte sie den umstritten Strafrechtsparagraphen 103 nutzen, in dem die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe gestellt ist. Auch Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich in die Diskussion ein, als die die Aussagen Böhmermanns als "bewusst verletzend" bezeichnete.
Später bezeichnete Merkel ihre Worte als Fehler. Zahlreiche Politiker und Juristen forderten, den Paragraphen 103 abzuschaffen. Dies gelang. Seit Januar dieses Jahres gibt es den Passus im deutschen Strafrecht nicht mehr.
Das Strafverfahren gegen Böhmermann wurde von der Staatsanwaltschaft Mainz 2016 eingestellt. In einem zivilrechtlichen Verfahren wurde Böhmermann das erneute Vortragen von Teilen des Gedichtes allerdings verboten. Böhmermann ging in Berufung. Das Oberlandesgericht in Hamburg bestätigte Anfang 2018 allerdings die Entscheidungen der ersten Instanz.
Anm. d. Red.: Dieser Text wurde aktualisiert, nachdem Jan Böhmermann per Tweet den Screenshot des Artikels verbreitete.
- Eigene Recherchen