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Corona nimmt kein Ende: Was das größte Problem an diesem Lockdown ist


Meinung
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Kein Corona-Ende in Sicht
Was das größte Problem an diesem Lockdown ist

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 01.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Ein Arzt im Krankenhaus: Heute sind es rund 57.000 Menschen in Deutschland, die bislang an Corona gestorben sind. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Ein Arzt im Krankenhaus: Heute sind es rund 57.000 Menschen in Deutschland, die bislang an Corona gestorben sind. (Symbolbild) (Quelle: Imago)
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Mit angehaltenem Atem erwarten Virologen und Politiker die Ausbreitung der Virusmutationen. An eine Lockerung der Restriktion ist gar nicht zu denken. Wem wir mehr Pietät schulden.

Heute sind es rund 57.000 Menschen, die bislang an Corona gestorben sind. Diese Zahl entspricht in etwa den Einwohnern von Frankfurt/Oder. Natürlich wird sie auch weiterhin Tag zu Tag steigen, sodass bald Friedrichshafen mit seinen knapp 62.000 Einwohnern als Vergleichsgröße dienen kann. Und wie viele werden es im Sommer sein, wenn hoffentlich die meisten von uns geimpft sind: 80.000? 100.000? Noch mehr?

Seltsamerweise ist von den Toten im Großkonzert der Beschwerden, was in Deutschland alles schiefläuft und wer dafür verantwortlich ist, am wenigsten die Rede. Sie sind nur eine abstrakte Zahl, die das RKI morgendlich vorträgt und denen nicht einmal das Minimum an Pietät zuteil wird, das wir ihnen schulden. Eigentlich ist es beschämend, dass weder Politiker noch Ökonomen noch Virologen noch Journalisten noch irgendwer sonst an diejenigen erinnern, die nun wirklich Opfer der Pandemie sind.

Der Drang zum kleinen Verstoß nimmt zu

Ja, es stimmt, dass wirtschaftliche Existenzen bedroht sind. Aber es stimmt noch mehr, dass der Egoismus der Überlebenden die Verstorbenen von gestern und die Sterbenden von morgen schlicht ignoriert. Wie wäre es mit ein bisschen Demut?

Vermutlich ist es unvermeidlich, dass Unruhe und Ungeduld zunehmen, weil das Land nunmehr seit über einem Jahr mit Covid-19 lebt und kein Ende des Schreckens abzusehen ist. Der Drang zum kleinen Verstoß nimmt zu. Die Aggression auf der Straße oder dem Markt beim versehentlichen Anrempeln oder zu Nahekommen ist unüberhörbar. Der Ärger über Ursula von der Leyen oder Jens Spahn oder Peter Altmeier oder Angela Merkel oder summarisch über das "Totalversagen der Regierung" wird schriller und böser. Das ist so verständlich wie ungerecht. Wie wär’s mit ein bisschen Innehalten?

Ab und zu hilft es, die Dinge zu sortieren. Ich versuch’s mal:

1. Alle erwarten mit angehaltenem Atem die flächendeckende Verbreitung der Virusmutationen aus Großbritannien und Südafrika. Dann wird die Zahl der Infizierten wieder exponentiell steigen, das heißt sich wöchentlich verdoppeln. Deshalb werden die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten spätestens am 15. Februar beschließen, die Restriktionen zu verlängern. Auf Wochen. Auf Monate?

2. Das größte Problem sind die schlechten Nachrichten, die auf schlechte Nachrichten folgen. Der Lockdown, der auf Lockdown folgt und verlängert und verlängert wird. Die Aussicht, die trübe bleibt und uns zermürbt. Die Hoffnung auf das Impfen als entspannendes Gegenprogramm, ist fürs Erste verweht. Heute versucht Niedersachsen, das Trübe wenigstens mit den Bedingungen für einen Lichtblick zu verbinden.

Ministerpräsident Stephan Weil will beim Impfgipfel einen Stufenplan für Lockerungen vorlegen, abhängig von den Inzidenzen: Je besser die Lage, desto weniger Restriktionen. Das ist ebenso schwierig wie verdienstvoll und wir müssen uns vorstellen, dass sich die anderen Ministerpräsidenten abweichender Vorstellungen nicht enthalten können. Aber sie sollten sich zur Abwechslung mal mit ausschweifenden Einreden mäßigen, denn die Ungeduld im Land wächst im Gleichmaß zur eifersüchtigen Demonstration abweichender Weisheit der üblichen Verdächtigen, egal, ob es sich um Winfried Kretschmann oder Manuela Schwesig handelt.

3. Großbritannien, Israel und selbst Amerika sind mit dem Impfen viel weiter gediehen als Europa. Der Grund ist die jeweils nationale Selbstversorgung und im Vergleich dazu die umständliche Abstimmung und Vertragsfassung innerhalb der Europäischen Union. Der "Spiegel" stellt dabei Ursula von der Leyen als Schuldige heraus, doch sie inspiriert das Magazin ohnehin seit Jahren zu Höhenflügen an überzogener Kritik.

Solange die Verträge mit den Konzernen nicht ungeschwärzt vorliegen, können wir nicht wissen, wer schlecht verhandelt hat. Dabei drängte sich vorige Woche ein Mann als Beelzebub geradezu auf: Pascal Soriot, der Vorstandsvorsitzende von Astrazeneca. Er legte einen eleganten Auftritt in vollendeter Schnödigkeit hin, als er kühl mitteilte, sein Konzern gedenke der EU nur einen Bruchteil des vertraglich vereinbarten Impfstoffs zu liefern. Er konnte das, weil sich ein Rechtsstreit über Monate hinzöge, und die EU auf den britisch-schwedischen Konzern angewiesen bleibt, egal ob er Großbritannien bevorzugt behandelt hat oder nicht.

4. Seit ein paar Tagen gelten chinesische und russische Impfstoffe als denkbare Alternative. Soviel man weiß, und wieder kann man nicht alles wissen, sind sie nicht annähernd den Regularien unterworfen gewesen, die in anderen Teilen der Welt die Norm bilden. Mehr Vertrauen erwecken Konzerne wie Sanofi, Johnson & Johnson und Glaxo Smith Kline, deren Vakzine gerade die entscheidenden dritte Prüfungsphase durchlaufen. Die EU hat mit allen dreien Verträge auf viele Millionen Dosen abgeschlossen.

5. Niemand kann wissen, wie lange der Spuk noch anhalten wird. Die Politik ist auf die Geduld ihrer Bürger angewiesen. Dass die Bundestagswahl allmählich anfängt, lässt sich am Verhalten der SPD ablesen. Es kann aber auch sein, dass das alte Spiel, billige Punkte auf Kosten anderer zu machen, diesmal nicht verfängt. Angela Merkel muss diese Spiel nicht mehr spielen, es wäre aber gut, wenn sie nicht nur in Pressekonferenzen erklären würde, was nun wieder beschlossen wurde. Ab und zu mal eine Rede an uns alle, wie sie die Sache sieht und wie lange es dauert, bis im Stundentakt geimpft wird und wann die Pandemie uns in Ruhe lässt: Damit ließe sich unsere Geduld stärken.

Und ein paar angemessene Worte für die vielen Toten der Pandemie sind überfällig.

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