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"Hängt Mike Pence!" – Donald Trump und Mike Pence: Der Verrat


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Donald Trump und Mike Pence
Der Verrat


Aktualisiert am 12.01.2021Lesedauer: 5 Min.
Pence und Trump: Dramatischer Bruch des Zweiergespanns.Vergrößern des Bildes
Pence und Trump: Dramatischer Bruch des Zweiergespanns. (Quelle: Leah Millis/reuters)

"Hängt Mike Pence!" Donald Trump hetzte den Mob vom Kapitol auf seine treu ergebene Nummer zwei. Der wütende Vizepräsident soll Trump nun vorzeitig abservieren. Spielt er mit?

Als der von Donald Trump aufgeputschte Mob das US-Kapitol stürmte, machte er sich auf die Suche nach zwei Personen. Dutzende Randalierer stürmten das Büro Nancy Pelosis, der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses.

Neben der altbekannten Trump-Gegenspielerin ging es auch gegen ein ganz frisches Feindbild. An den Türen des Kongressgebäudes skandierte der Mob: "Hängt Mike Pence!". Ein Galgen war in Nähe des Kapitols ebenfalls aufgebaut. Auch im Inneren des Kapitols, so berichteten mehrere Augenzeugen, hätten Chaoten am vergangenen Mittwoch immer wieder gerufen: "Wo ist Mike Pence?". Der Trump-Mob hatte dessen eigenen Vizepräsidenten im Visier.

Dass der einmal derart zum Ziel der Anhänger Trumps geraten könnte, war vor wenigen Wochen noch undenkbar.

Treu, unbeirrt und dann zum Abschuss freigegeben

Pence diente dem Präsidenten als treue Nummer zwei, peinlichst darauf bedacht, seinen Boss nicht zu verärgern, deckte ihn in zahlreichen Skandalen. Doch in den vergangenen zwei Wochen machten Trump und seine verbliebenen Verbündeten Pence Schritt für Schritt zum Sündenbock, falls die versuchte Anfechtung der Präsidentschaftswahl scheitern sollte. Trump hetzte den Mob höchstpersönlich auf den treuen Vize.

Trumps Verrat an Pence ist der schwerwiegendste seiner Präsidentschaft. Der Vize wiederum steht nun vor einem Ultimatum, den Boss mittels des 25. Verfassungszusatzes für geschäftsunfähig zu erklären und damit noch vor dem nahen Ende der Amtszeit abzusetzen. Wenn er das nicht tue, drängen die Demokraten, klage man Trump im Rahmen eines zweiten Impeachments an.

Was tut Mike Pence nach dem Verrat durch Trump?

Ein seltsames Paar

Es ist der dramatische Bruch eines Gespanns, das viereinhalb Jahre eng zusammenarbeitete. Ein seltsames Paar waren sie von Anfang an. Hier Trump, der zweifach geschiedene Lebemann, dem eine Affäre mit einer Pornodarstellerin nachgesagt wurde. Dort der fromme Pence, der es sich zur Regel gemacht hatte, nie allein mit einer Frau zu speisen, die nicht seine Ehefrau ist, oder auf Veranstaltungen, wo Alkohol ausgeschenkt wird, nur mit Ehefrau zu erscheinen.

Pence sicherte Trump 2016 die wichtige Wählergruppe der Evangelikalen – ein Grund für den überraschenden Wahlsieg. Einmal im Amt gewährte Trump der religiösen Rechten wiederum Wahlgeschenke, etwa Abtreibungsgegner auf wichtigen Richterposten.

Der eifrigste Schmeichler Washingtons

Pence blieb nicht nur nach jedem Skandal und jedem Machtmissbrauch unterwürfig an Trumps Seite, er nahm ihm auch zahlreiche für den Präsidenten unangenehme Aufgaben ab, wie das Management der Corona-Krise.

Bei öffentlichen Auftritten übergoss der frühere Gouverneur des Bundesstaats Indiana den Präsidenten stets mit Lob. Kerzengrade, mit schneeweißem Haar, stand Pence oft etwas schräg hinter Trump. Wenn er sprach, vergaß er nie, die "Leadership" und "unvergleichlichen Erfolge" Trumps zu würdigen. Er wurde zu dessen eifrigstem Schmeichler. So blieb es von Jahr zu Jahr, von Affäre zu Affäre.

Pence' Hoffnung und Erwartung war wohl, dass er in Zukunft Trumps Unterstützung haben würde, wenn er selbst einmal Präsident werden wollen würde.

Zum dramatischen Bruch kam es erst in der zweiten Dezemberhälfte. Nachdem alle Klagen und Einsprüche gegen die Wahlniederlage sowie Drohungen gegen Wahlverantwortliche in Bundesstaaten gescheitert waren, nahm Trump den 6. Januar ins Visier: Er sah eine letzte Möglichkeit, seine Niederlage noch zu drehen.

Pence als Sündenbock

Der rein rituellen Bestätigung der Wahlergebnisse aus den Bundesstaaten im Kongress würde Pence in seiner Zweitfunktion als Senatspräsident vorsitzen. Trump und seine Einflüsterer fantasierten, dass Pence den Prozess aufhalten und die Stimmen aus knappen Bundesstaaten, die Biden gewonnen hatte, einfach missachten könne. Die Möglichkeit hat Pence laut Verfassung gar nicht, dennoch nahmen sie ihn privat wie öffentlich unter Beschuss.

Hinter verschlossenen Türen setzte Trump ein ums andere Mal seine Nummer zwei unter Druck. Pence musste laut "New York Times" seine Haltung, dass ihm die Hände gebunden waren, in einer Sitzung mit von Rudy Giuliani bestellten Anwälten verteidigen.

"Tu es, Mike!"

Auch öffentlich schoss man sich auf Pence ein, auf entgrenzte Art und Weise. Der Anwalt Lin Wood, der mit seinen Anfechtungen gegen Trumps Niederlage vor Gericht gescheitert war, setzte am 3. Januar einen Tweet ab, in dem er schrieb, Pence solle von einem Exekutionskommando erschossen werden.

Trump selbst setzte Pence in mehreren Tweets unter Druck. Noch am Morgen des verhängnisvollen 6. Januar twitterte er: "Alles, was Mike Pence tun muss, ist, (die Stimmen) zurück in die Bundesstaaten zu schicken, UND WIR GEWINNEN. Tu es, Mike, das ist die Zeit für extremen Mut!"

Als er kurz vor dem Sturm auf das Kapitol seine Anhänger in einer Rede nahe dem Weißen Haus ermutigte, sagte Trump: "Mike Pence muss für uns durchkommen, und wenn er das nicht tut, wird das ein trauriger Tag für unser Land, denn man schwört, die Verfassung zu verteidigen."

"Außer sich vor Wut"

Trump machte aus seinem Vizepräsidenten binnen weniger Tage einen angeblichen Verfassungsbrecher. Noch um 14.24 Uhr, als der Mob längst durch das Kapitol zog, twitterte Trump, dass Mike Pence "nicht den Mut gehabt" habe, Land und Verfassung zu schützen. Da war Pence im Kapitol bereits mit Sicherheitspersonal auf der Flucht vor dem Mob.

Trump rief ihn während der Belagerung nicht an. Pence war nach Berichten "außer sich vor Wut". Der konservative Senator Jim Inhofe berichtete, dass die Nummer zwei sich bitter über Trumps Verhalten beklagt habe. "Ich habe ihn noch nie so wütend gesehen", sagte Inhofe seiner Lokalzeitung. "Nach all den Dingen, die ich getan habe!", soll ein konsternierter Vizepräsident in Gegenwart Inhofes über Trump gesagt haben.

Pence erfüllte seine Rolle pflichtgemäß, wie er es zuvor angekündigt hatte. Er zog die Bestätigung des Wahlergebnisses in den Nachtstunden durch und verkündete um 3.40 Uhr schließlich Joe Biden als rechtmäßigen Gewinner der Präsidentschaftswahl. Dafür bekam er auch Lob vom politischen Gegner.

Pence und das 25. Amendment

Doch als ihn Demokratin Pelosi am Telefon dazu auffordern wollte, Trump mittels des 25. Verfassungszusatzes die Macht zu entreißen, nahm Pence ihren Anruf nicht entgegen.

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Eindrücke aus den USA und den Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Und jetzt? Die Demokraten haben Pence offiziell ein Ultimatum gestellt: 25. Amendment, sonst kommt das Impeachment am Mittwoch. Pence schweigt und hat nicht zu erkennen gegeben, dass er zu diesem Schritt bereit wäre – er müsste dafür eine Mehrheit im Kabinett hinter sich versammeln.

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Insgeheim rechnen die meisten Demokraten auch nicht damit, dass Pence Trump wirklich absetzt. Es wird wohl zum Impeachment kommen.

Das Zerwürfnis mit Trump dürfte nicht zu kitten sein. Pence tauchte wie Trump tagelang ab. Am Montagabend sollen die beiden erstmals seit dem Sturm wieder miteinander gesprochen haben. Pence will sich eine eigene Kandidatur 2024 offenhalten, heißt es in seinem Umfeld.

Während Trump der erste Präsident seit Andrew Johnson im Jahr 1869 sein wird, der die Inauguration seines Nachfolgers schwänzt, wird Pence am 20. Januar ans Kapitol zurückkehren. Er wird dabei sein, wenn Joe Biden vereidigt wird und damit jene Präsidentschaft endet, die Pence so eifrig verteidigt hat, bis ihn sein eigener Präsident verriet.

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