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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spekulation um US-Präsidenten Warum nutzt Joe Biden plötzlich eine kürzere Treppe?
Joe Biden ist bereits jetzt der älteste Präsident in der US-Geschichte. Mit jedem weiteren Tag im Amt wird sein Alter ein größeres Thema. Ist ihm eine mögliche zweite Amtszeit überhaupt noch zuzutrauen?
Die ganze Treppe ist Joe Biden wohl häufig zu viel. Rund fünfeinhalb Meter sind es, die der Präsident der Vereinigten Staaten für gewöhnlich nach oben schreiten muss, um in seinen persönlichen Flieger, die "Air Force One" zu gelangen. Ein eigentlich kurzer Gang, der in nahezu jedem Bericht über eine Reise des Staatsoberhauptes der USA festgehalten wird.
Doch Biden benutzt immer häufiger eine kürzere Treppe, um in den Flieger zu gelangen. Statt die steilen Stufen zum vorderen Bereich des Fliegers zu nehmen, steigt der Präsident immer häufiger eine kürzere Treppe hinauf, die am Bauch des Flugzeugs ansetzt. Die An- und Abreisen, in denen Biden weniger Stufen nimmt, seien zuletzt deutlich nach oben gegangen. So berichten es mehrere US-Medien.
Das Weiße Haus war der Frage von "NBC News" ausgewichen, ob die kürzere Treppe mit Bidens Alter zusammenhänge. Die Vermutung drängt sich allerdings auf: Joe Biden feiert heute seinen 81. Geburtstag und ist bereits jetzt der älteste Präsident in der Geschichte der USA. Sollte er die kommende Präsidentschaftswahl gewinnen, wäre er nach einer kompletten zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. Nicht wenige fragen sich: Ist ein Mann in diesem Alter für ein solch mächtiges Amt geeignet – und wenn nicht: Was wären die Alternativen?
Schäuble in ähnlichem Alter: "Die Kräfte lassen nach"
Andere Spitzenpolitiker in seiner Altersklasse haben ihre besten Jahre bereits hinter sich, teilweise liegen sie bei ihnen bereits Jahrzehnte zurück: Die politische Karriere des britischen Premiers John Major endete etwa im Jahr 1997, als er von einem gewissen Tony Blair abgelöst wurde. Major ist rund vier Monate jünger als Biden. CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble, heute noch als Abgeordneter im Bundestag, ist rund einen Monat älter als der US-Präsident. "Die Kräfte lassen nach, die Fähigkeit, Ärger zu ertragen, die Geduld wird geringer. Und wenn man das bei sich selber erlebt, ist das ganz interessant", sagte Schäuble kurz vor seinem 80. Geburtstag der "Süddeutsche Zeitung", wie er das Altern erlebt.
Die Frage, ob Biden zu alt für seinen Job ist, verfolgt ihn schon, seitdem er 2020 Donald Trump herausgefordert hatte. Schon bei Bidens Wahlsieg 2020 war darüber spekuliert worden, dass er möglicherweise freiwillig die Geschicke irgendwann an seine Vizepräsidentin Kamala Harris abgeben könnte. Doch die erwies sich bisher nicht als sonderlich tauglich für den höchsten Posten im Staat – und Biden machte immer weiter. Dabei ist der Vizeposten gerade bei einem solch betagten Präsident umso wichtiger, da Harris ihn im Falle seines Todes beerben müsste.
Im vergangenen Juni war Biden auf einer Bühne in Colorado über einen Sandsack gestolpert. Ein Jahr zuvor war er beim Absteigen von einem Fahrrad umgekippt. Dazwischen leistete er sich immer wieder kuriose Auftritte. Manchmal sah es so aus, als würde er nicht genau wissen, wo er hinläuft. Immer wieder verheddert er sich auch verbal.
Dass der Präsident kein großer Redner ist, war schon länger bekannt, zumal er seit seiner Kindheit mit Stottern zu kämpfen hat. Allerdings kamen in den vergangenen Jahren auch Episoden dazu, die sich damit kaum erklären lassen: Wenige Tage nach seinem Sandsack-Unfall beendete er in Connecticut einen Auftritt mit den Worten "God save the Queen, man". Bis heute ist unklar, was oder wen er mit seinen Worten genau ansprechen wollte – die englische Königin Elizabeth war rund neun Monate vor der Rede bereits verstorben.
Doch spiegeln Bidens kuriose Auftritte auch wirklich seinen Gesundheitszustand wider? Wer Konkreteres darüber erfahren will, erhält entsprechende Informationen in der jährlichen "Health Summary", die das Weiße Haus veröffentlicht. Eine solche Veröffentlichung der wichtigsten Gesundheitswerte ist bei US-Präsidenten üblich, auch wenn Donald Trump sich dieser Gepflogenheit entzogen hatte.
Wer das Papier liest, bekommt den Eindruck, dass Biden ein gesunder Mann ist – für jemanden jenseits der 80: Er habe etwa seine beiden Corona-Infektionen gut überstanden und leide auch nicht an "Long Covid". Hin und wieder kämpfe er aber gegen Sodbrennen nach Mahlzeiten. Dadurch müsse er sich häufiger räuspern oder husten. Zusätzlich nehme er Säureblocker. Immer wieder wurde er wegen Hautkrebs behandelt, zuletzt im vergangenen Februar. Das befallene Gewebe sei allerdings vollständig entfernt worden, heißt es in der Analyse.
Fünfmal pro Woche Sport, kein Alkohol, kein Nikotin
Biden leide zudem an "saisonalen Allergien", habe einen steifen Gang, der sich aber "seit dem letzten Jahr nicht verschlechtert" habe. Laut dem Dokument trinkt der Präsident keinen Alkohol, raucht nicht und macht fünfmal pro Woche Sport. Insgesamt nehme der Präsident aktuell fünf verschiedene Medikamente ein und sei "nach wie vor ein gesunder, kräftiger 80-jähriger Mann, der in der Lage ist, die Pflichten des Präsidentenamtes, einschließlich der Pflichten als Chef der Exekutive, Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber" auszuüben, heißt es in der Zusammenfassung seines persönlichen Arztes Kevin O’Connor.
Biden versucht mittlerweile mit Witzen auf seine Kosten die Zweifel an seiner Handlungsfähigkeit wegzuwischen. Sein Team versucht, seinen großen Erfahrungsschatz als seinen Vorteil herauszustellen. Sein Alter sei Bidens "Superpower", sagt etwa Jeff Katzenberg, Ex-Disney-Boss und mittlerweile einer von Bidens Wahlkampfmanagern.
Auch Trump schwächelt
In der Tat kann Erfahrung im Weißen Haus nicht schaden, wenn auf der Welt zwei Kriege – in der Ukraine und Israel – den Weltfrieden bedrohen. Aber auch innenpolitisch gibt es viele Punkte, die eigentlich für den Präsidenten sprechen: Die Arbeitslosenquote ging nach der Corona-Pandemie stark zurück, ein riesiges Infrastrukturpaket wurde durchgesetzt, auch die Inflation ging nach einem 40-Jahres-Hoch im Sommer 2022 zuletzt wieder zurück.
Bei den Wählern kommt das allerdings nicht an: Zuletzt sorgte eine Umfrage für Aufsehen, in der Trump in fünf der sechs vermutlich entscheidenden Bundesstaaten aktuell Biden schlagen würde. Und der Ex-Präsident und seine Anhänger nutzen jeden Aussetzer des Präsidenten, um ihm seine Tauglichkeit für das Amt abzusprechen.
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Dabei ist Trump selbst mit 77 Jahren kaum jünger und leistete sich zuletzt selbst einige Aussetzer: Sein Konkurrent Ron DeSantis veröffentlichte im Oktober etwa zahlreiche Versprecher und verbale Fehler von Trump, in denen er etwa Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zum Staatschef der Türkei machte. Auch sprach er zuletzt immer häufiger von Fehlern der Obama-Regierung, bei denen er offensichtlich die Biden-Administration meinte.
Es dürfte einer der Gründe sein, warum beide Politiker gerade nicht mit großer Beliebtheit punkten: Bidens Werte liegen aktuell laut dem Statistikportal "FiveThirtyEight" auf einem ähnlichen Niveau wie die von Trump zum Zeitpunkt, als er das Weiße Haus Anfang 2021 verlassen musste.
- npr.org: "Why Biden is now routinely taking the short stairs up to Air Force One" (englisch)
- whitehouse.gov: "President Biden's current health summary" (englisch)
- nbcnews.com: "Note cards and shorter stairs: How Biden's campaign is addressing his age" (englisch)
- sueddeutsche.de: "Du kannst ja eh nicht aufhören" (kostenpflichtig)
- axios.com: "Trump has his own age problem as he mocks 80-year-old Biden's fitness" (englisch)
- twitter.com: "Tweet von @DeSantisWarRoom" (englisch)
- fivethirtyeight.com: "How (un)popular is Joe Biden?" (englisch)
- fivethirtyeight.com: "How (un)popular is Donald Trump?" (englisch)