Sexismus in der Politik "Ich kenne nichts Vergleichbares bei Männern"
Zwei Ministerinnen beklagen mangelnde Fortschritte bei Frauenrechten. Dies gelte auch für die höchsten Kreise der deutschen Politik und Wirtschaft.
Die neue SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat in ihrer politischen Karriere immer wieder Erfahrungen mit Sexismus gemacht. "Eine typische Sexismus-Erfahrung ist, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Ich habe in meinem Leben unglaublich oft gehört: Die kann das nicht. Oder: Sie ist noch nicht so weit", sagte Nahles der "Bild am Sonntag". Auch ihre Parteikollegin Katarina Barley beklagt mangelnde Fortschritte bei dem Thema.
Bei Frauen werde sogar noch die Qualifikation angezweifelt, wenn sie bereits sehr erfolgreich im Leben stünden, sagte Nahles. Sie kenne "nichts Vergleichbares bei Männern". Bei Frauen stehe auch viel zu oft das Aussehen im Vordergrund. "Angenehm ist das nicht, aber ich habe da ein dickes Fell, sonst könnte ich den Job nicht machen."
"Da müssen wir Frauen besser werden"
In der Politik beobachtet die neue Fraktionschefin der Sozialdemokraten nach wie vor, dass Männer eine Art Kartell bildeten. "Immer, wenn ich es in ein Gremium geschafft hatte, stellte ich fest: Es gibt noch ein höheres, informelles Gremium, in dem die Männer die Entscheidungen unter sich treffen."
Mit einer Frau an der Spitze der Fraktion sei dieses Muster nun durchbrochen. Frauen rät Nahles, sich besser zu vernetzen: "Das beherrschen Männer hervorragend. Bei ihnen funktionieren die 'Lobe-Kartelle': Wenn einer von ihnen etwas tut, preisen ihn die anderen sozusagen automatisch. Da müssen wir Frauen besser werden." Nahles kündigte an, Führungspositionen in der SPD-Fraktion gleichberechtigt mit Männern und Frauen besetzen zu wollen.
"Das Projekt der Frauenförderung ist noch lange nicht abgeschlossen, nur weil es jetzt eine Fraktionsvorsitzende gibt", sagte sie. Im Vergleich zu ihren männlichen Vorgängern seien ihr Teamarbeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. "Als alleinerziehende Mutter weiß ich, wie schwer das ist." Nahles ist Mutter einer sechsjährigen Tochter.
Barley beklagt mangelnden Fortschritt
Auch Familienministerin Katarina Barley hat sich zur aktuellen Sexismus-Debatte geäußert. "Sexismus ist Alltag, in der einen Branche mehr als in der anderen. Deshalb ist die Debatte, die durch #MeToo ausgelöst wurde, immens wichtig", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Andererseits finde sie es auch frustrierend, "weil wir das Thema Sexismus immer wieder diskutieren und sich nicht viel ändert."
Unter dem Hashtag #MeToo berichten Frauen in aller Welt seit Tagen in den sozialen Medien über Erfahrungen mit Chauvinismus, Sexismus und sexualisierter Gewalt. Barley forderte härtere Gesetze: "Was körperliche Übergriffe angeht, wie Hand aufs Knie legen, sollten wir juristisch schärfer werden", sagte sie. Außerdem beklagte sie, dass ein von der SPD geplantes Gesetz gegen sexistische Werbung keine Mehrheit gefunden habe.
Die Ministerin betonte, bei Sexismus gehe es nicht ums Flirten, sondern immer um Macht. Daher müsse sich das "Machtgefälle zwischen den Geschlechtern" in Deutschland ändern. "Das hat auch etwas mit fehlender Lohngerechtigkeit zu tun, mit dem Frauenanteil in den Parlamenten, mit einem Frauenanteil in Führungspositionen in Unternehmen."