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Donald Trump: Bringt ihn die "Trump-Tower-Verschwörung" ins Gefängnis?


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Riskante Strategien im Trump-Prozess
"Ein Titel, den er verdient hat"


Aktualisiert am 23.04.2024Lesedauer: 6 Min.
Zum Schweigen verdonnert: Donald Trump vor Gericht in New York.Vergrößern des Bildes
Zum Schweigen verdonnert: Donald Trump vor Gericht in New York. (Quelle: Yuki Iwamura)
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Im Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump kämpfen Staatsanwälte und Verteidiger um die Gunst der Geschworenen. Über zwei riskante Strategien.

Bastian Brauns berichtet aus New York

Donald Trump schüttelt vehement den Kopf. Erkennbar ist er mit dieser präsentierten Version der Geschichte nicht einverstanden. Sie lautet: "Die Trump-Tower-Verschwörung". Viel hätte er jetzt zu sagen. Doch es ist nicht seine Show. Der frühere Präsident der Vereinigten Staaten sitzt im 15. Stock des Strafgerichts von New York im Saal 1530 und muss akzeptieren, dass er in seinem eigenen Verfahren nur Statist ist.

Was an diesem ersten Verhandlungstag an der Centre Street 100 in Manhattan zu hören ist, wird den Prozessverlauf der kommenden Wochen bestimmen. In ihren Eingangsplädoyers präsentieren die New Yorker Staatsanwälte und Trumps Verteidiger den Geschworenen ihre beiden Interpretationen des US-Präsidenten. Alles, was an diesem Montag gesagt wird, soll Eindruck auf sie machen. Erstmals legen beide Parteien ihre Strategien offen, mit der sie die Jury überzeugen wollen. Ein riskantes Vorhaben, wie sich herausstellt.

Ein Vorwurf mit Tücken

Es ist 10.30 Uhr (Ortszeit) als der New Yorker Staatsanwalt Matthew Colangelo sein düsteres Bild von der "Trump-Tower-Verschwörung" zeichnet. In jenem berühmten, vergoldeten Wolkenkratzer an der Fifth Avenue nämlich sollen drei Männer im Jahr 2016 einen üblen Plan ausgeheckt haben: Trump, sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen und David Pecker, der frühere Herausgeber des US-Klatschmagazins "The National Enquirer".

45 Minuten lang bemüht sich Ankläger Colangelo, seine Erzählung zu verkaufen. "In diesem Fall geht es um eine kriminelle Verschwörung und Vertuschung. Der Angeklagte Donald Trump hat einen kriminellen Plan zur Manipulation der Präsidentschaftswahlen 2016 inszeniert", sagt er. Die drei besagten Männer Trump, Cohen und Pecker sollen folgendes Ziel gehabt haben: den wegen Sexismus-Vorwürfen im Wahlkampf 2016 ohnehin schwer angeschlagenen Donald Trump vor weiteren Skandalen zu schützen.

Eine Videoaufzeichnung war damals gerade aufgetaucht und belegte Trumps abfälligen Umgang mit Frauen. Dabei fiel ein Satz, der ihm bis heute nachhängt. Auch Staatsanwalt Colangelo spricht ihn an diesem Tag aus: "Ich zitiere den Angeklagten: 'Grab 'em by the pussy' ('Pack sie an der Muschi'"). Trump wirkt hellwach, macht sich Notizen und schiebt Zettel mit seinem Chefverteidiger Todd Blanche hin und her. Staatsanwalt Colangelo fährt fort mit seiner Geschichte. Sie handelt von "Komplotten", von "Wahlbetrug" und "Wahlbeeinflussung".

Trump und seine Mitverschwörer sollen der Pornodarstellerin Stephanie Clifford, alias "Stormy Daniels", ein Schweigegeld von 130.000 Dollar geboten haben, damit diese eine mutmaßliche Affäre zu Trump glaubhaft abstreitet. Das Motto: Nicht noch ein Sex-Skandal, der den republikanischen Kandidaten gegen die Demokratin Hillary Clinton schlecht aussehen lässt. "Wir werden nie erfahren, inwiefern diese Verschwörung das Wahlergebnis von 2016 wirklich beeinflusst hat", sagt Staatsanwalt Colangelo.

Eine mögliche Schwäche der Anklage

Dieses erste Plädoyer erweckt den Eindruck, es gehe gar nicht um den New Yorker Fall. Wenn Colangelo von "Verschwörung", "Wahlbetrug" und "Wahlbeeinflussung" spricht, klingt das nach Anklagepunkten, wie sie in den anderen Trump-Prozessen von Atlanta und Washington eine Rolle spielen werden. Dort soll aber verhandelt werden, inwiefern Donald Trump bei den Wahlen 2020 das Ergebnis ändern wollte, um selbst statt Joe Biden im Amt zu bleiben.

In New York aber handelt es sich bei den 34 Anklagepunkten eigentlich um das Fälschen von Geschäftszahlen. Aber Colangelo und die Staatsanwaltschaft haben sich entschieden: Sie wollen Trumps politische Motivation hinter dem mutmaßlichen Betrug zum Hauptthema ihrer Anklage machen. Trump und seine Mitwisser, so der Vorwurf von Colangelo, sollen die Zahlung des Schweigegeldes an Stormy Daniels verschleiert haben. Darin soll die Straftat liegen. Ihr Ziel: keinerlei Spuren hinterlassen, um im Wahlkampf und auch später nicht angreifbar zu sein.

Der Geldbetrag soll deshalb offiziell als normales Honorar an seinen Anwalt Michael Cohen geflossen sein, weil dieser wiederum den Pornostar Stormy Daniels bezahlt hat. In New York ist solches Fälschen von Geschäftsunterlagen ein Verbrechen, wenn eine "Betrugsabsicht" vorliegt, die allerdings die Absicht einschließt, "ein anderes Verbrechen zu begehen oder ein anderes Verbrechen zu unterstützen oder zu verschleiern".

Und genau hierin könnte eine Schwachstelle der Staatsanwaltschaft liegen: Trump, beziehungsweise seine Firma, mag zwar Zahlungen nicht korrekt benannt haben. Aber ob der Grund für diese Verschleierung auch ein Verbrechen ist, darüber wird nun gestritten. Am Ende könnte es sich auch nur um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die womöglich sogar verjährt wäre.

Nach 45 Minuten beendet Staatsanwalt Matthew Colangelo sein Plädoyer und appelliert an die Geschworenen: "Blenden Sie den Lärm aus. Konzentrieren Sie sich auf die Fakten. Konzentrieren Sie sich auf die Beweise. Donald Trump ist schuldig."

Ein Titel, den Trump verdient hat

Für Trumps Chefverteidiger, Todd Blanche, ist die Sache ebenso klar. Um 11.15 Uhr beginnt sein Gegenangriff mit den Worten: "Er ist unschuldig. Präsident Trump hat keine Verbrechen begangen." Es ist das erste Mal, dass Trump an diesem Tag mit seinem früheren Titel angesprochen wird. Der Richter und der Staatsanwalt sprechen von ihm nur als "dem Angeklagten" und von "Mister Trump". Dabei hat er es schon so weit gebracht: 77 Jahre, Milliardär, Geschäftsmann und ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Trumps Verteidiger will die Seele seines Mandanten streicheln und der Jury klarmachen, wer hier eigentlich sitzt. Trump sei auf gewisse Weise "larger than life", sagt Blanche. Diesen "überlebensgroßen" Mann werde die Verteidigung deswegen konsequent mit "Präsident Trump" anreden. "Das ist der Titel, den er verdient hat", so Blanche. "Er ist nicht nur unser ehemaliger Präsident. Er ist auch ein Mann, ein Ehemann und ein Vater." Eigentlich sei Trump damit, wie er selbst, auch nur ein Mensch. Trump mit blauer Krawatte lauscht andächtig. Diese Veranstaltung scheint ihm allmählich doch zu gefallen.

Todd Blanche, ausgerechnet ein ehemaliger Demokrat und New Yorker Staranwalt, wirkt gut vorbereitet und greift die Staatsanwaltschaft an ihrem schwächsten Punkt an. "Das ist Demokratie", sagt er provozierend und bezieht sich auf die Praxis, Informationen, die einem politischen Kandidaten schaden könnten, möglichst unter der Decke zu halten. "Das ist kein Verbrechen", sagt Blanche.

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Gezielte Vorab-Attacken gegen die Zeugen

Es ist nur eine von vielen Taktiken zur Verteidigung von Donald Trump. Schon die mutmaßliche Affäre von Trump zu Stormy Daniels soll demnach eine Lüge sein. Der Ex-Präsident habe außerdem seine Geschäftsbereiche so klar getrennt, dass er von der Summe, die an seinen damaligen Anwalt geflossen sein soll, gar nichts gewusst haben kann. Und dann nutzt Todd Blanche eine durchaus übliche Taktik: Er versucht, die kommenden, wichtigsten Zeugen der Staatsanwaltschaft schon im Vorhinein als unglaubwürdig darzustellen.

Michael Cohen, der sich als Kronzeuge gegen Trump gestellt hat, sei ein Lügner, der vor Gericht längst durch Falschaussagen und außerdem durch Steuerbetrug aufgefallen sei. Er habe zudem eine bedenkliche Obsession in Bezug auf Donald Trump. Aus seiner Besessenheit mit seinem früheren Chef habe er heute ein lukratives Geschäftsmodell gemacht, sagt Trumps Verteidiger. Mit seinen Lügen sei Cohen omnipräsent in Interviews und auf Social Media. Diese Beschreibungen passen zugleich bemerkenswert gut auf seinen Mandanten Trump.

Für die Pornodarstellerin Stormy Daniels hat Todd Blanche keine freundlicheren Worte übrig. Auch sie habe damals im Wahlkampf 2016 ihre Chance kommen sehen. Ihre erfundene Geschichte von einer Affäre mit Donald Trump habe sie zu Geld machen und darum Zeitungen anbieten wollen, darunter eben auch dem "The National Enquirer" von David Pecker. Trumps Freund und mutmaßlicher Mitverschwörer hatte die Story damals bewusst nicht gedruckt. "Das hat auch gut funktioniert", sagt Todd über Stormy Daniels, die mit ihrer Geschichte bis heute gut verdienen würde.

Eine Gefahr, die auf Trumps Anwalt immer lauern wird: Er darf es mit seinen Attacken gegen die Zeuginnen und Zeugen nicht übertreiben. Immerhin verteidigt er in einer überwiegend demokratisch geprägten Stadt einen der mächtigsten und reichsten Republikaner Amerikas. Todd Blanche kann den Opfer-Charakter seines berühmt-berüchtigten Mandanten darum nicht überbetonen.

Ein Nachteil, der zum Vorteil werden kann

An diesem ersten Prozesstag wirkt Trump nicht unzufrieden. Eingeschlafen wie am ersten Prozesstag vor einer Woche ist er an diesem Tag jedenfalls nicht. Im Gegenteil – er wirkt aufmerksam und angriffslustig. Seine Tiraden vor den Reportern im 15. Stock hält er mit Inbrunst. Laut hallt seine Stimme im langen Gang vor dem Gerichtssaal, in dem er viermal pro Woche sitzen muss. Hier ist er kein Statist mehr, sondern Aktivist in eigener Sache.

"Eine Biden-Hexenjagd ist das, um mich vom Wahlkampf abzuhalten", sagt Trump. Dabei kann er sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. In einem großen Raum, gleich neben dem Gerichtssaal, haben weitere rund 100 Journalisten in den vergangenen Stunden jede Regung von ihm auf riesigen Bildschirmen verfolgt und darüber ausgiebig in Blogs, im Fernsehen und auf Webseiten berichtet.

So könnte aus dem befürchteten Nachteil einer Pornostar-Affäre in Trumps erstem Wahlkampf am Ende sogar ein Vorteil in seinem dritten Wahlkampf werden. Sollte sich am Ende nur eines der zwölf Jury-Mitglieder von der Version seiner Anwälte überzeugen lassen, wäre die Anklage mit ihrer Version von der Verschwörung gescheitert. Ohne Einstimmigkeit der Geschworenen ist kein Schuldspruch möglich. Für Trump wäre das ein immenser politischer Sieg, für den sich der Aufwand gelohnt hätte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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