US-Supreme-Court Nach Tod von Bader Ginsburg – Obama appelliert an Trump
Sie war wohl die bekannteste Richterin der USA und Heldin des liberalen Amerika: Ruth Bader Ginsburg ist tot. Jetzt könnte das wichtigste US-Gericht für Jahrzehnte eine konservative Schlagseite bekommen.
US-Präsident Barack Obama hat sich Forderungen angeschlossen, die Position der verstorbenen Justizlegende Ruth Bader Ginsburg im Obersten Gericht der USA nicht in der aktuellen Amtszeit von Präsident Donald Trump nachzubesetzen. Ginsburg starb am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung, wie das Gericht in Washington mitteilte.
Im Wahljahr 2016 hätten die Republikaner "das Prinzip erfunden, dass der Senat eine Vakanz im Supreme Court nicht füllen sollte, bevor ein neuer Präsident vereidigt wird", erklärte Obama in der Nacht zu Samstag. Ein Grundsatz von Recht und Fairness sei, dass Regeln einheitlich angewendet werden, und nicht abhängig davon, was gerade vorteilhaft sei. Die Republikaner im Senat hatten vor vier Jahren einen von Obama nominierten Kandidaten unter Verweis auf den unpassenden Zeitpunkt im Wahljahr blockiert.
Trump würdigt Bader Ginsburg als "Titanin des Rechts"
Die Besetzung eines Richterpostens am Supreme Court ist ein großes Politikum. Mit der Ernennung kann der Präsident die Linie des obersten Gerichts mit seinen neun Richterstellen auf viele Jahre hinaus beeinflussen, denn die Richter werden auf Lebenszeit gewählt. Schon jetzt hat das oberste Gericht ein konservatives Übergewicht. Nun hat Präsident Trump zum dritten Mal die Chance, einen Supreme-Court-Richter zu ernennen.
Der Republikaner zeigte sich bereits entschlossen, den Richterposten noch in den letzten Monaten seiner Amtszeit nachzubesetzen. "Ich würde es machen. Absolut. Ganz sicher", sagte Trump vergangenen Monat in einem Radio-Interview. Am Freitag würdigte Trump Bader Ginsburg als "Titanin des Rechts". Sie sei für "ihr brillantes Denken und ihre kraftvollen Widersprüche am Obersten Gerichtshof" berühmt, so Trump. "Ihre Urteile, inklusive ihrer sehr bekannten Entscheidungen zur Gleichberechtigung von Frauen und Behinderten, haben alle Amerikaner und Generationen von Juristen inspiriert."
Supreme Court prägt Gesellschaft und Politik
Derzeit gelten fünf Richter am Supreme Court als konservativ, nach Bader Ginsburgs Tod verbleiben noch drei im liberalen Block. Trump ernannte während seiner Amtszeit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Die Berufung Kavanaughs war wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in den 1980er-Jahren heftig umstritten. Bader Ginsburg übte ihr Amt an dem hochpolitischen Gericht bis zuletzt aus und galt als prominenteste Vertreterin des liberalen Flügels. Sie war in diesem Jahr mehrfach kurzzeitig im Krankenhaus behandelt worden.
Der Supreme Court hat eine prägende Rolle für die Gesellschaft und Politik in den USA. Das Gericht verhandelt hoch umstrittene Themen wie Abtreibung, Waffenrecht, Gleichberechtigung und Einwanderung. Nicht selten haben die neun Richter das letzte Wort in Auseinandersetzungen um weichenstellende Gesetze und Verfügungen. Die gefällten Entscheidungen sind häufig von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre, teils Jahrzehnte.
Bill Clinton nominierte Ginsburg 1993
Obama betonte, Entscheidungen des Gerichts würden in den kommenden Jahren bestimmen, "ob unsere Wirtschaft fair und unsere Gesellschaft gerecht ist, ob Frauen gleichberechtigt behandelt werden, ob unser Planet überlebt und unsere Demokratie bestehen bleibt". Deshalb müsse das Verfahren bei der Nachfolgeregelung tadellos sein. Er würdigte Bader Ginsburg als "eine Kriegerin für die Gleichberechtigung der Geschlechter". Sie habe daran geglaubt, dass Gleichheit vor dem Gesetz für jeden Amerikaner gelten müsse.
Bader Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert – und wurde zur wohl bekanntesten Richterin. Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne. Einen Namen machte sich Bader Ginsburg mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Bekannt war sie auch als Vorreiterin für Frauen- und Bürgerrechte. Ihr Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer Filme und Bücher. Viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.
"So lange ich die Arbeit mit voller Kraft erledigen kann"
Bader Ginsburg hatte sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe.
Konsequenzen für ihren Posten am Supreme Court zog sie nicht: "Ich habe oft gesagt, dass ich Mitglied des Gerichts bleiben werde, so lange ich die Arbeit mit voller Kraft erledigen kann", hatte sie bei Bekanntgabe der Erkrankung erklärt.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters