Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Republikaner im Kriegszustand Trumps Saat zerreißt die Partei
Können sich die US-Republikaner aus Donald Trumps Fängen befreien? Wollen sie das überhaupt? Durch die Partei geht ein immer tieferer Riss – jetzt fallen erste Entscheidungen.
Donald Trump ist seit zwei Wochen abgetaucht. Von den sozialen Netzwerken ist er weiterhin verbannt. Abseits der Kameras spielt er Golf, diktiert aus der goldenen Residenz Mar-a-Lago heraus ab und an eine Pressemitteilung, mehr nicht. Und doch haben der Ex-Präsident und seine Saat die Partei der Republikaner fest im Griff.
Die Partei steckt in einer dramatischen Zerreißprobe. Trump hat den Republikanern neue Wählerschichten erschlossen, aber auch Hass und wirre Verschwörungstheorien in die Partei gespült, die sie für die Mitte unwählbar machen. Die Republikaner können nicht mit ihm und nicht ohne ihn.
Der Streit um die Frage, ob und wie man sich von Trump absetzen darf, tobt auf allen Ebenen der Partei. In mehreren Bundesstaaten wurden gar jene Republikaner offiziell gerügt, die einfach nur das von Trump in Zweifel gezogene Wahlergebnis verteidigt hatten. Der Druck auf die Parteiführung in Washington ist groß. Sie muss am Mittwoch erste Entscheidungen im Gezerre um die Richtung der Partei fällen.
Zwei Frauen, zwei Männer, zwei Richtungen
Besonders deutlich sieht man den Konflikt an zwei Frauen und zwei Männern.
Die beiden Männer sollten die Partei eigentlich führen. Da ist Mitch McConnell, der Anführer der Republikaner im Senat. Er hat mit Trump gebrochen und dessen Lüge von einer gestohlenen Wahl spät, aber deutlich gebrandmarkt. Er hält sich offen, ob er im kommenden Impeachment-Prozess für eine Verurteilung des früheren Präsidenten stimmen wird. McConnell und Trump sprechen nicht mehr miteinander.
Sein Gegenüber Kevin McCarthy führt die Partei im Repräsentantenhaus. Eine Woche nach dem von Trump angefachten Sturm auf das Kapitol wies auch er dem damaligen Präsidenten noch Verantwortung für den Anschlag zu. Doch dann flog McCarthy in der vergangenen Woche nach Florida, sprach mit Trump und ließ sich dessen Unterstützung für die Kongresswahlen 2022 zusichern. Der Mann aus Kalifornien weiß: Ohne Trump geht an der Wählerbasis nicht viel.
McConnell tat wiederum etwas, was sich eigentlich nicht gehört: Der Senatsführer regierte McCarthy in dessen Bereich hinein. Er warnte am Montag öffentlich: "Verrückte Lügen und Verschwörungstheorien sind ein Krebsgeschwür für die Republikanische Partei und unser Land." Das war kein allgemeines Statement, sondern der Eingriff in den Streit, der am Mittwoch im Repräsentantenhaus hochkochen dürfte.
Als Aussätzige behandelt
Damit sind wir bei den beiden Frauen. Zwei Republikanerinnen aus dem Repräsentantenhaus stehen unter Beschuss, wenn sich die Fraktion am Mittwoch wieder einmal zusammensetzt.
Da ist Liz Cheney – die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney und die Nummer drei in der Führung der Fraktion. Sie hatte es gewagt, für das Impeachment Trumps zu stimmen. Dessen Aufhetzen des Mobs bezeichnete sie als "Verrat". Wie ihre neun Kolleginnen und Kollegen, die es ihr nachtaten und ebenfalls für eine Amtsenthebungsanklage stimmten, wird sie von einem Teil der Partei nun als Aussätzige behandelt.
Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt einen Newsletter über seine Eindrücke aus den USA und den Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Der Trump-treue Flügel verlangt, ihr den Führungsposten zu entziehen. Ein Abgeordneter flog eigens aus Florida in Cheneys Wahlkreis im fernen Wyoming, um Stimmung gegen sie zu machen. Hilfe bekam er dabei vom Präsidentensohn Donald Trump Jr., der sich per Telefon zuschalten ließ und Parteifreunde aufrief, bei der nächsten Wahl Cheney herauszufordern.
Trumps Schwester im Geiste
Eine andere Frau steht in der Kritik, weil sie Irrsinn in die Welt hinausposaunt. Marjorie Taylor Greene aus Georgia hat es im Windschatten Trumps mittels Verschwörungstheorien ins Parlament geschafft: Sie hat unter anderem die QAnon-Theorie befördert, nach der eine Weltverschwörung der Pädophilen gegen Trump kämpfe, und angedeutet, der Terror vom 11. September sei ebenso inszeniert wie die Schulmassaker von Sandy Hook (2012) oder Parkland (2018).
Es ist nicht überraschend, dass sie auch Trumps Verschwörungstheorie einer gestohlenen Wahl vertritt. Durch den Kongress spazierte sie kürzlich in einer Maske mit dem Aufdruck "Trump won" – Trump hat gewonnen.
Embed
Von Trump selbst wurde sie im Wahlkampf als "zukünftiger Star der Republikaner" gepriesen. In den vergangenen Tagen sind ständig neue irre Details an die Öffentlichkeit gedrungen, was Greene vor ihrer Wahl für Thesen verbreitet und Aktionen unterstützt hat.
So hat sie etwa Aufrufe zu Gewalttaten an Demokraten unterstützt und einen der Überlebenden des Highschool-Massakers von Parkland belästigt. Die Republikaner belohnten die neue Kollegin ausgerechnet mit der Berufung in den Bildungsausschuss.
"Ihre Loyalität gebührt Donald J. Trump"
Die Demokraten – so wie nun auch McConnell – drängen jetzt darauf, dass Greene abberufen und formell gerügt wird. Werden die Republikaner nicht aktiv, würden die Demokraten Greene per Mehrheitsbeschluss aus dem Komitee entfernen.
Greene hat einen Trumpf in der Hand. So betonte sie am Wochenende, mit Trump telefoniert zu haben, und dass der ihr seine Unterstützung versichert habe. Damit forderte sie die Parteiführung heraus. Kommt doch, wenn ihr euch traut – ich habe Trump auf meiner Seite. Sie weiß, dass eine Mehrheit der Wählerschaft der Republikaner weiter zum Ex-Präsidenten hält.
Der radikale Flügel wähnt sich im Aufwind. Greene sieht sich auf der Seite, die in der Grand Old Partei (GOP), wie sich die Republikaner nennen, die Überhand gewinnt. Am 20. Januar, als die Amtszeit Trumps endete, schickte sie ihrer Partei diese Warnung per Twitter: "Die breite Mehrheit der republikanischen Wähler, Freiwilligen und Spender sind nicht länger loyal zur GOP", schrieb sie. "Ihre Loyalität gebührt Donald J. Trump."
Was am Mittwoch mit ihr und der Trump-Kritikerin Cheney geschieht, dürfte bereits zeigen, inwieweit die Verschwörungsanhängerin damit recht hat. Die nächste Zerreißprobe kommt dann in der kommenden Woche im Senat – wenn sich die Republikaner im Impeachment-Prozess gegen Trump bekennen müssen.
- Eigene Recherchen
- New York Times: An Emboldened Extremist Wing Flexes Its Power in a Leaderless G.O.P.