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US-Wahlkampf: Was Joe Biden von Donald Trump lernen kann


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Taktik im US-Wahlkampf
Dieses Problem muss Biden schnell lösen

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 31.03.2024Lesedauer: 6 Min.
Joe Biden (Archivbild): Ein Video zeigt ein Bild von ihm, gefesselt auf der Ladefläche eines Trucks.Vergrößern des Bildes
Der Anti-Populist Joe Biden: Eine Stärke, die auch Schwäche sein kann (Archivbild). (Quelle: Elizabeth Frantz)
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Im US-Wahlkampf fällt auf, warum Donald Trump es schafft, noch immer so viele Amerikaner zu überzeugen. Biden vergibt zugleich offensichtliche Chancen.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Katastrophen sind furchtbar. Aber für Politiker sind sie immer auch Chancen. Das mag zynisch klingen. Aber die Menschen erwarten von Präsidenten, Kanzlern oder Ministern in schlimmen Lagen zurecht, die Dinge zu regeln, Herr oder Frau der Lage und vor allem zur Stelle zu sein.

Wer sich erinnern kann, weiß, wie Gerhard Schröder im Jahr 2002 Hochwasser-Wahlkampf führte. Als damals in Sachsen die Elbe das Land überflutete, watete der Bundeskanzler in Gummistiefeln als Katastrophen-Kümmerer zur Wiederwahl. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 führte ein Lacher vor Kameras hingegen zur Niederlage des CDU-Kandidaten Armin Laschet. Katastrophen bergen für Politiker auch Gefahren.

In den USA gab es vergangene Woche so einen Moment. Denn unweit von Washington rammte ein Frachtschiff die Autobahn-Brücke von Baltimore und brachte sie zum Einsturz. Sechs Menschen starben. Ein wichtiger Hafen an der Ostküste ist seither blockiert. Zwar soll die Brücke schnell wieder aufgebaut werden. Als wichtige Transportroute bleibt sie wohl trotzdem für Jahre unpassierbar.

Video | Schiff rammt Brücke – diese stürzt ein
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Quelle: t-online

Die verpassten Bilder von Baltimore

Für Joe Biden wäre das eine Chance gewesen. Er hätte sie nutzen müssen, gerade im Wahlkampf. Der amerikanische Präsident hat die Francis Scott Key Bridge selbst oft befahren, wenn er aus seinem Heimatbundesstaat Delaware in Richtung Süden nach Washington unterwegs war. Er weiß, welche Bedeutung die Brücke hat und wie knapp eine noch viel schlimmere Katastrophe verhindert wurde, weil Polizisten, Bauarbeiter und Sanitäter schnell genug handelten und den Verkehr stoppten.

Aber im Weißen Haus entschied man sich gegen einen Besuch von Biden am Unglücksort, der wie gesagt nur eine Autostunde von der US-Hauptstadt entfernt liegt. Es hätten starke Bilder für einen in den Umfragen ziemlich angeschlagenen Präsidenten werden können. Biden neben Rettungskräften, sich bedankend für deren patriotischen Einsatz. Ein Commander-in-Chief als Constructor-in-Chief und Wiederaufbauhelfer.

Als Präsident, für dessen zahlreiche Infrastruktur-Programme sich die nationalen Medien sonst wenig interessieren, hätte er hier mit seiner Agenda punkten können. Die angekündigte Millionen-Soforthilfe und den Neubau der Brücke hätte er mit deutlich mehr Verve verkünden können, als mit einem kurzen Statement im Weißen Haus. Aber mehr gab es von Joe Biden zu Baltimore nicht zu sehen. Und Fragen waren wie so oft nicht zugelassen. Zu groß ist die Gefahr des Verhaspelns.

Biden ist das Gegenteil eines Populisten

Diese verpasste Chance Joe Bidens steht stellvertretend für viele weitere. Das liegt auch daran, dass seine größte Stärke zugleich seine größte Schwäche ist. Biden ist in etwa das Gegenteil eines Populisten. Als vor einem Jahr im Bundesstaat Ohio ein Güterzug mit giftigen Chemikalien entgleiste, schickte er nicht mal seinen Verkehrsminister Pete Buttigieg. Das war schon damals eine politische Instinktlosigkeit, die in einem Präsidentschafts-Wahlkampf jetzt umso mehr bestraft wird.

Sein Konkurrent Donald Trump witterte damals in Ohio hingegen seine Gelegenheit, flog ohne Zögern hin und konnte durch Bidens Abwesenheit gleich doppelt punkten. In einer McDonalds-Filiale bestellte Trump für die örtliche Feuerwehr, die Ersthelfer der Katastrophe, eine Runde Big Macs. "Ich kenne dieses Menü wohl besser als ihr alle", sagte Trump und hatte die Sympathien auf seiner Seite. Kritiker nennen das Populismus. Aber es erzeugt eben auch jene (sicherlich nur vermeintliche) Volksnähe, die vielen Amerikanern aber oft fehlt, wenn sie an die da oben in Washington denken.

Seit' an Seit' mit der Polizei

Auf ähnliche Weise setzte sich Trump in dieser Wahlkampf-Woche in Szene. Medienwirksam flog er mit seinem Flugzeug extra zur Trauerfeier für den kürzlich erschossenen New Yorker Polizisten Jonathan Diller. Die Familie von Diller hatte Trump offenbar eingeladen, dem kam das nur gelegen. Während er sich selbst in New York wegen mutmaßlicher Straftaten vor Gericht verantworten muss, konnte Trump sich als unermüdlicher Kämpfer gegen Kriminalität inszenieren. Und natürlich weiß er, wie wichtig gerade Polizisten als Multiplikatoren im laufenden Wahlkampf sind. Hunderte Polizei-Kollegen waren anwesend.

"Präsident Trump ist berührt von der Einladung", ließ Trumps Wahlkampfsprecherin Karoline Leavitt die Öffentlichkeit dann auch sofort wissen. Auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social beklagte Trump, dass der Schütze, der den Polizisten umbrachte, wegen diverser Vorstrafen eigentlich "niemals wieder auf die Straße hätte gehen dürfen". Nach der Trauerfeier für Jonathan Diller forderte dann ausgerechnet der selbst mehrfach angeklagte Präsidentschaftskandidat der Republikaner in mehreren Statements "Recht und Ordnung" ein, die natürlich nur mit seiner Wiederwahl hergestellt werden könnten.

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Selbst noch auf dem Rückflug von New York nach Florida in seinem Privatjet schlachtete Trump seinen eigenen Auftritt bei der Trauerfeier aus. An Bord gab er ein mehr als fünf Minuten langes Interview, das er direkt im Anschluss auf seinem eigenen Kanal verbreitete. Darin griff Trump den amtierenden Präsidenten an als jemanden, den "die Polizei wegen seiner Parteibasis politisch gar nicht unterstützen kann". Er hingegen tue das und die Polizisten wüssten das. Darum habe er vor Ort auch nur "Liebe erfahren".

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Eine Präsidenten-Gala für die Reichen

Sein demokratischer Konkurrent Joe Biden war an diesem Tag tatsächlich auch in New York. Allerdings wurde der Präsident nicht von Polizisten zu einer Trauerfeier eingeladen. Stattdessen haben Sicherheitskräfte für ihn in Manhattan die Straßen weiträumig abgesperrt. Denn auf der 6th Avenue, in der berühmten Radio City Music Hall, veranstaltete Bidens Wahlkampfteam eine große Spendengala. Gekommen waren sogar die ehemaligen Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton. Über solch hochkarätige Unterstützer zum Sammeln von Wahlkampfspenden verfügt Donald Trump nicht. Mehr als 25 Millionen Dollar sollen allein an diesem Abend zusammengekommen sein. Draußen tobte derweil lautstarker Protest der Pro-Palästina-Fraktion, die zwischendurch sogar die Veranstaltung stürmte und Biden das politische Leben aus dem eigenen Lager hinaus ohnehin schwer macht. (Mehr dazu lesen Sie hier)

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Die konservative Boulevardzeitung "New York Post" aus dem Medienimperium von Rupert Murdoch hob diese angeblich unterschiedlichen Prioritäten von Trump und Biden mit einer klaren Stoßrichtung sogleich aufs Titelblatt. Der Tenor: Während sich Trump ums einfache Volk und um das Schicksal unserer bedrohten Ordnungshüter kümmert, aalen sich mit Biden, Obama und Clinton gleich drei demokratische Präsidenten im Bühnenlicht einer elitären Spendengala. Und die von unseren Steuergeldern bezahlten Polizisten müssen dafür auch noch malochen.

In Wahrheit sind solche Spenden-Veranstaltungen natürlich unverzichtbar und buchstäblich Gold wert. Auch Trump gibt solche Spenden-Dinner regelmäßig. Denn kaum etwas ist in amerikanischen Wahlkämpfen so entscheidend wie die Menge an eingesetztem Geld. Man braucht es für Werbespots, Events, für unzählige Wähleranalysen und Reisen ins ganze Land. Ein Foto mit Biden kostete bei dieser New Yorker Gala Zehntausende Dollar. Das ist einträglich, aber nicht gerade volksnah.

Geld alleine wird nicht reichen

Es ist nur so: Geld, das hat Trump immer wieder bewiesen, kann er auch heranschaffen. Zuletzt auch mit einem abstrus wirkenden Börsengang, der sein Milliarden-Vermögen quasi über Nacht mehr als verdoppelt hat. Aber eben auch durch eine Rekordanzahl von Kleinspendern, die ihn überall in Amerika unterstützen. (Mehr zu Trumps Geldvermehrungs-Taktiken lesen Sie hier.)

Trumps großer Vorteil gegen Biden aber bleibt sein Populismus. Und Biden sollte davon etwas lernen. Er könnte ihm in den kommenden Monaten auf dieser Ebene deutlich mehr entgegensetzen. Einen positiven und hoffnungsspendenden Populismus. Dass Biden das kann, dafür gibt es Beispiele. Aber dazu muss sich sein Wahlkampf-Team einfallen lassen, wie der Präsident glänzen kann. Das birgt bei ihm immer auch Risiken. Aber er braucht jetzt Auftritte, die über ein paar nette Social-Media-Videos hinausgehen.

Zwar ist der Präsident schon jetzt viel im Land unterwegs. Diese lokalen Auftritte, meist bei Spendenevents, zünden aber selten medial, erzeugen also keine positive Gesamtdynamik. Dabei ist schon jetzt klar: In wohl keinem Wahlkampf zuvor werden die Medien, aber auch die Bilder, Videos und Erzählungen in den sozialen Netzwerken, eine so entscheidende Rolle gespielt wie in diesem. Mit starken Bildern aus Baltimore hätte Biden darum wie gesagt einen Vorsprung herausholen können.

Den eigenen Kandidaten dauerhaft hinterm Rednerpult im Weißen Haus zu verstecken, wenn er eigentlich raus ins Feld könnte, wird nicht funktionieren. Gerade, weil Joe Biden weniger kraftvoll wirkt als Donald Trump, müssten Unglücke wie der Einsturz der Brücke von Baltimore in Chancen umgewandelt werden. Sonst endet am Ende die Kampagne in einer Katastrophe.

Verwendete Quellen
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