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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Interview bei "Fox News" Bei dieser Frage wird Harris plötzlich emotional
Mit einem Interview bei Fox News, dem Haussender der amerikanischen Konservativen, begab sich Kamala Harris auf riskantes politisches Terrain. Hilft ihr das, die Wahl zu gewinnen?
David Schafbuch berichtet aus Washington
Das Interview begann stürmisch. Kamala Harris hatte Mühe, die erste Frage zu beantworten: Wie viele illegale Einwanderer in ihrer Zeit als Vizepräsidentin in die USA gekommen sind, wollte der "Fox News"-Moderator Bret Baier wissen. Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wich der Frage aus. Baier warf ihr gleich die nächste hinterher: Ob es ein Fehler war, zu Beginn der Amtszeit von Joe Biden Regeln zur Beschränkung der Migration aufzuheben, wollte der Moderator wissen. "Darf ich zu Ende antworten?", entgegnete Harris.
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Als Harris dann antwortete, kam sie zu vielen Punkten, die sie im Wahlkampf immer wieder aufgreift: Tatsächlich waren es die Republikaner im Kongress, die in den vergangenen Jahren Verschärfungen beim Grenzschutz scheitern ließen, weil Donald Trump mit dem Thema zuerst bei den Zwischenwahlen und dann im jetzigen Wahlkampf punkten wollte.
Es folgte eine weitere Standardantwort von Harris. Sie habe sich bereits als Staatsanwältin in Kalifornien mit der Situation an der Grenze zu Mexiko auseinandergesetzt und sei gegen die dortigen Drogenkartelle vorgegangen. Es ist ihr Versuch, bei Konservativen zu punkten, also als Politikerin, die für die Härte des Rechtsstaats steht. Auch als sie während des Interviews mit den Fällen von drei Frauen konfrontiert wurde, die von Migranten umgebracht wurden, blieb Harris bei ihrer Linie und sprach von "tragischen Fällen". Die hätte man aber verhindern können – hätten die Republikaner im Kongress nicht blockiert.
Strategiewechsel im Endspurt
Das Interview bei "Fox News" war für Harris ein großes Wagnis: Beim traditionellen Haussender der amerikanischen Konservativen war der Gegenwind für die Präsidentschaftskandidatin erwartbar stark. Man verfolge mit dem Interview zwei Ziele, hatte Harris' Sprecher Ian Sams im Vorfeld erläutert: Der Sender werde auch von vielen unentschlossenen Wählern eingeschaltet, die man überzeugen wolle. Zudem werde das Publikum inhaltlich dort mit "einem Haufen Mist" gefüttert, dem Harris entgegentreten wolle.
In der knappen halben Stunde gelang es der Vizepräsidentin, an mehreren Stellen Kritik an ihrem Gegner Trump zu äußern. Das hat bei "Fox News" tatsächlich Seltenheitswert. Fraglich bleibt aber, ob sie damit wirklich Wähler aus dem unentschlossenen Lager auf ihre Seite ziehen konnte.
Das Interview war dennoch der vorläufige Höhepunkt einer veränderten Medienstrategie der Vizepräsidentin: Nachdem sie die Kandidatur von Joe Biden für die Demokratische Partei Ende Juli übernommen hatte, scheute sie lange Interviews. Pressekonferenzen hat Harris, anders als Trump, bis heute nicht gegeben. Die Euphoriewelle, die auch aus der Erleichterung über Bidens Rücktritt gespeist war, wurde so zwar nicht von allzu kritischen Fragen unterbrochen. Eine Gelegenheit, sich zu beweisen, blieb sie in der Folge aber schuldig.
Zuletzt traute sich Clinton
Das hat sich in den vergangenen Wochen nun geändert: Von den großen Sendern CNN, CBS und ABC ließ Harris sich bereits in unterschiedlichen Formaten befragen, dazu kamen noch viele weitere Gespräche in Radiosendungen und Podcasts.
Das Interview bei "Fox News" stach dennoch heraus, eben weil der Sender als politisches Feindesland gilt. Zwar gibt es inzwischen viel extremere rechte Sender. Aber auch bei "Fox News" arbeiten sich Kommentatoren in Talksendungen stundenlang am linksliberalen Amerika ab, während die Republikaner und Donald Trump gleichzeitig gelobt werden, wo es nur geht. Die letzte demokratische Präsidentschaftskandidatin, die sich dem Sender stellte, war 2016 Hillary Clinton. Trump hatte dagegen Interviews mit liberalen Sendern wie MSNBC und CBS abgelehnt.
Durch die ganz harte Schule ging aber am Mittwochabend auch Kamala Harris nicht. In der Liga der Trump-freundlichen Fox-Moderatoren gilt Bret Baier nicht als die schrillste Stimme des Senders: Baier ist kein Scharfmacher wie Sean Hannity oder der mittlerweile geschasste Tucker Carlson, mit denen Harris sich wohl kaum zum Interview getroffen hätte. In konservativen Kreisen wurde die Wahl Baiers als Moderator darum auch sofort kritisiert. Viele hatten befürchtet, er könnte nicht kritisch genug im Umgang mit der Vizepräsidentin sein.
"Keine Fortsetzung"
Diesem Vorwurf schien Baier vor allem zu Beginn mit seinen häufigen Gegenfragen entgegenwirken zu wollen. Nach den Fragen zur Migration räumte der Moderator Harris allerdings mehr Redezeit ein: Den Vorwurf, unter der Biden-Regierung seien Steuergelder für die Geschlechtsanpassung von Häftlingen benutzt worden, konterte Harris damit, dass das auch unter der Trump-Regierung möglich war. Zudem gebe es weitaus wichtigere Themen, wie die Stärkung der Wirtschaft, so Harris. Sie versprach die Förderung junger Familien, mehr bezahlbaren Wohnraum und die Stärkung kleiner Unternehmen. Dieser Punkt war der 59-Jährigen so wichtig, dass sie ihre Ziele wenig später noch einmal wiederholte.
Trotzdem werde Trump in Wirtschaftsfragen mehr vertraut als Harris, warf Moderator Baier ein, ehe es erneut um die Frage ging, was Harris eigentlich politisch verändern würde, wenn sie künftig die Nummer eins im Staat wäre. "Meine Präsidentschaft wird keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Joe Biden sein", lautete ihre Antwort. Was das allerdings konkret bedeutet, ließ Harris offen: Sie sei eben eine andere Generation von Führungskräften oder habe nicht so lange wie Biden in der Hauptstadt Washington gewirkt, die gerade republikanische Wähler häufig als abgehoben und elitär wahrnehmen.
"Das ist eine Demokratie"
Ihre Präsidentschaft werde allerdings auch eine Abgrenzung zu den vier Jahren unter Donald Trump als US-Präsident sein – und den attackierte Harris dann nochmals scharf: "Instabil" und mental ungeeignet sei Trump für das Amt. Zudem kritisierte sie seine jüngsten Ankündigungen, das Militär gegen "Feinde im Inneren" der USA einzusetzen. "Das ist eine Demokratie", betonte Harris sichtlich emotional. Dort könne man als Präsident nicht ankündigen, kritische Stimmen einfach wegzusperren.
Harris’ Kritik an Trump wandte Baier am Ende gegen sie. Statt Attacken gegen ihren Kontrahenten würden die Zuschauer vielleicht lieber mehr über sie und ihre Politik erfahren, warf Baier ein. Hier vergab Harris vermutlich eine Chance. Als Antwort empfahl sie dem Millionen-Publikum lediglich, auf ihrer Webseite nachzuschauen. Dort stünde ihr Programm auf 80 Seiten zusammengefasst. Es klingt nach langwieriger Lektüre, die wohl kaum einen Zuschauer motivieren dürfte, tatsächlich ihr Wahlprogramm zu lesen.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- foxnews.com: "Full interview: Vice President Kamala Harris sits down with Bret Baier in 'Special Report' exclusive" (englisch)