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Donald Trump und die US-Wahl: Warum Amerika ihm eine zweite Chance gibt


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Einblicke in seinen historischen Sieg
Diese Eigenschaft machte Trump unschlagbar


Aktualisiert am 10.11.2024Lesedauer: 8 Min.
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Donald Trump soll auch der 47. US-Präsident werden: der Wunsch einer Mehrheit der Amerikaner. (Quelle: Evan Vucci/AP/dpa)
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Ausgerechnet im tiefblauen, demokratisch geprägten Washington floss beim Sieg der Republikaner in einer kleinen Kneipe der Champagner. Ein Blick hinter die Kulissen von Trumps Triumph und dem Mythos, der ihn unaufhaltsam machte.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

In der Nacht von Donald Trumps historischem Comeback gab es in Washington einen Ort, an dem bis in den frühen Morgen hinein gefeiert wurde. Im Nordosten der blauen, zutiefst liberal geprägten Hauptstadt Amerikas liegt das "Dirty Water", eine kleine Kneipe auf der H Street im Nordosten, die grellrot erstrahlte. Spätestens als hier der Sender "Fox News" auf den vielen Fernsehschirmen und Leinwänden den Sieg von Trump im entscheidenden Bundesstaat Pennsylvania verkündete, floss der Champagner.

Auf der Dachterrasse des "Dirty Water" stand mitten im Triumph-Jubel Isaac Smith. Auf seinem Kopf eine rote "We love Trump"-Baseballkappe. Zu diesem Zeitpunkt war er längst sicher, dass Trump gewinnen würde. "Er schneidet immer besser ab, als die Umfragen behaupten. Und dieses Mal stand er selbst dort besser da als in jedem bisherigen Rennen", sagte er.

Isaac Smith ist Mitglied der Republikanischen Partei in Washington. Für einen amerikanischen Konservativen, der auf lokaler Ebene politisch etwas erreichen will, führt er darum eigentlich ein Leben im Exil. Die US-Hauptstadt ist seit Langem fest in demokratischer Hand. Auch bei dieser Präsidentschaftswahl gibt es nur einen kleinen Bezirk, ganz in der Nähe des "Dirty Water", den Trump tatsächlich gewonnen hat.

Smith glaubt zu wissen, was Trump bei dieser Wahl so stark wie nie zuvor gemacht hat. So stark, dass er nicht nur mehr Wahlleute, sondern dieses Mal auch absolut mehr Stimmen als Kamala Harris bekommen hat. Nicht nur bei einzelnen Gruppen, wie bei jungen Männern mit lateinamerikanischer Herkunft, konnte Trump bei dieser Wahl kräftig zulegen.

Es gab bei dieser Wahl offenbar etwas, das bei allen Amerikanern verfangen konnte – bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Etwas, das alle Themen überstrahlte. Es klingt ganz einfach: Aber eine große Mehrheit der Amerikaner hatte offensichtlich genug von der aktuellen Regierung und wollte einen Wechsel im Weißen Haus.

Diese relativ simple Tatsache rührte aus einer über Jahre anhaltenden Unzufriedenheit mit US-Präsident Joe Biden. Und Kamala Harris war gewissermaßen mitgefangen. Weder konnte sie als echte Amtsinhaberin ihre eigene Politik rechtfertigen. Im Gegenteil – sie versuchte, sich von Joe Biden zögerlich zu distanzieren. Noch war sie als amtierende Vizepräsidentin die Herausforderin. Obwohl Trump ein abgewählter Präsident war, fiel ihm diese angesichts der schlechten Umfragewerte für Biden und Harris vielversprechende Rolle zu.

Der Wunsch nach Stärke

Im "Dirty Water" beschreibt Isaac Smith, wie gut Trump seiner Meinung nach als Herausforderer bei vielen Menschen so gut angekommen ist. "Trumps Durchhaltevermögen spricht uns Amerikaner an. Vom Moment seiner ersten Kandidatur an hatte er mit massiver Gegenwehr zu kämpfen." Trump habe mit seinem politischen Engagement nicht nur viele Millionen Dollar durch entgangene Geschäfte eingebüßt. Er und seine Familie seien verunglimpft, belästigt und sogar strafrechtlich verfolgt worden.

"Trotzdem hat er nie aufgegeben, nie nachgelassen. Wir Amerikaner bewundern solchen Kampfgeist", sagt Smith. Sein Land stehe dafür, sich nicht unterkriegen zu lassen und niemals zurückzustecken. Trump verkörpert für Menschen wie Smith eine Eigenschaft, die ihn in ihren Augen unschlagbar macht. Eine Art Superheld, die zu dem passt, was in Geschichtsbüchern als "amerikanischer Exzeptionalismus" beschrieben wird – einer Sonderstellung der Vereinigten Staaten gegenüber allen anderen Nationen.

Tatsächlich scheinen sich viele im Land, einen Anführer zu wünschen, jemanden, der Stärke ausstrahlt. Joe Biden und Kamala Harris zeigten beinahe über ihre gesamte gemeinsame Regierungszeit in den Beliebtheitsumfragen historisch schlechte Werte. Für Smith hat dieser öffentliche Eindruck von Schwäche mit Joe Biden mit dem chaotischen Rückzug aus Afghanistan begonnen. "Von diesem Moment an war klar, dass die Amerikaner nach starker Führung geradezu dürsten", sagt er. Die USA seien schließlich ein Land, das sich bei schwierigen Herausforderungen nicht einfach beugt.

Komplexere Details, etwa, dass Trump den Deal mit den Taliban eigentlich ausgehandelt hatte, gerieten angesichts der dramatischen Bilder und der 13 toten US-Soldaten in den Hintergrund. Die ausführende Biden-Regierung wurde dafür verantwortlich gemacht. Und als Kamala Harris in einem TV-Interview gefragt wurde, ob sie etwas anders machen würde als Joe Biden, sagte sie nur: "Da fällt mir eigentlich nichts ein."

Harris' Schlingerkurs statt klarer Attacke

Kamala Harris musste als Trumps Gegenkandidatin vom Beginn ihres kurzen Wahlkampfs an gegen das öffentliche Bild ihrer eigenen Regierung ankämpfen. Und am Ende schaffte sie in dieser Zeit nicht, eine wirklich eigenständige, zukunftsorientierte Vision zu vermitteln. "We're not going back", also "Wir gehen nicht zurück" war ein Substrat, das im Grund nur auf einer Anti-Politik von Trump gedeihen konnte. Eine wirklich eigene, nach vorn gerichtete Idee verband sich damit nicht.

Hinzu kam eine, vielfach sogar offen ausgesprochene Ansicht, Frauen könnten diesen Job schlicht nicht. Sogar Barack Obama versuchte einigermaßen hilflos, einigen jungen schwarzen Männern diesbezüglich ins Gewissen zu reden. Am Ende wählten mehr schwarze Männer und vor allem mehr Latino-Männer als je zuvor Donald Trump. Frauenfeindlichkeit ist im Amerika des 21. Jahrhunderts nicht der Hauptgrund für die Niederlage von Kamala Harris. Aber sie ist nach wie vor Teil der Realität.

Ansprache an die Männer

Als Kandidatin aus Kalifornien hatte es Kamala Harris ohnehin schon schwer in einem Land, das sich in weiten Teilen kulturell von diesem sehr liberalen Bundesstaat unterscheidet. Trotz aller Bemühungen gelang es ihr offensichtlich nicht, die Alltagsprobleme einer Mehrheit der Amerikaner anzusprechen.

Ausgerechnet dem New Yorker Milliardär Donald Trump aber ist genau diese Aufgabe einmal mehr gelungen. Sein bildstarker, vorwiegend über die sozialen Netzwerke verbreiteter PR-Auftritt mit Frittenverkauf beim McDonald's stand dafür nur beispielhaft.

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Wesentlich für Trumps Erfolg scheint eben jene Wahlkampf-Strategie gewesen zu sein, auf gezielte Werbung statt auf einen traditionellen Wahlkampf zu setzen. So sprach er insbesondere junge Männer, Schwarze und Latino-Wähler an, die bislang traditionell eher die Demokraten unterstützten. Ein besonders wirksames Element seiner Kampagne war dabei eine Art maskuliner Über-Rhetorik, die er in Podcast-Auftritten bei reichweitenstarken YouTubern wie Joe Rogan und auch bei Veranstaltungen wie im New Yorker Madison Square Garden verbreitete.

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Bis auf wenige Ausnahmen kam Donald Trump in diesem Wahlkampf wie nie zuvor ohne Interviews bei klassischen Medien aus. Selbst sein von den meisten Experten überwiegend als schwach eingeschätzter Auftritt im TV-Duell gegen Kamala Harris konnte dem Bild des starken Kämpfers und Anführers nichts anhaben. Der Mythos des Donald Trump lebt längst jenseits der klassischen Einschaltquoten und Medien weiter. Er verfängt bei Menschen, die womöglich seit Jahren kein lineares Fernsehen mehr schauen und vielleicht noch nie ein Zeitungsabonnement besessen haben.

Je jünger die Wählerschaft, desto stärker war der Effekt, dass Männer sich für Trump und gegen Harris entschieden. Diesen "Gender-Trend" zeigten statistische Erhebungen bereits lange vor dem Wahltag. Die Demokraten versäumten es, diesen dramatischen Gender-Graben mit überzeugenden Inhalten zumindest ein Stück weit zu schließen.

Der Mythos Trump ist stärker als je zuvor

Donald Trump konnte darüber hinaus gerade deshalb gewinnen, weil er eben nicht mehr im Weißen Haus war. Über fast vier Jahre hinweg konnte er so wieder an seinem Bild arbeiten, das ihn als Außenseiter, als erfolgreichen Geschäftsmann und Milliardär mit erstrebenswertem Lebensstil darstellt, der sich trotzdem selbstlos für seine Landsleute einsetzt.

Trump bleibt für viele Amerikaner einer, der in Washington aufräumen wollte, der aber mangels politischer Erfahrung direkt in die Falle des bei vielen Amerikanern extrem verhassten Behördenapparates tappte. Seine vielen Gerichtsprozesse konnte Trump darum auch einfach als Verschwörung darstellen. Ehemalige, kritische Wegbegleiter wurden auf ähnliche Weise ganz einfach zu Verrätern gemacht.

In der Trump-Kneipe, dem "Dirty Water" in Washington, war am Wahlabend der passende Sound zu diesem Mythos zu hören. Aus den Lautsprechern schallte immer wieder ein Song des Rappers Mac Miller, der vor rund 13 Jahren veröffentlicht wurde. Die Zeilen lauten: "Ich übernehme die Welt, wenn ich auf meinem Donald-Trump-Trip bin. Schau dir all das Geld an! Ist das nicht krass?" Trotz aller Ironie transportiert dieses Lied bis heute die Sehnsucht vieler, einst eine Legende wie Donald Trump zu sein. Da hilft es auch nicht, dass der Sänger Mac Miller Trump später kritisierte. Der Mythos bleibt in der Welt.

Vor diesem Hintergrund verblasste in den USA alles, was Donald Trump unter anderen Umständen auch hätte schaden können. Vereint im Frust und der Unzufriedenheit waren viele Amerikaner gegenüber hohen Preisen und dem als korrupt wahrgenommenen politischen System. In dieser andauernden Stimmung schaffte es Trump nicht trotz, sondern wegen der vielen massiven juristischen Vorwürfe in gleich vier Strafverfahren, sich als Kämpfer gegen das Establishment zu positionieren. Die zwei vereitelten Attentate gegen ihn taten ihr Übriges. Trump war dadurch über fast vier Jahre hinweg mediales Dauerthema, obwohl er politisch gar kein Amt bekleidete.

Gegen das System, jetzt erst recht

Wie sehr sich ein großer Teil der Amerikaner mit Trumps Kampf gegen "das System" identifiziert, spiegelte sich schon früh wider. Im Zuge der vielen Anklagen und nach seiner Verurteilung gelang es ihm, insbesondere das Kleinspendenaufkommen massiv zu steigern. Vor diesem Hintergrund schadeten die dauernden Hinweise von Kamala Harris auf ihre Karriere als Staatsanwältin sogar mehr, als sie ihr nützten.

Auch deswegen vermied es die Demokratin im Laufe ihres Wahlkampfes zunehmend, einen Satz zu wiederholen, den sie anfangs oft sagte: Als frühere Strafverfolgerin kenne sie "Typen wie Donald Trump" und nannte ihn in einer Reihe mit anderen Kriminellen und Straftätern. Bei vielen Amerikanern scheint das Misstrauen gegen das eigene politische System und Justizwesen so tief zu sitzen, dass sie Donald Trump eher glauben, das Opfer zu sein und nicht der Betrüger, Begrabscher und eine Bedrohung für die Demokratie. Stolz tragen seine Fans T-Shirts mit seinem Polizeifoto und dem Schriftzug: "I vote for the felon", also "Ich stimme für den Schwerverbrecher".

Gegen all das kam Kamala Harris mit einem klassischen, traditionell geführten Bodenwahlkampf mit vielen Freiwilligen in den Swing States nicht an. Obwohl ihre Kampagne dafür auch viele Profis anheuerte und sich viele Promis für sie engagierten. Selbst mit dem für viele über die Parteigrenzen hinweg zentralen Thema der Frauenrechte und der Abtreibungsfrage überzeugte sie nicht ausreichend. Zwar konnten damit weibliche und junge Wähler mobilisiert werden. Doch auch hier gelang es Trump, dieses Thema mit einem Zickzackkurs und komplett unterschiedlichen Ansprachen in den verschiedenen Echokammern zu verwässern.

Seine Taktik war am Ende so erfolgreich, dass Trump bei vielen Wählerinnen und Wählern sogar als moderat in der Abtreibungsfrage wahrgenommen wurde. Die Christlich-Konservativen hingegen sehen in ihm bis heute einen wichtigen Erfüllungsgehilfen. Mit seiner Besetzung rechtskonservativer Richter am Supreme Court, dem höchsten US-Gericht, hat Trump die inzwischen teils harten Restriktionen in einzelnen Bundesstaaten wie Texas und Florida überhaupt erst möglich gemacht.

Richtige Taktik für die mehrheitliche Stimmungslage

Trumps historischer Sieg ist damit ein Resultat einer taktischen Überlegenheit und einer tatsächlichen Stimmungslage im Land, die er deutlich besser zu nutzen wusste als Harris. Für die breite Masse war es ein Erfolgsrezept der Wut über Inflation und illegale Migration. Und für die radikale Basis gab es dieses Mal noch eine ordentliche Portion Diskriminierung gegen eine der wohl kleinsten Minderheiten im Land, den Transgender-Personen. Am Ende wurde es ein weiteres Thema, mit dem die Republikaner Eltern im ganzen Land und in allen Bevölkerungsschichten und Ethnien in Aufruhr versetzt haben.

Auf all diese Themen, die viele im Land bewegten, hat Kamala Harris während ihres ganzen Wahlkampfs kaum eigene Antworten gefunden oder sie wurden ihr nicht abgenommen.

Für Isaac Smith war auf dem Dach des "Dirty Water" in Washington war noch eine Sache in der Wahlnacht klar. Mit Joe Biden nämlich wäre es für Donald Trump schwerer geworden, als viele glauben würden. Die Niederlage habe maßgeblich an der Kandidatin der Demokraten gelegen: "Einfach gesagt, ihr fehlte Ausstrahlung und Stärke. Davon hatte Joe Biden trotz allem noch deutlich mehr. Ehrlich gesagt bin ich sogar erleichtert, dass wir dieses Mal nicht gegen ihn antreten mussten."

Gegen 3 Uhr morgens beschließt die Gruppe der jungen Republikaner dann noch auf die National Mall zu gehen, jenem großen Park, gelegen zwischen den vielen politischen Wahrzeichen Washingtons. "Bei Nacht ist das ein magischer Ort. Und den will ich heute unbedingt noch erleben", sagt er einer. Dann machen sie sich auf in Richtung Kapitol, Supreme Court und Weißes Haus. In allen drei Institutionen wird das Rot der Republikaner nach dieser Wahlnacht für lange Zeit dominieren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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