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Luftangriff in Gaza: Ein Schlag mitten ins Herz von Washington | Israel


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Sieben Helfer sterben bei Luftangriff
Dieser Fehler Israels könnte alles ändern


Aktualisiert am 03.04.2024Lesedauer: 5 Min.
Ein Luftangriff mit sieben Toten und mit Folgen für das Verhältnis zu den USA: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Ein Luftangriff mit sieben Toten und mit Folgen für das Verhältnis zu den USA: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Archivbild). (Quelle: Maya Alleruzzo/imago-images-bilder)
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Der Luftangriff Israels mit sieben toten humanitären Helfern verschärft die Krise mit den USA. Getroffen wurde nicht nur der Gazastreifen, sondern auch eine Idee, auf die man in Washington ungeheuer stolz ist.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

"The Bazaar", "Jaleo", "China Chilcano", "Zaytinya" und "Minibar" – so lauten die Namen der beliebten Restaurants des amerikanischen Starkochs José Andrés, die er in der US-Hauptstadt Washington betreibt. Weitere befinden sich in Miami, Los Angeles und Las Vegas. Ohne Reservierung bekommt man hier auch unter der Woche meistens keinen Platz. Politiker, Journalisten, Lobbyisten, Wissenschaftler und Regierungsbeamte – jeder, der es sich leisten kann und will, geht regelmäßig bei Andrés essen. Es sind Etablissements für das Establishment.

Was am vergangenen Osterwochenende im Gazastreifen geschehen ist, dürfte auch deshalb so deutlich in Amerika nachhallen. Die israelische Armee tötete bei einem Luftangriff sieben Mitarbeiter von "World Central Kitchen" (WCK). Diese Hilfsorganisation wurde im Jahr 2010 von ebenjenem bekannten Koch gegründet, dessen "José Andrés Group" ihren Sitz im Zentrum Washingtons hat.

Video | NGO-Mitarbeiter bei Angriff auf Gaza getötet
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Quelle: reuters

Für sein weltweites soziales Engagement wurde der Spitzenkoch mehrfach ausgezeichnet. Nach eigenen Angaben verteilte die Organisation in 175 Tagen in Gaza mehr als 42 Millionen Mahlzeiten. Andrés ist in Washington bestens vernetzt und charismatisch. Er tritt regelmäßig bei Veranstaltungen auf, trifft politische Entscheider und macht seinen Einfluss geltend.

Die israelische Armee bezeichnete die Tötung der sieben Hilfskräfte als "schweren Fehler". Der israelische Präsident Benjamin Netanjahu sprach von einem Luftschlag, der "versehentlich unschuldige Menschen getroffen" habe. So etwas passiere im Krieg, so Netanjahu. In einem Statement, das die Organisation WCK herausgab, wird die Geschäftsführerin Erin Gore hingegen mit den Worten zitiert: "Dies ist nicht nur ein Angriff gegen WCK, es ist ein Angriff auf humanitäre Organisationen, die in den schlimmsten Situationen, in denen Lebensmittel als Waffe eingesetzt werden, zur Stelle sind. Das ist unverzeihlich."

Laut Angaben der Organisation handelte es sich bei den sieben Getöteten um Staatsbürger aus Australien, Polen und dem Vereinigten Königreich sowie einem Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft der USA und Kanadas sowie einer Person aus Palästina.

Der Schock sitzt tief in der US-Hauptstadt, denn die Folgen des Krieges gegen die Hamas-Terroristen wirken plötzlich ganz nah. Der Luftschlag der israelischen Armee traf gewissermaßen auch mitten ins Herz Washingtons. US-Präsident Joe Biden telefonierte deswegen direkt mit dem Spitzenkoch Andrés, um ihm zum Verlust seiner Mitarbeiter zu kondolieren. Der Vorfall im Nahen Osten stellt eine neue Eskalationsstufe im israelisch-amerikanischen Verhältnis dar.

Der diplomatische Schaden ist immens

Joe Bidens Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, musste sich bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus deshalb auch vielen kritischen Fragen der Journalisten stellen. Eine dieser Fragen lautete, warum das Weiße Haus noch immer zögere, die Waffenlieferungen an Israel zumindest an Bedingungen für humanitäre Hilfe zu knüpfen. Obwohl Kirby sich darauf nicht festnageln ließ, brachte er wiederholt klare Worte zum Ausdruck. Die US-Regierung sei "empört" über den Luftschlag und erwarte "weitere Untersuchungen". In der diplomatischen Sprache zwischen engsten Verbündeten und Freunden ist dies mehr als eine Ohrfeige.

Wie folgenreich der Tod der sieben Mitarbeiter der "World Central Kitchen" auch in Israel eingeschätzt wird, zeigen die zahlreichen Äußerungen hochrangiger politischer Vertreter. Laut einem Statement auf Twitter rief Israels Präsident Isaac Herzog WCK-Gründer Andrés an und drückte ihm gegenüber seine "tiefe Trauer und aufrichtige Entschuldigung" über den tödlichen Angriff aus. Herzog bekräftigte demnach auch "Israels Engagement für die Bereitstellung und Verbesserung der humanitären Hilfe für die Menschen in Gaza" und dankte dem Koch für sein "Engagement für das Wohlergehen der Israelis und Palästinenser sowie für die Werte der Menschlichkeit".

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Der Luftschlag ist jedoch nicht nur eine Staatsaffäre, sondern gefährdet das, was aus Sicht der amerikanischen Regierung derzeit Priorität hat: die Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. Das räumte auch Kirby bei der Pressekonferenz in Washington ein: "Das hilft definitiv nicht", antwortete er auf die Frage einer Journalistin, ob die Regierung jetzt befürchte, dass Hilfsorganisationen aufgrund der Gefahr ihre Mitarbeiter abziehen könnten. "World Central Kitchen" hatte bereits angekündigt, die Arbeit vor Ort bis auf Weiteres einzustellen. Kirby ärgerte sich auch darüber, dass Israel angesichts des Vorfalls nur von einem "Error", nicht aber von einem "Mistake" sprechen wollte. Der technische Begriff "Error" kann im Englischen als Fehler oder Irrtum verstanden werden. Als "Mistake" wird jedoch eindeutig ein Fehler bezeichnet, für den man auch die Verantwortung übernimmt.

Nach Informationen von t-online gärte es im US-Außenministerium aufgrund Netanjahus Kriegsführung im Gazastreifen von Beginn an. Ein Mitarbeiter des State Departments sagte: "Es ist zu spüren, dass diese Stimmung immer weitere Kreise zieht. Auch ganz oben ist längst Konsens: 'So wie bisher kann es nicht mehr weitergehen'". Es wird daher immer wahrscheinlicher, dass künftige Waffenlieferungen an Israel an Voraussetzungen geknüpft werden, nämlich an die Einhaltung des humanitären Völkerrechts.

Im Weißen Haus ist man offenkundig der gleichen Ansicht. "Vorfälle wie der gestrige sollten einfach nicht passieren", erklärte Biden in Washington. "Israel hat auch nicht genug getan, um Zivilisten zu schützen."

Extreme Spannungen zwischen Netanjahu und Biden

Hinzu kommt: Der Krieg im Gazastreifen schadet Biden im Wahlkampf gegen Donald Trump. Der Protest gegen die humanitäre Lage aus dem politischen Lager der Demokraten ist so groß, dass Biden in entscheidenden Bundesstaaten wie Michigan im Herbst eine Niederlage drohen könnte. Auch deshalb dürfte sich die Rhetorik des Weißen Hauses gegenüber der israelischen Regierung weiter verschärft haben. Der US-Präsident braucht diese Botschaften (mehr dazu lesen Sie hier).

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Noch besser wären jedoch Taten. Benjamin Netanjahu aber scheint kein Interesse daran zu haben, Biden zu unterstützen. Zwar informierte man die US-Regierung noch kurz vorher über einen ebenfalls ausgeführten, direkten Luftschlag gegen die iranische Botschaft im syrischen Damaskus. Aber Absprachen gab es offenbar nicht. Das Weiße Haus fürchtet bei derlei Konfrontationen mit dem Iran weitere Eskalationen, in die Amerika hineingezogen werden könnte.

Die US-Regierung plant derzeit die nächste symbolische Aktion gegen Netanjahu. Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid wird nächste Woche in Washington erwartet. Er ist einer der schärfsten Kritiker des israelischen Premierministers und fordert gemeinsam mit Zehntausenden Demonstranten Netanjahus sofortigen Rücktritt. Zuvor hatten die USA schon Benny Gantz eingeladen, ein Mitglied von Netanjahus Kriegskabinett, aber ebenfalls ein politischer Gegner von ihm.

Netanjahu selbst hatte zuletzt eine eigene Delegationsreise in die USA nach deren Enthaltung bei einer Resolution gegen Israel im UN-Sicherheitsrat abgesagt. Bei diesem Treffen sollte es nach dem Willen der Biden-Regierung eigentlich gerade um die Ausrichtung der militärischen Strategie im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas und für die Befreiung der Geiseln in Gaza gehen.

José Andrés fordert Ende des "wahllosen Tötens"

Um derlei politische Raffinessen geht es dem Koch José Andrés nicht. "Ich bin untröstlich und trauere um ihre Familien und Freunde sowie um unsere gesamte WCK-Familie. Das sind Menschen … Engel …", schrieb er in einem Statement auf X. Er selbst habe "an deren Seite in der Ukraine, im Gazastreifen, in der Türkei, in Marokko, auf den Bahamas und in Indonesien gedient. Sie sind nicht gesichtslos … sie sind nicht namenlos."

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Dann formulierte er noch eine Forderung: "Die israelische Regierung muss dieses wahllose Töten stoppen. Sie muss aufhören, humanitäre Hilfe einzuschränken, Zivilisten und Helfer zu töten und Lebensmittel als Waffe zu benutzen", so Andrés. "Frieden beginnt mit gemeinsamer Menschlichkeit. Und damit muss jetzt begonnen werden." In Washington wird seine Stimme gehört. Das weiß man auch in Jerusalem.

Verwendete Quellen
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