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Sondierungsgespräche: Die SPD hat keinen Grund zu feiern


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Sondierungsverlierer SPD
Gerupfte Hühnchen

MeinungEin Kommentar von Florian Harms

Aktualisiert am 14.01.2018Lesedauer: 4 Min.
SPD-Chef Martin Schulz: Seine Partei konnte sich in den Sondierungen mit der Union bei wichtigen Themen nicht durchsetzen.Vergrößern des Bildes
SPD-Chef Martin Schulz: Seine Partei konnte sich in den Sondierungen mit der Union bei wichtigen Themen nicht durchsetzen. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die SPD feiert das Ergebnis der Sondierungsgespräche mit der Union. Dabei hat sie gar keinen Grund dazu. Die Genossen haben sich über den Tisch ziehen lassen.

Politik ist die Kunst des Möglichen, so beschrieb Willy Brandt den Regierungsstil Bismarcks, und man tritt der SPD sicher nicht zu nahe, wenn man ihr Handeln in diversen Bundes- und Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte als den Versuch beschreibt, idealistische Ziele mit der grauen Realität zu vereinen. Aber was die sozialdemokratischen Spitzenpolitiker in den Sondierungsverhandlungen mit der Union angestellt haben, hat mit Kunst nichts zu tun. Martin Schulz und seine Leute haben sich über den Tisch ziehen lassen. In einem Maße, das auch durch das Kräfteverhältnis – die Union erhielt bei der Bundestagswahl 33 Prozent der Stimmen, die SPD 20,5 Prozent – kaum zu rechtfertigen ist.

Dieses Ergebnis ist allenfalls so zu erklären: Angela Merkel, Horst Seehofer, Volker Kauder und Alexander Dobrindt sind die besseren, zäheren, smarteren Verhandler als Martin Schulz und Andrea Nahles. Die Schwarzen haben sich klar gegen die Roten durchgesetzt. Deshalb wird Angela Merkel, sollte es tatsächlich zur Neuauflage der Großen Koalition kommen, genug Zeit haben, ihre Ära in aller Ruhe ausplätschern zu lassen. Ein bisschen Regieren hier, ein bisschen Aussitzen da, vor allem aber: niemandem wehtun, und bitte keine großen Reformen.

Ergebnis steht im Gegensatz zu den SPD-Parolen

Die SPD will dabei mitmachen. Das Ergebnis der langen Nacht von Berlin steht in krassem Gegensatz zu den lauthals vorgetragenen Parolen, mit denen die Genossen in die Sondierung aufgebrochen sind, und mit denen sie nun ihre angeblichen Erfolge in Fernsehkameras und Tweets trompeten. Sie sind als Gockel in die Sondierung hineinmarschiert, und sie sind als gerupfte Hühnchen herausgekommen. Um das zu erkennen, muss man einen Blick auf die Kernanliegen der SPD werfen:

  • Steuererhöhungen für Reiche: sind vom Tisch. Stattdessen wird der Solidaritätszuschlag schrittweise gesenkt (was richtig ist, er hat in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen seine Legitimation verwirkt).
  • Ende der Zweiklassenmedizin und Aufbau einer Bürgerversicherung: abgeräumt (die Wiederherstellung der Parität bei den Krankenkassenbeiträgen ist für Arbeitnehmer nett, aber gemessen an den ursprünglichen Forderungen der SPD eher kosmetisch).
  • Blockade der Obergrenze für Flüchtlinge und Wiedereinführung eines weitgehenden Familiennachzugs: von der Union abgelehnt, hier haben sich Seehofer und Co. fast vollständig durchgesetzt.
  • Verbot der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen: wird nichts (zum Glück, sie hätte die freie Wirtschaft massiv beeinträchtigt).
  • Wechselnde Mehrheiten statt Kabinettsdisziplin: als Hirngespinst entlarvt und ebenfalls abgeräumt. Kommt es zur Großen Koalition, wird die SPD in allen Fragen brav mit der Union stimmen müssen.

Andere Punkte wie mehr Geld für die Pflege oder eine bessere Vermittlung von Langzeitarbeitslosen kann sich die SPD kaum als ihren speziellen Erfolg auf die Fahnen schreiben. Das hatte von links bis rechts so ziemlich jede Partei und jeder Politiker im Wahlkampf gefordert.

Was bleibt?

Was bleibt als Erfolg für die verunsicherte Basis, wofür können sich die Genossen in Ortsvereinen und auf Marktplätzen feiern lassen? Nun, sie könnten zum Beispiel sagen, dass Familien bei den Kita-Beiträgen entlastet werden sollen. Langjährig Versicherte sollen eine Grundrente erhalten und Arbeitnehmer das Recht auf Rückkehr in Vollzeit bekommen. Ist doch nett.

Genau das ist das Problem: Diese Erfolge sind viel zu klein, als dass die SPD sich damit lange rühmen kann. Und sie sind zu klein, als dass die Spitzengenossen damit rechnen können, das Sondierungsergebnis auf dem Parteitag am übernächsten Wochenende glatt durchzubekommen. Selbst wenn: Nach anschließenden Koalitionsverhandlungen droht auch noch der Mitgliederentscheid. Martin Schulz und seinen Leuten stehen stürmische Wochen bevor, und es ist keinesfalls ausgemacht, dass Schulz sie als Parteivorsitzender übersteht.

Die Hoffnung heißt Europa

Gibt es gar keinen Hoffnungsschimmer? Doch, gibt es: Die SPD-Spitzen, allen voran Sigmar Gabriel, haben in den vergangenen Tagen nicht umsonst im Viertelstundentakt betont, wie wichtig es sei, dem französischen Präsidenten Macron eine kraftvolle Antwort auf seine Initiative zur Stärkung Europas zu geben. Sie dürften geahnt haben, dass sie damit bei Merkel leichter durchkommen als mit grundlegenden Reformen des Steuersystems, der Gesundheits- oder Migrationspolitik.

Dieser Stich könnte punkten. Die Sondierungsbeschlüsse zur Europapolitik sind vielleicht nicht visionär, aber beherzt: mehr Integration, die Eurozone durch einen parlamentarisch kontrollierten Währungsfonds stärken – aber nicht den Fehler machen, die Schulden zu vergemeinschaften. Das ist richtig und es ist klug. Dass es reicht, um die Zustimmung der SPD-Basis für das Gesamtpaket zu bekommen, ist zweifelhaft.

Das Wichtigste zum Abschluss der Sondierungen im Überblick:

- Im Newsblog finden Sie die neuesten Informationen
- Reaktionen: Jetzt beginnt das Buhlen um die Basis der SPD
- Analyse: Daran könnte die Große Koalition noch scheitern
- Das Sondierungspapier: Darauf haben sich Union und SPD geeinigt
- Erklärt: Was die Steuerpläne von Schwarz-Rot bedeuten
- Exklusiv: Wirtschaftweiser lobt Europa-Kurs der Sondierer
- Empörung: SPD-Linke kritisieren Ergebnisse

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