t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikBundestagswahl 2025

Jette Nietzards fragliche Einstellung zur Unschuldsvermutung


Grüne Jugend
Da bleibt einem die Spucke weg

  • Florian Schmidt
MeinungVon Florian Schmidt

23.01.2025 - 11:53 UhrLesedauer: 2 Min.
Jette Nietzard: Die Grüne-Jugend-Vorsitzende musste sich für einen Silvester-Post entschuldigen.Vergrößern des Bildes
Jette Nietzard: Die Grüne-Jugend-Vorsitzende löst immer wieder Empörung aus. (Quelle: IMAGO/FRANK TURETZEK)
News folgen

Die Chefin der Grünen Jugend findet: In ihrer Partei solle die Unschuldsvermutung nicht gelten. Damit verabschiedet sie sich von einem zentralen Grundsatz unserer Rechtsordnung.

Alter schützt vor Torheit nicht, heißt es. Jugend aber auch nicht, möchte man ergänzen. Oder noch präziser: Grüne-Jugend-Chefin-Sein tuts nicht.

Mittwochnachmittag, Berlin-Mitte, die Parteijugend hat zur Pressekonferenz vor dem Parteitag der Grünen am Wochenende geladen. Es geht zunächst um allerlei unterschiedliche Dinge, ums Schuldenmachen und um mehr Klimaschutz, das Übliche eben. Erst ganz zum Schluss ihres Statements schwenken Jette Nietzard und Jakob Blasel auf das Thema der Stunde ein, kommen auf die mutmaßliche Intrige gegen den Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar zu sprechen. Und dabei fallen Sätze, bei denen einem die Spucke wegbleibt.

Die Grünen, sagt Nietzard, seien eine "feministische Partei". Das wiederum heiße: "Wir glauben Betroffenen und wir erwarten auch, dass die Grüne Partei sich vor Betroffene stellt." Und dann sagt sie: "Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht. Aber wir sind eine Organisation und wir sind kein Gericht als Grüne."

Nietzard stellt Unschuldsvermutung infrage

Bitte was?

Sie lesen richtig: Statt den Betrug im Falle Gelbhaar zu kritisieren, stellt Nietzard für die Grünen die Unschuldsvermutung infrage. Sie sagt: Eine zentrale Errungenschaft der Aufklärung für unseren Rechtsstaat, der Kern unserer Rechtsphilosophie, verankert sogar in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, mag zwar vor Gericht gelten – nicht jedoch für ihre Partei.

Das ist, gelinde gesagt, Wahnsinn. Denn im Umkehrschluss folgt aus dieser Logik: In einer feministischen Organisation kann jeder jeden des sexuellen Übergriffs bezichtigen. Und der Bezichtigte gilt so lange als schuldig, bis – wie bei der falschen eidesstattlichen Versicherung im Falle Gelbhaar – bewiesen ist, dass die Vorwürfe Quatsch sind.

Mit dieser Haltung öffnet Nietzard dem Denunziantentum Tür und Tor. Sie nimmt in Kauf, dass aufgrund von Vorverurteilungen, die sich später potenziell als falsch herausstellen, ganze Leben für immer zerstört werden.

Die Grüne Jugend könnte zur Gefahr für Habeck werden

Und sie erweist auch der feministischen Idee keinen Gefallen, konkret: denen, die Übergriffen, sexueller Gewalt oder Sexismus tatsächlich zum Opfer gefallen sind. Denn wo Anschuldigungen ob der fehlenden Unschuldsvermutung zur politischen Waffe werden können, wo falsche Behauptungen – wie mutmaßlich im Falle Gelbhaar – eingesetzt werden, um Menschen gezielt zu schaden, da fallen jene echte Fälle viel weniger auf und ins Gewicht. Schlimmer noch: Da unterstellt die Gegenseite womöglich auch dann, dass die Vorwürfe fingiert sind, wenn sie in Wahrheit stimmen.

Für die parteiinternen Aufklärer ist es dann ein bisschen wie für den Bademeister im Freibad. Wenn aus allen Ecken des Beckens einer "Hilfe!" ruft und sich der Alarm immer wieder als falsch herausstellt, eilt er auch bei jenen, die wirklich in Not sind, nur noch im halben Tempo heran. Verlierer sind dann die, vor die sich die Partei Nietzard zufolge stellen soll: die Betroffenen, von denen es im Falle Gelbhaar nach Aussagen der Parteichefs potenziell noch sieben gibt.

Die Grünen täten gut daran, diesem grotesken Unsinn schnellstmöglich und in aller Deutlichkeit etwas entgegenzusetzen. Sonst wird Nietzard, wie zuletzt schon nach Silvester, zunehmend zur Hypothek für Robert Habeck im Wahlkampf.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



Telekom