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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Generalsekretäre bei "Markus Lanz" Klingbeil und Ziemiak liefern sich eine hitzige Debatte
Sie sind die Strippenzieher des Wahlkampfes und entscheiden darüber, wie "schmutzig" es zwischen Union und SPD noch wird: Paul Ziemiak und Lars Klingbeil. Es dauerte nicht lange, bis es zwischen den beiden laut wurde.
Beim "Gipfeltreffen der Generalsekretäre", wie Markus Lanz es nannte, versuchte der Moderator in der Nacht zum Donnerstag in seiner Sendung einen Blick hinter die Kulissen zu erhaschen.
Die Gäste
- Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär
- Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär
Bevor es dabei ans Eingemachte ging, wollte Lanz von seinen Gästen jedoch erst einmal wissen, wie sie denn persönlich zueinanderstehen. "Duzen sie sich?", fragte Lanz in die Runde. "Ja, und das bleibt auch so", antwortete Klingbeil. Von einer Freundschaft mit Ziemiak zu sprechen, fand er dann jedoch schwierig. Das tue er mit Blick auf Politiker-Kollegen auch generell nur sehr selten. "Ich würde sagen, dass wir einen echten Draht haben", so der SPD-Generalsekretär, fügte dann jedoch hinzu: "Gerade mache ich mir ein bisschen Sorgen!"
Ob es sich dabei bereits um die erste Spitze handele, wollte Lanz wenige Minuten nach Beginn der Sendung amüsiert wissen. Nein, den Satz habe sich Klingbeil vorher wohl aufgeschrieben, um ihn dann zu platzieren, winkte Ziemiak ab.
Doch Klingbeil ließ sich nicht lange Zeit, um zu erläutern, warum er sich denn Sorgen mache: Es sei "wahnsinnig unwürdig" und er empfinde "tiefes Mitleid" angesichts der Tatsache, dass Ziemiak plötzlich mit "anti-europäischen Ressentiments" Wahlkampf mache.
Der CDU-Generalsekretär hatte zuletzt angeprangert, die SPD wolle eine Schulden- und Transferunion in Europa schaffen. In einem Interview mit t-online in der vergangenen Woche sagte Ziemiak unter anderem: "Wer in Rumänien, Bulgarien oder in einem anderen Land der EU arbeitslos ist, für den zahlt dann der arbeitende Elektroingenieur aus Wuppertal oder die Krankenschwester in Chemnitz."
Ziemiak grundsätzlich für eine starke EU
"Ich weiß, das ist nicht er", so Klingbeil über diese Haltung Ziemiaks. Und fügte hinzu: "Ich hoffe, das ist bald vorbei." Der CDU-Generalsekretär ließ sich von diesen Ausführungen seines Kollegen jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Für eine Schuldenunion gebe es keine gesellschaftliche Mehrheit, beharrte Ziemiak. Das Anliegen seiner Partei sei es, das Geld deutscher Steuerzahler zu schützen. Pandemie-bedingte Sonderregelungen bezüglich der Staatsverschuldung sollten deswegen keine "Dauereinrichtung" werden.
Grundsätzlich sei er für die starke Zusammenarbeit der EU: "Weil ich Europa liebe, will ich, dass Europa zusammen bleibt", so Ziemiak. Eine Schuldenunion würde den Zusammenhalt in der EU aus seiner Sicht jedoch schwächen oder gar beschädigen. Klingbeil überzeugte das nicht: "Helmut Kohl war ein großer Europäer und jetzt kommen die und machen hier Komplettrasur", so der SPD-Generalsekretär.
Dann wird das Gespräch hitzig
Sticheleien gingen in der Nacht zum Donnerstag aber nicht nur von einer Seite aus. Als Ziemiak Olaf Scholz "politische Erbschleicherei" vorwarf, wurde es einmal sogar so hitzig, dass Lanz einschreiten musste, weil beide durcheinanderredeten.
"Die SPD hat gesehen, dass die erfolgreiche Politik der Union und natürlich vorneweg Angela Merkels bei den Wählerinnen und Wählern sehr gut ankommt – und dann macht jetzt der Scholz die Raute", so Ziemiak. Natürlich sei das "politische Erbschleicherei". Das ist der "klassische Enkeltrick", sagte der Generalsekretär. Bei Lanz führte diese Wortwahl zu einem Mini-Lachanfall, begleitet von der Feststellung: "Das wird immer bodenloser."
Ziemiak ließ sich davon nicht stoppen. Scholz tue so, als sei er nah an der Politik der Kanzlerin, mache dann jedoch eine "Politik von Saskia Esken und Kevin Kühnert", führte der CDU-Mann aus. Überhaupt werde der linke Flügel der SPD aus seiner Sicht derzeit versteckt gehalten.
Tatsächlich habe ihm der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans einen Auftritt in der Sendung abgesagt, als deutlich wurde, dass es auch um die Linkspartei gehen solle, berichtete Lanz.
Zum Ende reichen sie sich die Hand
Klingbeil wies die Versteck-Vorwürfe ab: Sowohl Esken als auch Kühnert und Walter-Borjans seien regelmäßig in Talkshows zu Gast. Es gebe außerdem eine Geschlossenheit in der SPD, die nach sich ziehe, dass alle Parteimitglieder das gleiche sagten. Auf diese Geschlossenheit sei Ziemiak wohl neidisch.
Auch den Begriff der "Erbschleicherei" ließ der SPD-Mann nicht auf sich sitzen: An diesem störe er sich massiv, weil er seiner Meinung nach das Verständnis der CDU offenbare, dass ihnen das Kanzleramt gehöre.
Bis zur Antwort auf die Frage, wem das Kanzleramt – zumindest für die kommenden vier Jahre – gehört, dauert es nun noch eine gute Woche. Wie lange es dauert, bis Wahlkampf-Wunden heilen, bleibt abzuwarten. Im Lanz-Studio endete die hitzige Diskussion zwischen den Parteien augenscheinlich freundlich: Klingbeil und Ziemiak reichten sich nach dem Gespräch die Hand.
- "Markus Lanz" vom 15. September 2021