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USA: Brutale Woche für Donald Trump – stilbildende Fahrlässigkeit


Post aus Washington
Trump ist zunehmend verzweifelt

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold, Washington

09.10.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump bei der Rückkehr ins Weiße Haus: Eine Woche brutaler Umfragen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei der Rückkehr ins Weiße Haus: Eine Woche brutaler Umfragen. (Quelle: Alex Brandon/ap)

Sind das die Medikamente? Donald Trumps Botschaften aus der Quarantäne sorgen für Spott. Dabei zeigen sie vor allem einen Präsidenten, der es mit der Angst zu tun bekommt.

Wo soll man am Ende dieser verrückten Woche in Washington nur anfangen?

Im Weißen Haus? In der Machtzentrale tobt das Virus, Präsident und First Lady, Redenschreiber, Lieblingsberaterin und Pressesprecherin, selbst der Mann, der Trump den Koffer mit den Codes für die Atomraketen hinterhergetragen hat: außer Gefecht. Der Präsident höchstselbst hat durch seine stilbildende Fahrlässigkeit eine der bestgeschützten Festungen der Welt coronareif geschossen.

Beim Wahlkampf? Auf den Kopf gestellt: Joe Biden, der sich monatelang nicht aus dem Haus getraut hat, jettet durchs Land, Trump verzweifelt an seinem Hausarrest.

Oder doch beim Patienten Nummer eins? Wurde hastig ins Krankenhaus geflogen und legte, wenn wir ihn wirklich beim Wort nehmen wollen, eine wundersame Genesung hin.

"Ich würde für diesen Mann sterben"

Nein, beginnen wir dort, wo sich diese Woche ein paar Bilder in meinen Kopf gebrannt haben. Maryland, Landstraße 355, kurz hinter der Stadtgrenze Washingtons. Dort standen zwei- bis dreihundert Menschen am Straßenrand vor dem Militärkrankenhaus Walter Reed, in das man Trump gebracht hatte.

Trump-Fahnen, USA-Flaggen, selbst gemalte Schilder. Anhänger der QAnon-Verschwörungstheorie, aber auch laut Plakat "Informierte Frauen für Trump", viele auf Campingstühlen. Eine Melania-Pappfigur, Autokorsos, Hupkonzerte, aus den Boxen das Lied, zu dem der Patient Trump sonst auf die Bühne kommt: "God Bless the USA".

So sah das aus:

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Es wäre falsch, diese Menschen einfach als Trump-Wähler oder Unterstützer zu bezeichnen. Sie sind Anhänger eines Kults. Je gespaltener das Land, desto größer die jeweilige Sehnsucht nach Gemeinschaft. Als der höchstinfektiöse Trump auf seiner berüchtigten Spritztour am Anhang vorbeifuhr, schrie einer: "Gott segne unseren Präsidenten. Ich würde für diesen Mann sterben!"

Tod oder Trump! In Zeiten von Corona trägt der Kult noch befremdlichere Züge. Der Messias dankt es, wenn jemand gelobt, durch Covid-verseuchtes Wasser zu waten, um sein Kreuz für ihn zu machen (noch so ein Bild, das man schwer aus dem Kopf bekommt).

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Von hier aus begann Trump die große Inszenierung seines Comebacks. Hob im Hubschrauber zum Heimflug ins Weiße Haus ab, pünktlich zu Dämmerung und Fernseh-Primetime, live auf allen Kanälen.

Er ließ sogleich ein triumphales Video seiner Ankunft schneiden, als hätte er gerade einen Krieg gewonnen. Er hatte sich aber nur selbst aus dem Krankenhaus entlassen, aufgepäppelt mit dem Steroid Dexamethason, dem Anti-Viren-Wirkstoff Remdesivir, einer experimentellen Antikörper-Kur.

Inszenierung eines Autokraten

Eine Inszenierung wie ein Monarch oder Autokrat. Viele spotten, viele andere spricht es sicher an. Doch wer mit aller Macht Stärke inszenieren muss, ist meist schwach. Und das trifft auf Donald Trump in dieser Woche mehr denn je zu.

Der Präsident brachte seinen Leibarzt dazu, nur das zu sagen, was er abgenickt hatte. Dieser verharmloste, verschwieg, verzerrte. Vieles wissen wir immer noch nicht: Wann Trump infiziert war, wie schlecht es ihm ging, wen er angesteckt hat. Der Präsident hält das unter Verschluss.

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Molière ließ uns einst lachen über den eingebildeten Kranken, einen Hypochonder, besessen davon krank zu sein. Diese Woche ließ einen lachen oder weinen über Trump, den kranken Eingebildeten, besessen davon, nicht als verletzlich dazustehen. Der bei seiner Inszenierung auf dem Truman-Balkon schwer keucht. Und für den die Arztbriefe mit Sätzen wie diesem anfangen: "Heute morgen sagt Donald Trump: 'Ich fühle mich großartig'".

Seine Lebenszeichen kamen per Tweet und Videoclip, und zwar sehr grell. "Fühle mich besser als vor 20 Jahren!", schrieb er. "Hi, vielleicht erkennt ihr mich, ich bin's, euer Lieblingspräsident", sagte er. Im Meinungsmacher-Medium Twitter war man sich schnell einig: Das sind die Medikamente! Der Mann ist auf Steroiden! Tatsächlich sind häufige Nebenwirkungen Euphorie, Unruhe, Manie.

Schamlos und schmerzlos

Doch Trump braucht ganz sicher kein Dexamethason, um sich aufzupumpen und etwas über dem Boden der Tatsachen zu schweben. Nein, ich sah den Trump, den wir längst kennen, auch wenn wir es bisweilen wieder verdrängen: schamlos, schmerzlos und unfähig zum Kurswechsel.

Die Erkrankung bot Trump eigentlich die Chance, beim Coronavirus einen anderen Ton anzuschlagen. Doch der Präsident blieb sein eigener Gefangener und verharmloste munter weiter ein Virus, das ihn an die Sauerstoffmaschine gezwungen hatte. "Habt keine Angst davor!"

Am Donnerstagabend telefonierte Trump wieder in die Sendung seines Lieblingsmoderators Sean Hannity auf "Fox News" und sagte zweierlei: Bei ihm seien noch Viren festgestellt worden ("sehr wenige"), aber am Samstag und Sonntag wolle er wieder Wahlkampf draußen im Lande machen. Dazwischen versagte ihm zweimal die Stimme. Das passende Attest vom Leibarzt hat er schon.

Diese Woche hat dem Präsidenten zu allem Überfluss noch eine brutale Umfrage nach der nächsten beschert. CNN sah seinen Konkurrenten Biden bundesweit mit 16 Prozentpunkten vorn – ein Rekordvorsprung. Selbst beim konservativen Institut Rasmussen, dessen Umfragen Trump gern verbreitet, waren es zwölf Prozentpunkte. Auch in den wichtigen Staaten Florida und Pennsylvania steigen Bidens Werte. Rentner wählten 2016 mehrheitlich Trump, jetzt liegt Biden laut zwei Erhebungen bei ihnen mit 20 Prozentpunkten vorn. Weshalb Trump umgehend eine Videobotschaft schickte an "meine Lieblingsmenschen auf der Welt" – das sind jetzt, genau, Rentner.

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Manisch nennen das die einen – ich empfand es als zunehmend verzweifelt.

Wie Sie wissen, schreibe ich nicht gern über Umfragen, a) weil es Wichtigeres gibt in dieser Wahl und b) weil wir uns alle noch allzu gut an 2016 erinnern. Doch diese Zahlen zeigen, warum Trump bei Corona auf Risiko spielt: Turbogenesung, neue Versprechungen über Wundermittel, neue Wählergeschenke sollen seine schlechten Werte bei diesem Thema nach oben hieven.

Das Kartenhaus darf dann gern zusammenfallen, nur nicht vor dem 3. November.

Ein Leibarzt, der verkündet, verschreibt und verschweigt, was Trump will. Ein Covid-Patient, dessen Obsession, keine Schwäche zu zeigen, alles überstrahlt. Ein Präsident, der mit dem Rücken zur Wand steht. Und ein Kult, dessen Mitglieder dem Präsidenten überallhin folgen. Das ist die Aufstellung für den Endspurt. Noch 25 Tage bis zur Wahl.

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