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Film "Führer und Verführer": "Deswegen brachte Goebbels die eigenen Kinder um"


Film "Führer und Verführer"
"Deswegen brachte Goebbels die eigenen Kinder um"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 10.07.2024Lesedauer: 10 Min.
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Joseph Goebbels 1934: Der Propagandaminister bewunderte den nationalsozialistischen Diktator.Vergrößern des Bildes
Joseph Goebbels 1934: Der Propagandaminister bewunderte den nationalsozialistischen Diktator. (Quelle: akg-images/dpa)

Adolf Hitler entfachte Weltkrieg und Holocaust, unterstützt von Joseph Goebbels. Wie manipulierte der Oberpropagandist die Wirklichkeit? Und was sollten wir aus der Geschichte lernen? Der Film "Führer und Verführer" geht diesen Fragen nach.

Joseph Goebbels war ein Hetzer und Agitator, als Propagandaminister sollte er die öffentliche Meinung im Sinne des Diktators Adolf Hitler im Nationalsozialismus lenken und manipulieren. Wie stellte Goebbels das an? Wie wirkungsmächtig war die NS-Propaganda? Und welche Lehren sollten wir in unserer Gegenwart angesichts des Aufstiegs ultrarechter und rechtspopulistischer Kräfte aus der Geschichte des Nationalsozialismus ziehen?

"Führer und Verführer" heißt ein neuer Film, der am 11. Juli 2024 in die Kinos kommt – und diese Fragen beantworten will. Im Interview erklären Regisseur Joachim A. Lang und Dramaturgin Sandra Maria Dujmovic, wie sie dabei vorgegangen sind.

t-online: Frau Dujmovic, Herr Lang, für Ihren Film "Führer und Verführer" haben Sie sich intensiv mit zwei der entsetzlichsten Figuren der Geschichte beschäftigt: Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Joachim A. Lang: Hitler, Goebbels und Konsorten sind die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte. So belastend die Beschäftigung mit ihnen ist, so ist sie auch eine Pflicht. Denn die nationalsozialistischen Verbrechen sind für uns unfassbar, aber eben auch Realität. Das können und dürfen wir nicht ignorieren, immer mit dem Ziel, dass nie mehr geschieht, was geschehen ist.

Sandra Maria Dujmovic: Für uns stand von Anfang an fest, dass wir der Wahrheit verpflichtet sind. Viele Überlebende des Holocaust haben an "Führer und Verführer" mitgewirkt. Die Dramaturgie im Film folgt den historischen Entwicklungen, dafür haben wir zahlreiche Fakten und Entwicklungen recherchiert und diese dann dramatisiert, um der Wirklichkeit näher zu kommen.

Sie haben jahrelang an "Führer und Verführer" gearbeitet. Warum wollten Sie diesen Film unbedingt machen?

Lang: Ich bin knapp 15 Jahre nach Kriegsende geboren, im Alter von 13 Jahren habe ich zum ersten Mal das Buch "Der SS-Staat" von Eugen Kogon gelesen …

… die Nationalsozialisten hatten Kogon jahrelang ins Konzentrationslager Buchenwald gesperrt.

Lang: Kogon hatte es selbst erlebt, ja. Nach der Lektüre war ich dann fassungslos, was wenige Jahre zuvor in Deutschland und Europa stattgefunden hatte. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Wie war es möglich, dass die Nationalsozialisten eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter ihre verbrecherischen Ziele in Form von Zweitem Weltkrieg und Holocaust bringen konnten? Diese Fragestellung lässt mich seitdem nicht mehr los.

Dujmovic: Was ich bislang in Spielfilmen über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg gesehen habe, hat mich oft berührt. Trotzdem habe ich dort unsere Frage, warum das alles so geschehen konnte und weshalb Millionen Menschen in diesem System mitgemacht haben, noch nicht beantwortet bekommen. Angesichts der Entwicklungen in unserer Gegenwart ist eine Erklärung aber umso unverzichtbarer. Gerade in der heutigen Zeit, in der Faschismus und Antisemitismus wieder weltweit auf dem Vormarsch sind, ist es notwendiger denn je, einen Film zu machen, der versucht, Erkenntnisse zu bieten.

Joachim A. Lang, Jahrgang 1959, ist Autor, Filmregisseur, Journalist und Professor an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seine Arbeiten, wie "Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm" (2018), erhielten zahlreiche Preise. Mit "Führer und Verführer" kommt am 11. Juli 2024 Langs neuester Film in die Kinos. Sandra Maria Dujmovic, Jahrgang 1966, verantwortet beim Südwestrundfunk (SWR) als Redaktionsleiterin Spielfilmsonderprojekte und Kulturdokumentationen. Dujmovic arbeitet als Dramaturgin seit langer Zeit mit Joachim A. Lang zusammen, so bei "Mackie Messer" und "Führer und Verführer".

Drei Personen sind zentral in "Führer und Verführer": Adolf Hitler und das Ehepaar Joseph und Magda Goebbels. Wie schwierig war die Annäherung?

Lang: Im Fall von Joseph Goebbels war das am einfachsten. Hitlers Propagandaminister war ein Zyniker, ein Opportunist und ein Karrierist, der keinerlei Rücksichten auf Menschen, auch nicht in seiner nächsten Umgebung, nahm, seine Tagebücher geben Aufschluss darüber. Wenn die Geschichte anders verlaufen wäre, hätte er ohne Weiteres einem anderen Regime dienen können. Magda Goebbels hingegen war eine glühende Nationalsozialistin, die insbesondere Hitler zutiefst verehrte. Der Diktator selbst war für mich hingegen am schwersten zu fassen. Dann kam ich über Goebbels auf die richtige Spur.

Wie?

Lang: Goebbels bewunderte seine streng katholische Mutter dafür, dass sie viel mehr glauben könne als er selbst, wie er sich geäußert hat. Das Gleiche schreibt er über Hitler, das faszinierte Goebbels an ihm. Hitler wollte "Lebensraum" im Osten erobern und die Juden ermorden, beide Ziele trieb er gnadenlos voran.

Tatkräftig von der Propaganda Joseph Goebbels' unterstützt.

Dujmovic: So ist es. Damit sind wir wieder in unserer Gegenwart angelangt. Wir müssen uns doch mit den Mechanismen beschäftigen, die in unserer Gesellschaft für Polarisierung und Entgrenzung sorgen. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von der Propaganda früherer dunkler Zeiten, nur die Technik ist effizienter geworden. Desinformation gibt es zuhauf im Internet, heute sagt ein Bild zunächst weniger über die Wirklichkeit aus als jemals zuvor. Stichwort Deepfakes durch Künstliche Intelligenz. Wenn wir die damaligen Verbrecher und ihre Strategien durchschauen, werden wir auch heutigen Menschenfängern die Maske vom Gesicht reißen können. Unser Film weist über das Vergangene hinaus und macht deutlich, wie gefährdet unsere Zivilgesellschaft ist und wie schnell eine Barbarei entstehen kann.

Bleiben wir in der Vergangenheit. Wie hat Goebbels die Bevölkerung im Nationalsozialismus mit seiner Propaganda beeinflusst?

Lang: Er hat versucht, sie mit einer gigantischen Inszenierung zu beeinflussen. Alle offiziellen Dokumente, die wir haben, sind mit dem Ziel entstanden, Goebbels' Bild des Nationalsozialismus als Wirklichkeit auszugeben und die Wahrheit zu verschleiern. Wenn wir in Dokus diese Bilder zeigen, laufen wir Gefahr, uns zum Sklaven dieses Materials zu machen. Ich muss diese Bilder also dekonstruieren und neue Bilder schaffen, um der Wirklichkeit näherzukommen. Wir versuchen, die Wirklichkeit hinter dem Vorhang zu zeigen. Für "Führer und Verführer" haben wir uns bestimmte Schlüsselmomente aus der Geschichte des "Dritten Reiches" herausgegriffen. Wir zeigen, was bisher noch nicht zu sehen war.

"Führer und Verführer" startet am 11. Juli 2024 im Verleih von Wild Bunch Germany bundesweit in den Kinos. Regisseur ist Joachim A. Lang, historischer Berater Thomas Weber.

Haben Sie ein Beispiel?

Lang: Ein Schlüsselmoment ist Goebbels' berüchtigte Sportpalastrede vom 18. Februar 1943 nach der deutschen Niederlage in Stalingrad. Noch heute werden diese Bilder immer wieder als Darstellung der Wirklichkeit gezeigt. Aber es war eine multimediale Inszenierung. Wir zeigen, wie Goebbels die Rede entwirft, vor dem Spiegel einübt, wie er einen kalkulierten Versprecher trainiert. Goebbels überließ nichts dem Zufall, die Sprechchöre aus zuverlässigen Parteigenossen wurden perfekt choreografiert, und die brüllten dann an den richtigen Stellen ihr "Ja".

Dujmovic: Damit war Goebbels aber noch lange nicht fertig …

Lang: Richtig. Zeitungen, Radio und die "Wochenschauen" berichteten lang und breit über die Sportpalastrede. Der gleichgeschalteten Presse hatte Goebbels zuvor den Befehl erteilt, die Rede zu feiern. So zog er alle Register, die ihm damals zur Verfügung standen.

Joseph Goebbels, fulminant verkörpert von Robert Stadlober, spielt die zentrale Rolle in Ihrem Film. Warum?

Lang: Goebbels hat das Bild von Hitler entscheidend gestaltet. Wenn ich nun dieses Bild dekonstruieren will, muss ich seinen Urheber entlarven.

Dujmovic: Wir wollen, dass die Leute sich bewusst machen, wie die Bilder aus dem Nationalsozialismus entstanden sind. Im Film schauen wir Goebbels beim Lügen über die Schulter. Wenn wir bedenken, mit welchen Mitteln Goebbels damals erfolgreich manipulierte, sollten wir in unserer technisierten Gegenwart sehr, sehr vorsichtig und kritisch sein. Wir leben in einer Zeit, in der die Wahrheit stirbt: Deepfakes, Desinformation, Fake News, Manipulation durch kognitive Kriegsführung … Wir möchten zum neuen Sehen anregen.

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Lang: Auch durch seine Tagebücher, die natürlich mit größter Vorsicht und Seite an Seite mit anderen Zeugnissen gelesen werden müssen, können wir die Figur Goebbels verstehen. Es gibt keinen anderen führenden Politiker, der so wie er jeden Tag ausführlich Tagebuch geschrieben hat. Goebbels hat seine Tagebücher später veröffentlichen wollen, damit wollte er sich selbst ein Denkmal für die Ewigkeit errichten. Er war unendlich stolz darauf, die Mehrheit der Deutschen hinter Hitler gebracht zu haben. Deswegen stellen wir ihn im Film immer wieder bloß. Nehmen wir die Sportpalastrede: Goebbels schreibt in sein Tagebuch, dass er für seine "historische Rede" der Presse die Anweisung gibt, sie mit Kritiken als herausragend zu feiern. Dann notiert er am nächsten Tag als großen Erfolg, dass die gesamte Presse seine Rede herausragend findet.

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Goebbels verschaffte sich also gewissermaßen den eigenen Applaus.

Da sieht man, wie er sich selbst übers Ohr haut – und die Deutschen auch. Bei alledem muss man sich immer bewusst machen, dass dies nur geht, wenn die Öffentlichkeit kontrolliert wird: Gleichschaltung der Presse, brutalste Maßnahmen gegen kritische Stimmen und so weiter. Deswegen ist es auch heute so gefährlich, wenn autoritäre Regime die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz und die Menschenrechte einschränken.

Genaugenommen sitzen wir Goebbels' Inszenierung bis heute auf, weil er unser Bild vom "Dritten Reich" immer noch derart von den von ihm geschaffenen Szenen dominiert wird?

Dujmovic: Das ist der entscheidende Punkt, das muss nun ein Ende haben. Wir setzen Goebbels' offiziellen Bildern andere entgegen und entlarven seine Propaganda. Das ist völlig neu, so gab es das noch nicht.

Wie sind Sie vorgegangen?

Lang: Die neuen Bilder, die die propagandistische Wunschwelt Goebbels' dekonstruieren und die Wirklichkeit zeigen sollen, können nur fiktional sein. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir insbesondere mit Robert Stadlober als Joseph Goebbels, Fritz Karl als Adolf Hitler und Franziska Weisz als Magda Goebbels so großartige Schauspieler für den Film gewinnen konnten. Der Historiker Thomas Weber hat uns als Berater mit seiner Expertise ebenfalls sehr geholfen. So gelang es uns, die Täter als das zu zeigen, was sie waren: Menschen aus Fleisch und Blut und zugleich die schlimmsten Mörder der Menschheitsgeschichte.

Holocaust-Überlebende wie Charlotte Knobloch und Margot Friedländer wirkten an "Führer und Verführer" mit. Was sagen diese Zeitzeugen über das Projekt?

Lang: Charlotte Knobloch, die für mich persönlich eine moralische Instanz ist, hat sich überaus positiv geäußert …

Dujmovic: Sie bezeichnet den Film als "Meisterwerk", der nur zehn oder zwanzig Jahre zu spät kommt, Joachim.

Lang: Das stimmt, ebenso äußern sich die anderen Überlebenden, auch Margot Friedländer, mit ihrer Stiftung machen wir in Berlin unsere Premiere, wofür ich sehr dankbar bin. Leon Weintraub sagte auf der Bühne beim Münchner Filmfest, dass er sehr froh über den Film sei, weil er glaubhaft zeige, wie der Weg direkt zu den Gaskammern in Auschwitz führte. Diese Menschen, die das alles selbst erleben mussten, sind für uns die wichtigsten. Aber natürlich freuen wir uns auch über die bisher positive Kritik von Stimmen wie "The Guardian", "Süddeutsche Zeitung", "Welt" oder Nils Minkmar, "Bild" bezeichnet "Führer und Verführer" sogar als wichtigsten Film des Jahres. Es geht uns darum, eine Diskussion anzuregen.

Dujmovic: Das ist für uns eine Auszeichnung, jetzt hoffen wir, dass der Film das Publikum erreicht. Ein sehr positives Zeichen in dieser Hinsicht ist, dass wir gerade beim Münchner Filmfest den Publikumspreis erhalten haben, und das bei diesem so ernsten Thema. Wir müssen den Zuschauerinnen und Zuschauern einiges zumuten.

Manche Szenen des Films vom Holocaust sind tatsächlich schwer auszuhalten.

Lang: Wir mussten die Folgen von dem zeigen, was Hitler, Goebbels und die anderen Nationalsozialisten anrichteten. Es waren scheußliche Grausamkeiten, ohnegleichen in der bisherigen Menschheitsgeschichte.

Dujmovic: Ich erinnere mich noch daran, als wir den fertigen Film mit den Holocaust-Überlebenden geschaut haben. Wir haben am Ende geweint, weil er so viel auslöst. Margot Friedländer, die dabei war, sagte, ja, es sind brutale Szenen – wir heute müssen sie allerdings nur anschauen, aber sie und die anderen haben das damals wirklich erleben müssen.

Lang: Wir zeigen die ganze Niederträchtigkeit des NS-Regimes. Deswegen kommt auch Heinrich Himmlers Rede vor SS-Gruppenführern in Posen 1943 im Film vor. Himmler spricht darin offen über den Holocaust, aber ihm tun nicht die Opfer leid, sondern seine eigenen Leute, die die Juden ermordeten. Das ist das Unfassbare. In manchen Film über den Nationalsozialismus wird eine Art positive Gegenfigur eingeführt, wie etwa Hitlers Sekretärin Traudl Junge. Wir konnten und wollten das nicht.

Stattdessen sprechen die Überlebenden des Holocaust?

Lang: Im obersten Führungszirkel der Nazis gab es nur Verbrecher. Adolf Hitler und Joseph Goebbels, Alfred Speer, Joachim von Ribbentrop – und wie sie alle heißen – waren allesamt Schwerstverbrecher. Deswegen müssen wir im Film auch getrennt vom Fiktionalen mit den Überlebenden sprechen, sie sind die positiven Helden des Films und der Geschichte.

Wie fühlten sich die Schauspieler in Ihrer Haut, als sie Hitler und Goebbels gespielt haben?

Dujmovic: Fritz Karl sagt, dass er 30 Jahre auf ein solches Drehbuch gewartet habe, Franziska Weisz war auch gleich dabei. Robert Stadlober hat das Drehbuch über Nacht gelesen und zwei Tage später zugesagt. Alle drei sind äußerst kluge, politisch denkende Menschen. Zusammen mit uns hatte das Trio den gleichen Anspruch, der sich am besten mit einem Zitat des Holocaust-Überlebenden Primo Levi zusammenfassen lässt: "Es ist geschehen, also kann es wieder geschehen." Das soll unser Film verhindern helfen, wir wollen Spuren in den Köpfen und Herzen hinterlassen.

Lang: Ganz wichtig war für uns die stets klare Trennung zwischen Fiktion und dem historischen Material. Wir können keinen Film gegen Verführung machen und die Zuschauer dann im Ungewissen lassen, was sie gerade sehen. Robert Stadlober imitiert nicht, er interpretiert. Er durchdringt Goebbels und zeigt ihn als verabscheuungswürdige Figur. Er entlarvt die Mechanismen, die auch heutige Demagogen noch benutzen. Das ist wichtig, denn die Menschenfänger sind weiter unter uns. Wir müssen sie und ihre Propaganda dekonstruieren.

Es heißt also, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen?

Dujmovic: Wir können das, was geschieht, nicht mehr distanziert betrachten. Vielleicht schaffen wir es ja, die Demagogen von heute zu entlarven und zu entwaffnen. Das ist die Lehre der Geschichte: Menschen haben diese Verbrechen begangen und Menschen hätten sie verhindern können.

Lang: Wir wollen, dass die Menschen wachsam sind. Hitler hat anfangs anders gesprochen, es war viel die Rede vom Frieden. Schaut also immer genau auch bei heutigen Demagogen hin.

Dujmovic: Das ist auch ein Grund, warum die Holocaust-Überlebenden bei dem Film mitgemacht haben. Wir alle wollen zusammen einen Beitrag leisten, damit so etwas hoffentlich nie wieder geschieht. Die Populisten von heute setzen auf Fremdenfeindlichkeit. Die Parolen und leeren Versprechungen sind immer die gleichen, wir müssen sie als das erkennen, was sie sind: Verführung und Manipulation.

Lang: Wir haben den Kinostart bewusst in den Juli vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland im September gelegt. Vielleicht bringt er einige Meschen ja noch zum Nachdenken, wem sie ihre Stimme geben. Wenn rechtspopulistische Parteien an die Macht kommen, verändern sie das System von innen heraus. Das ist brandgefährlich.

Joseph Goebbels beging am 1. Mai 1945 zusammen mit seiner Frau Magda Suizid, zuvor waren ihre sechs Kinder mit Zyankali umgebracht worden. War es ein letzter fanatischer Akt der Ergebenheit zu Adolf Hitler?

Lang: So brutal es klingt, aber das war der letzte Propagandaakt in Goebbels' Leben. Suizide gab es 1945 viele. Für Goebbels war ein Selbstmord zu wenig, er wollte zeigen, dass er nicht einer unter vielen war. Er wollte die aus seiner Sicht größtmögliche Tat vollbringen, deswegen brachte er die eigenen Kinder um. So wollte er demonstrieren, was angeblich wahre Treue über den Tod hinaus sei, das war an die Nachwelt gerichtet. Es ist unfassbar, aber so dachte er.

Dujmovic: Magda Goebbels war genauso schlimm. Als fanatische Bewunderin Hitlers musste Goebbels sie nicht etwa zum Mord an ihren Kindern drängen.

Lang: Spätestens an dieser Stelle im Film wird Goebbels' Propaganda restlos zerstört. Da gibt es nichts, gar nichts, was zu irgendeiner Form von Nachvollziehbarkeit einlädt. Zwei Menschen, die ihre eigenen Kinder für ihren Fanatismus töten, sind nichts weiter als verabscheuungswürdige Verbrecher.

Frau Dujmovic, Herr Lang, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Sandra Maria Dujmovic und Joachim A. Lang via Videokonferenz
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