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Angela Merkel gesteht Versagen in Afghanistan ein: Ihr Erbe steht auf dem Spiel


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Merkel über Afghanistan
Und jetzt: Selbstverteidigung!

Eine Analyse von Tim Kummert

Aktualisiert am 25.08.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Ich kannte ihn gut": Merkel zeigte sich bei ihrer Regierungserklärung betroffen und erinnerte an einen in Afghanistan getöteten Personenschützer. (Quelle: t-online)
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Im Bundestag spricht die Kanzlerin über den chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Dabei räumt sie zwar Fehler ein doch entschuldigen will sie sich nicht.

Annegret Kramp-Karrenbauer war schon mal vorgeprescht. Am Montag hatte die Verteidigungsministerin über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr bei "Bild" gesagt: "Was immer da vor Ort passiert: Ich halte den Kopf hin." Im Klartext hieß das: Sollte bei der Evakuierung der Ortskräfte in diesen Tagen etwas schieflaufen, dann tritt die Verteidigungsministerin zurück. Damit hatte die gesamte Operation ein Gesicht bekommen. Das Gesicht einer Ministerin, die Verantwortung übernimmt.

Doch der chaotische Truppenabzug aus Afghanistan war gerade daran gescheitert, dass es eine mangelnde Ressortabstimmung zwischen dem Außen-, dem Innen- und dem Verteidigungsministerium gab. Was also ist mit der Chefin der einzelnen Minister, was ist mit Kanzlerin Angela Merkel? Welche Schlüsse zieht sie aus dem Afghanistan-Debakel, wie bewertet sie die Lage?

Diese Fragen standen bei der Regierungserklärung der Kanzlerin am Mittwochmittag im Raum. Vor Merkels Auftritt zitierte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble noch den mittlerweile verstorbenen Kurt Biedenkopf: "Einsicht braucht die Not als Verbündeten", mahnte er.

Ein bisschen Einsicht …

Und Einsicht zeigte Angela Merkel dann, zumindest ein bisschen. Sie erklärte, es sei "bitter", wie das gelaufen sei. Gemeint waren der chaotische Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, die jetzige Lage am Flughafen in Kabul und die tödliche Gefahr, in der die afghanischen Ortskräfte jetzt schweben. Merkel wurde dabei auch kurz persönlich, sie sprach über einen Beamten des Bundeskriminalamtes, der in ihrem Personenschutzkommando gearbeitet hatte. Er verstarb 2007 in Afghanistan bei einem Terroranschlag.

Doch dann schaltete Merkel in den Modus der Verteidigung. Sie erläuterte, dass man sich bei der Evakuierung der Ortskräfte in einem "Dilemma" befunden habe. Zwar hätte man eine frühere Evakuierung dieser Helfer als "vorausschauend" bewerten können, doch hätte man dann die in Afghanistan verbliebenen Menschen im Stich gelassen.

Ihre Rede hielt die Kanzlerin unter den Augen mehrerer Soldaten der Bundeswehr. In ihren grauen Uniformen saßen sie auf der Tribüne im Reichstag und hörten sich an, wie Merkel das Debakel mit den Helfern der Soldaten zu erklären versuchte.

… und viel Selbstverteidigung

Und Merkels Verteidigung reichte noch weiter. Anschließend versuchte die Kanzlerin zu erläutern, warum die Taliban das Land so schnell übernehmen konnten: "Wir alle haben die Geschwindigkeit dieser Entwicklung unterschätzt, das gilt auch für Deutschland." Doch die Bundesrepublik sei "keinen Sonderweg gegangen", man habe gemeinsam mit den Verbündeten gehandelt.

Praktisch jeden ihrer Sätze las Merkel vom Blatt ab, die Worte waren sorgfältig gewählt. Der Tenor ihrer Verteilung lautete: Ja, da lief einiges schief, doch wir haben getan, was wir konnten. Und die anderen wussten es auch nicht besser. Am Mittwoch wurde klar: Angela Merkel will nicht über grobe Fehler sprechen, sie möchte sich auch nicht für den missglückten Rückzug der Truppen entschuldigen.

Verantwortliche sitzen nicht im Kanzleramt – glaubt man im Kanzleramt

Das liegt zum einen daran, dass sie sich nicht die Krise ihrer Minister zu eigen machen will. Die warnenden Worte über das Vorrücken der Taliban in den letzten Wochen verhallten im Berliner Regierungsviertel, irgendwo zwischen Außen- und Verteidigungsministerium. Zu dem Zeitpunkt war das Kanzleramt noch gar nicht in die Operation eingebunden. Aus Sicht der Regierungschefin dürften damit die Verantwortlichen für das Debakel klar sein.

Zum anderen will Merkel die deutsche Strategie auch nicht zu sehr geißeln, weil ihr außenpolitisches Erbe auf dem Spiel steht. In wenigen Monaten wird eine neue Bundesregierung gebildet, die aktuelle außenpolitische Krise in Afghanistan dürfte die letzte diesen Ausmaßes für Merkel sein. Wenn sie jetzt zu scharf mit sich selbst ins Gericht geht, würde das ihr Image als internationale Krisenlöserin massiv beschädigen.

Wie geht es weiter? Wahr ist, dass Merkel jetzt nicht allein handeln kann. Noch am Vorabend musste sie die Entscheidung des US-Präsidenten vom virtuellen G7-Gipfel verkünden: Es bleibt beim geplanten Abzug der US-Amerikaner, auch die deutschen Evakuierungsflüge enden damit möglicherweise am Freitag und Samstag. Doch über das mittlerweile vor Ort angerichtete Chaos fand Merkel kaum Worte der Kritik.

Stattdessen gab Merkel in ihrer Rede als Ausblick: "Die Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan." Mit den radikalen Islamisten müsse man schon deshalb reden, um den Fortschritt der vergangen Jahre nicht zu gefährden. Zudem will die Bundesregierung 500 Millionen Euro an humanitärer Hilfe bereitstellen.

Aus der FDP kam nach der Rede der Kanzlerin trotzdem Kritik. Der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Marco Buschmann, sagte der "Tagesschau": "Ich hätte mir auch ein Signal der Reue gewünscht." Die Opposition im Bundestag hat bereits einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Handelns der Bundesregierung gefordert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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