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Joe Biden in Berlin: Viel Lob und Dank – und viel Arbeit für Olaf Scholz


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Joe Biden und Olaf Scholz
"Danke, danke, danke"


18.10.2024Lesedauer: 4 Min.
Germany US BidenVergrößern des Bildes
Treffen im Kanzleramt: US-Präsident Joe Biden (l.) und Kanzler Olaf Scholz beim gemeinsamen Pressestatement. (Quelle: Ebrahim Noroozi/ap)

Stars and Stripes im Kanzleramt: US-Präsident Joe Biden ist zum Abschiedsbesuch in Deutschland. Für den Kanzler hat er viel Lob und Dank im Gepäck. Aber auch viel Arbeit.

Joe Biden muss sich den Kopfhörer noch zurechtruckeln, als der Kanzler ansetzt zu reden. Der US-Präsident fummelt sich am Ohr herum, er blickt aufs Rednerpult, dann huscht ein leichtes Lächeln über seine Lippen, während Olaf Scholz ihn zunächst auf Englisch anspricht. Im Hintergrund strahlen neben den Flaggen Deutschlands und der EU auch die rot-weiß-gestreifte Fahne der Vereinigten Staaten.

Ein seltener Anblick. Joe Biden ist das erste Mal als US-Präsident in Berlin. Und doch, das wird auch an diesem Freitag klar, stehen mit ihm und Scholz zwei Männer nebeneinander, die mehr verbindet als die üblichen feuchten Händedrücke, die Staats- und Regierungschefs sonst miteinander austauschen. Obwohl die beiden eine vergleichsweise kurze Zeit parallel regierten, scheint zwischen ihnen das gewachsen zu sein, was Scholz hanseatisch-nüchtern und Biden amerikanisch-pathetisch auch heute wieder betonen: eine echte Freundschaft – die zumindest in der gemeinsamen politischen Arbeit ein Ende findet, wenn Amerika in 20 Tagen über Bidens Nachfolge im Amt abstimmt.

In den Worten, die Biden und Scholz füreinander wählen, schwingt denn auch eine große Portion Abschied mit, ein wenig Schmerz, viel Dank. Und zwischen den Zeilen: eine Art Staffelstabübergabe in politischen unsicheren Zeiten.

"Putin hat sich verrechnet"

Scholz beginnt nach der Begrüßung Bidens "as my friend" ("als mein Freund") zunächst mit einem Rückblick. Die vergangenen drei Jahre der Zusammenarbeit seien "außerordentlich eng" und "sehr vertrauensvoll" gewesen, wofür er ihm sehr dankte: "Thank you, Mister President."

Recht nüchtern beschreibt er anschließend den Auslöser für diese so notwendige enge Abstimmung: der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie das damit auf einmal nicht mehr erlahmte, sondern umso wichtigere westliche Nato-Militärbündnis, an dessen Spitze sich Joe Biden so selbstverständlich setzte wie es manch anderer US-Präsident wohl kaum getan hätte.

"Wir stehen an der Seite der Ukraine, Putin hat sich verrechnet, er kann diesen Krieg nicht gewinnen", sagt Scholz. "Gemeinsam setzen wir uns für eine starke Nato ein, die jeden Quadratzentimeter ihres Bündnisgebietes verteidigt. Darauf kann sich jedes Mitglied unserer Allianz verlassen."

"Die größten Unterstützer der Ukraine"

Biden, der bis hierhin ohne große Regung neben dem Kanzler stand, nickt zum ersten Mal. Ganz so, als signalisiere er Zustimmung. Aber auch so, als nicke er Scholz zu: Ich bin bald weg, wer weiß, was kommt – nun bist du dran.

Dieser Eindruck verstärkt sich während des anschließenden Statements von Biden. Deutschland sei der "engste und wichtigste Verbündete" der Vereinigten Staaten, so der US-Präsident. Unter Scholz' Führung, lobte Biden, habe Deutschland die Zeichen der Zeit erkannt: "Du hast die Weisheit bewiesen, zu erkennen, dass dieser Krieg einen Wendepunkt in der Geschichte markiert."

Biden weiter: "Die USA und Deutschland sind die größten Unterstützer der Ukraine." Das vom Krieg geschundene Land steuere nun auf einen weiteren harten Winter zu. Die Verbündeten müssten daher ihre Anstrengungen und Hilfen dringend aufrechterhalten.

Kein Wort zum "Siegesplan"

Obwohl weder Biden noch Scholz auf den jüngst von Wolodymyr Selenskyj präsentierten "Siegesplan" für die Ukraine eingehen – auch diese Sätze lassen sich nicht allein als bloße Zustandsbeschreibung interpretieren. Sie können auch als Aufforderung des Mannes aus dem Weißen Haus an Scholz verstanden werden: Sieh zu, dass das so bleibt, egal, was passiert. Egal, ob mir meine Vizepräsidentin Kamala Harris nachfolgt oder Donald Trump, so einen Transatlantiker wie mich bekommt ihr so schnell nicht wieder.

Und Biden warnt: Die Gefahr einer Welt des Imperialismus sei groß. Die andauernden Ukraine-Hilfen seien teuer. "Aber verschätzt euch nicht", so Biden weiter: Verglichen damit seien die Kosten einer Welt, in der die großen Staaten die kleineren unterdrückten – "einfach, weil sie es können" – weit größer.

Auch das: ein fast unverhohlener Auftrag an den Kanzler, aber auch eine Botschaft an das eigene amerikanische und an das deutsche Volk, wo die Kriegsmüdigkeit zunimmt. Und um noch deutlicher zu werden, schob er mit Blick auf das Nato-zwei-Prozent-Ziel noch hinterher: "Bitte haltet die Verteidigungsausgaben hoch, es ist sehr wichtig." Jetzt nickte Scholz.

Rückenwind für Scholz

Ungeachtet der mauen Umfragen für Scholz und seiner damit schlechten Aussichten, nächstes Jahr überhaupt noch weiter regieren zu können, scheint das Vertrauen Bidens in den Kanzler, all das zu schaffen, ungebrochen groß zu sein. Oder aber: Er glaubt es nicht, hofft es aber umso mehr und versucht ihm darum, auf seiner Abschiedstournee den Rücken zu stärken.

So oder so, der Dank zum Schluss fällt geradezu überschwänglich aus. "Abschließend, Kanzler: Ich schätze unsere Partnerschaft", sagt Biden. Und weiter: "Thank you, thank you, thank you!" ("Danke, danke, danke!") Er schätze die gemeinsamen Gespräche. "Ich meine es wirklich so: Danke für Deine Freundschaft." Ohne eine enge deutsch-amerikanische Freundschaft gebe es keine Stabilität in Europa – und für diese stehe der Kanzler.

Ob dieser diesem Auftrag und dieser Verantwortung gerecht werden kann, ist offen. Wie sehr er es muss, hängt entscheidend vom Ausgang der US-Wahl am 5. November ab.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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