Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Im Angesicht der Gewalt Das rät der Selbstverteidigungstrainer in brenzligen Situationen
Nicht erst seit den Übergriffen von Köln ist klar: Von einer Gruppe Männer umzingelt zu werden, ist für das Opfer der schwierigste und schlimmste Fall von allen. Auch wenn es aussichtslos erscheint, sollten Frauen nichts unversucht lassen und sich wehren. Ein Kampfsporttrainer erklärt, was am ehesten funktioniert.
André Karkalis ist langjähriger Trainer der chinesischen Kampfkunst WingTsun, deren Schwerpunkt die Selbstverteidigung ist. Im Gespräch mit t-online.de gab er sieben Tipps, wie Frauen sich wehren können.
Im konkreten Fall einer Belästigung oder eines Angriffs:
- Nehmen Sie einen sicheren Stand ein.
- Strecken Sie die Arme in Richtung des Angreifers aus, Handflächen nach vorne, Finger breit ausgestreckt.
- Werden Sie richtig laut, schreien Sie den oder die Täter an ("lassen Sie mich durch"), sorgen Sie für Öffentlichkeit.
- Machen Sie sich auf keinen Fall klein.
- Rasten Sie zur Not richtig aus. Perfekt wäre ein gezielter K.O.-Schlag, beispielsweise auf den Hals. Wer das nicht trainiert hat, sollte sich trotzdem wehren: Schreien, trampeln Sie, schlagen Sie um sich.
- Wenn der Angreifer körperlich wird, schlagen Sie mit der flachen Hand (Handballen) zu. Mit der Faust verletzen Sie sich selbst zu schnell.
- Nutzen Sie als letzte Option Alltagsgegenstände wie das Handy oder einen Schlüssel als Waffe.
Zum Glück sind so extreme Situationen wie die in Köln selten. Aber auch abseits davon kann es natürlich gefährlich werden. Deshalb rät Karkalis Frauen grundsätzlich:
- Verlassen Sie sich auf Ihre Intuition. Entscheiden Sie ganz persönlich: Manchmal kann es besser sein, auf eine schlecht beleuchtete Abkürzung zu verzichten oder einfach die Straßenseite zu wechseln, als sich in Gefahr zu begeben.
- Strahlen Sie Stärke aus: Täter suchen sich schwache Opfer
- Schalten Sie Ihr Gefahrenradar ein: Haben Sie das Umfeld akustisch und visuell im Blick. Wer Musik hört und aufs Handy schaut, ist ein leichteres Opfer.
- Wer sich selbst helfen will, muss auf den Vorsatz eines Angreifers vorbereitet sein: Kann ich mich in der Kleidung verteidigen, die ich trage?
- Bei der Kleidung gibt es aber kein Patentrezept, sondern es gilt: Die richtige Kleidung ist die, in der Sie sich stark fühlen.
- Haben Sie keine Angst, zickig zu werden: Seien Sie ruhig unfreundlich, wenn Sie sich unwohl fühlen. Lieber einmal überreagieren, als ein Opfer werden.
- Waffen sind gut gemeint, aber oft nicht hilfreich. Der Angreifer ist stärker als Sie und kann Ihnen die Waffe entreißen.
- Wenn Ihnen ein Pfefferspray in der Tasche Sicherheit gibt, sollten SIe damit umgehen können: Gehen Sie in den Wald und sprühen Sie zur Übung einen Baum an, um Distanzen einschätzen zu lernen.
Als Kampfkunsttrainer weiß Karkalis, dass vor allem ein entsprechendes Training für mehr Sicherheit sorgt. "Ein Wochenendkurs kann nur sensibilisieren – wirkliche körperliche Verteidigung muss gelernt werden", sagt er. "Das ist wie bei einem Englischkurs, man lernt das nicht in zwei Tagen".
André Karkalis ist WingTsun-Trainer der EWTO, einem europäischen Dachverband mit 1000 Selbstverteidigungsschulen. Seit vielen Jahren unterrichtet er Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen und ist Co-Autor des Buches "Verteidige Dich - Selbstverteidigung für Frauen"