"Offensichtlich unterschiedliche Meinung" Baerbock weist Griechenlands Wunsch nach Reparationszahlungen zurück
Annalena Baerbock möchte die Erinnerung an die Gräueltaten der NS-Zeit in Griechenland aufrechterhalten. Eine Forderung nach Zahlungen lehnt sie aber ab.
Bei ihrem Antrittsbesuch in Griechenland hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock der Opfer der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gedacht. Die Forderung Griechenlands nach Entschädigungszahlungen für das erlittene Leid wies sie am Donnerstag in Athen allerdings zurück. "Bei der Frage mit Blick auf Entschädigungszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg sind wir offensichtlich unterschiedlicher Meinung", sagte die Grünen-Politikerin. Deutschland und Griechenland verbinde eine schwierige Geschichte – "eine Täternation und eine Opfernation".
In ihren Gesprächen mit der griechischen Regierung am Freitag wolle sie darüber beraten, "wie wir aus unserer gemeinsamen Geschichte eine gemeinsame Zukunft noch besser bauen können", sagte Baerbock. Die Ministerin besuchte in Athen die Gedenkstätte am Ort der früheren NS-Stadtkommandantur, wo die deutschen Besatzer tausende griechische Widerstandskämpfer und Zivilisten festhielten und folterten. Am Holocaust-Mahnmal legte sie Blumen nieder.
"Vielen Deutschen ist Griechenland als Urlaubsort sehr vertraut, aber zu wenige wissen um das Ausmaß der Schuld, die Deutschland dort im Zweiten Weltkrieg durch die Gräueltaten der NS-Besatzung auf sich geladen hat", erklärte sie. "Die Erinnerung daran wachzuhalten ist mir wichtig."
Keine Rechtsgrundlage für Reparationszahlungen
Baerbock machte zugleich klar, dass sie dem griechischen Wunsch nach Gesprächen über die Zahlung von Reparationen für das Leid der Besatzung im Weltkrieg nicht nachkommen könne. Die neue Bundesregierung sei hier "nicht zu einer neuen Rechtsauffassung gekommen", sagte sie in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der griechischen Zeitung "Ta Nea".
Die griechische Regierung hat die Forderung nach Reparationen offiziell nie aufgegeben. Die Bundesregierung argumentiert seit Jahren, dass es für solche Zahlungen keine Rechtsgrundlage gebe.
Am Freitag sind in Athen Unterredungen der Bundesaußenministerin mit Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Außenminister Nikos Dendias geplant, ehe die Ministerin nach Istanbul weiterreist. Dort ist noch am selben Tag ein Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu vorgesehen.
Baerbock: Streit innerhalb der Nato beilegen
Baerbock rief die Nato-Mitglieder Griechenland und Türkei zum Auftakt ihres Besuchs auf, ihre wachsenden Spannungen im Dialog beizulegen. Sie warnte davor, dass Russland derzeit "mit allen Mitteln" versuche, die Nato zu spalten. Streit innerhalb der Nato spiele dem Kreml in die Hände: "Nie kam es mehr auf den Zusammenhalt zwischen Nato-Verbündeten und europäischen Partnern an als in diesen Zeiten."
Griechenland und die Türkei sind Bündnispartner in der Nato, ihre Beziehungen sind aber schon seit Jahrzehnten von großen Spannungen geprägt, vor allem konkurrierende Gebietsansprüche in der Ägäis sorgen für Streit. Die Türkei hatte zuletzt den Ton gegenüber Griechenland deutlich verschärft, die Regierung in Ankara stellte die griechische Souveränität über mehrere Ägäis-Inseln in Frage und legte ihre Kontakte zur griechischen Regierungsspitze auf Eis.
In ihrem Interview mit der Athener Zeitung "Ta Nea" ließ Baerbock Kritik am Gebaren der türkischen Führung erkennen. "Mitglieder eines gemeinsamen Verteidigungsbündnisses bedrohen einander nicht, sondern akzeptieren und respektieren gegenseitig ihre Souveränität", sagte sie. Sie lobte die griechische Regierung für deren "Signale der Dialogbereitschaft".
Baerbock besuchte am Donnerstag auch das Flüchtlingslager Schisto in der Nähe von Athen, wo sie mit Geflohenen sprach. Im Hafen von Piräus führte sie zudem Gespräche mit Vertretern der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Dabei mahnte sie mehr Solidarität der EU-Staaten mit Griechenland an. Das Land liegt an der EU-Außengrenze, deswegen kommen dort besonders viele Flüchtlinge an.
- Nachrichtenagentur AFP