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Deutschland ignoriert Bergkarabach: Es braucht eine Luftbrücke


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"Wertegeleitete Außenpolitik"
Ein Völkermord? – "Naja"

MeinungVon Tobias Schibilla

22.08.2023Lesedauer: 3 Min.
LKW mit Hilfslieferungen für Bergkarabach: Seit Wochen blockiert Aserbaidschan die einzige Straße von Armenien nach Bergkarabach.Vergrößern des Bildes
Lkw mit Hilfslieferungen für Bergkarabach: Seit Wochen blockiert Aserbaidschan die einzige Straße von Armenien nach Bergkarabach. (Quelle: IMAGO/Alexander Patrin)
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120.000 Menschen drohen in Bergkarabach zu verhungern, denn Aserbaidschan blockiert jede Hilfslieferung in die Region. Doch die Bundesregierung hält sich zurück.

In Bergkarabach droht ein Völkermord. 120.000 Menschen hungern in der Region, die zwar zu Aserbaidschan gehört, aber hauptsächlich von Armeniern bewohnt wird. Die beiden ehemals sowjetischen Länder kämpfen seit Jahrzehnten um die Region Bergkarabach. Im Jahr 2020 eroberte Aserbaidschan Bergkarabach von Armenien.

Nur noch eine Straße verband seit dem Ende des Krieges Armenien und Bergkarabach. Diese Straße, den sogenannten Latschin-Korridor, blockiert Aserbaidschan seit Juni – und damit auch jede Hilfslieferung. Der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, sagt im Interview mit t-online, ein Genozid sei in Bergkarabach bereits im Gange.

Menschen, die vom Hungertod bedroht sind. Schwangere, die wegen Mangelernährung tote Babys zur Welt bringen. Die Bundesregierung muss handeln. Es geht schließlich um Menschenleben, und besonders in derartigen Fällen sollte die Ampel zeigen, dass die von Außenministerin Annalena Baerbock beschworene "wertebasierte Außenpolitik" nicht nur eine Worthülse ist. Doch stattdessen herrscht großes Schweigen. Das ist vor allem eines: unverantwortlich.

Von "besorgt" bis "na ja"

Als die Podcasterin und Autorin Jenny Günther in der Bundespressekonferenz nach der Haltung der Bundesregierung zu Bergkarabach fragte, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes mit, man sei "besorgt".

Auf Nachfrage, wie die Bundesregierung den drohenden Genozid verhindern wolle, antwortete Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit "Na ja". So äußert er sich bevorzugt, wenn er sich mit "Propaganda" konfrontiert sieht, wie Hebestreit der Fragestellerin erklärt. Der Begriff des Völkermords sei an dieser Stelle ein "Kampfbegriff", so der Regierungssprecher.

Aserbaidschan ist wichtig für die Bundesregierung

Ist er das wirklich? Oder will die Bundesregierung im Fall Bergkarabach nur ihren "wichtigsten Wirtschaftspartner im Kaukasus", wie es auf der Website des Auswärtigen Amtes in Bezug auf Aserbaidschan heißt, nicht verärgern? Immerhin gehört Aserbaidschan, das von seinem Präsidenten Ilham Alijew autokratisch regiert wird, zu den zehn wichtigsten Rohöllieferanten Deutschlands.

In Anbetracht der Tatsache, dass mit Öl- und Gaslieferungen aus Russland so bald nicht mehr zu rechnen ist, hält sich die Bundesregierung mit ihrer besorgten, aber untätigen Haltung in Bezug auf den drohenden Völkermord offenbar lieber einen anderen autokratisch regierten Staat als Freund und Öllieferanten.

Leiden müssen die Menschen in Bergkarabach

Schon klar: Deutschland wird energiepolitisch auch weiterhin auf Beziehungen zu Autokratien angewiesen sein. Aber die Bundesregierung darf nicht wegsehen, wenn Völkermorde drohen. Sie darf in diesem Fall schon gar nicht die Beziehungen zum aserbaidschanischen Regime intensivieren. Vor allem dann nicht, wenn man sich selbst mit dem Begriff der wertebasierten Außenpolitik schmücken will.

Leiden müssen darunter die Menschen in Bergkarabach. Die Menschen, die mehrere Stunden für ein Brot anstehen. Die Menschen, die ohne jedweden Zugang zu Medikamenten auskommen müssen. Menschen, die abgeschnitten vom Rest der Welt leben müssen, nur weil sie das Pech haben, keine Rohstoffe zum Tausch für politischen Einfluss anbieten zu können.

Die Bundesregierung sollte ihre Werte hinterfragen

Eventuell hilft Deutschland auch ein Blick in die eigene Geschichte. Als die sowjetische Besatzungsmacht den Zugang zu West-Berlin im Jahr 1948 dicht machte, richteten die Alliierten Frankreich, USA und Großbritannien die Luftbrücke ein, über die sie West-Berlin versorgten.

Vielleicht wäre es an der Zeit, einen solchen Luftkorridor erneut einzurichten und so die Versorgungslage in Bergkarabach zu verbessern, bis eine diplomatische Lösung in greifbarer Nähe liegt. Sonst muss der Erfolg deutscher Außenpolitik in diesem Fall mit einem Ausdruck bewertet werden, der zumindest Regierungssprecher Hebestreit bekannt vorkommen dürfte: na ja.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • X (vormals Twitter), Profil von @JennyGnther
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